: Lemke bremst bei Schulfach Wirtschaft
Arbeitgeber und DGB fordern die Einführung eines Pflichtfachs Wirtschaft ab der 5. Klasse. Willi Lemke, der Chef der Kultusminister, hält das für unrealistisch. Auch die GEW-Chefin erwartet eine „differenziertere Haltung“ vom DGB
BERLIN taz ■ Als wirtschaftsfeindlich gilt Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD) nicht gerade. Als langjähriger Fußballmanager machte er aus dem gemütlich-sozialdemokratischen Verein Werder Bremen ein florierendes Wirtschaftsunternehmen. Zusammen mit FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß betrieb Lemke die totale Kommerzialisierung des Fußballsports. Doch jetzt hat er einen neuen Job. Als Präsident der Kultusministerkonferenz spielt er nun die Rolle des Vorstoppers gegen die totale Ökonomisierung der Schulen.
Als „im Moment absolut realitätsfremd“ lehnte Lemke gestern die Forderung von Arbeitgebern und DGB ab, ein verbindliches Unterrichtsfach Wirtschaft für alle Schüler ab der fünften Klasse einzuführen. Grundsätzlich findet auch Lemke, dass die wirtschaftliche Bildung an den Schulen gestärkt werden muss. Aber ein eigenständiges Fach Wirtschaft – das geht ihm zu weit: „Die Welt in noch mehr Unterrichtsfächer aufzuteilen entspricht gerade nicht der Erkenntnis, dass wir interdisziplinäres Lernen und Denken stärker fördern müssen“, erklärte Lemke gestern in Berlin.
So war ihm das Unbehagen deutlich anzusehen, als DGB-Vorständlerin Ingrid Sehrbrock immer wieder versuchte, den „Profi aus der Fußballbranche“ als Mitstreiter zu gewinnen. Dafür hatte sie sogar einen Ball mitgebracht, den sie ihm „zuspielen“ wollte. Lemke nahm die Kugel nur für die Fotografen an, inhaltlich wies er die „Vorlage“ eindeutig zurück: „Es nützt gar nichts, jetzt zu fordern, ein neues Fach muss her“, sagte Lemke und warnte davor, überstürzt den Lehrplan zu ändern.
Das „Lernfeld Wirtschaft“, betonte Lemke, sei auch jetzt schon in den allgemein bildenden Schulen „fest verankert“, als Teil der Fächer Sozialkunde oder Arbeitslehre. Natürlich sei er dafür, die Inhalte zu aktualisieren und „den Rat der Praktiker stärker mit einzubeziehen“. Aber Lemke weiß, was er auslösen würde, wenn er als Chef der Kultusminister für ein neues Schulfach plädieren würde: „So leicht geht das nicht.“ Das föderale Prinzip habe sich bewährt, also sollten auch künftig die einzelnen Länder entscheiden, welche Schwerpunkte sie setzen wollen.
Die Arbeitgeber sehen das anders. So schlug BDA-Geschäftsführer Reinhard Göhner konkret vor: „Man könnte die Hälfte des Sozialkundeunterrichts weglassen und stattdessen Wirtschaft unterrichten.“ Als Vorbild nannte er immer wieder Bayern, wo seit Jahren an Gymnasien und Realschulen Wirtschaft und Recht unterrichtet wird.
Doch nicht einmal in München will man den Schülern schon ab der fünften Klasse beibringen, was Aktienfonds und Dividenden sind. Eine Sprecherin von Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) erklärte gegenüber der taz: „Das Fach bleibt in der Mittelstufe.“ In den neuen Stundentafeln sei eine Vorverlegung nicht geplant.
Den DGB hinderte das nicht daran, unisono mit den Arbeitgebern zu fordern, dass sich schon Zehnjährige in der Arbeitswelt „warm spielen“ sollten.
Einfach übergangen hat der DGB dabei jedoch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Deren Vorsitzende Eva-Maria Stange sagte gestern gegenüber der taz, sie sei gegen ein eigenständiges Fach. „Wir wären glücklicher, wenn der DGB eine differenziertere Haltung formuliert hätte.“
LUKAS WALLRAFF
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