piwik no script img

Leiterin über neues Filmstudio„Testdrehs in vier Wochen“

Ein Filmstudio für Lübeck: „Exvoli“-Leiterin Lucca Grzywatz über Engpässe in Hamburg, nahe skandinavische Märkte und ressourcenschonende, faire Sets.

Man kann sogar ein Wasserbecken installieren für maritime Szenen: letzte Bauarbeiten in Lübeck Foto: Exvoli
Interview von Wilfried Hippen

taz: Lucca Grzywatz, Filmstudios sind so gut wie ausschließlich in den Branchen-Metropolen wie Hamburg, Berlin oder Köln angesiedelt. Den Markt haben hierzulande zudem einige Traditionsbetriebe unter sich aufgeteilt, es hat seit Jahrzehnten so gut wie keine Neugründungen gegeben. Warum trauen Sie sich so eine zu – und dann auch noch in Lübeck?

Lucca Grzywatz: In Lübeck gibt es ein tolles Netzwerk von Filmschaffenden, die aber aufgrund der noch ausbaufähigen Infrastruktur vor Ort ihre Kunden in anderen ­Städten finden müssen. Sie müssen darum in Hamburg, Köln, Berlin oder München ihrer Arbeit nachgehen, obwohl ihr Leben mit ihren Familien hier stattfindet. Dabei ist Lübeck ein idealer Standort für Filmproduktionen, weil all die Gewerke, die dafür nötig sind, in der Stadt ansässig sind. Außerdem haben wir hier eine gute Anbindung an andere Standorte, nicht nur in Deutschland, sondern auch auf den skandinavischen Filmmärkten. Wir wollen uns mit den Studios aktiv daran beteiligen, eine neue Produktionslandschaft in Schleswig Holstein aufzubauen.

Und doch glauben Sie – und Geschäftsführer Sebastian Gartz –, dass sich das rechnen kann.

Wir sehen hier großes Potenzial, weil unsere Analysen ergeben haben, dass es in der Branche einen Trend hin zu Studioproduktionen gibt. Und es besteht ein Nachfrageüberhang bei den Studios in Hamburg, sodass wir auch eine verlängerte Werkbank von Hamburg sein könnten.

Welche Art von Produktionen wird bei Ihnen gedreht werden können?

Wir sind ein Mietstudio und haben keinerlei Beschränkungen darin, welche Art von Film bei uns gemacht werden. Es gibt neben dem Unterhaltungsfilm, also Langspielfilmen und Serien, auch Unternehmensfilme, also Werbefilm, Schulungsfilme, Imagefilme und ­Streaming-Events, die alle in einem Studio realisiert werden.

Was haben Sie Ihren Kunden zu bieten?

Wir haben ein großes Studio mit einer Fläche von 600 Quadratmetern und ein zweites mit 200 Quadratmetern Fläche. In beide kann man eine Kulisse oder ein Set einbauen, in denen zum Beispiel ein Wohnzimmer, ein Büroraum oder auch eine ganze Wohnung dargestellt wird. Es wäre auch möglich, im Studio ein Wasserbecken einzubauen, wenn man zum Beispiel in einer Schiffskulisse inszenieren will. Aber der Klassiker ist eine Hohlkehle.

Eine was, bitte?

Eine Hohlkehle ist eine Holzkonstruktion, bei der es keine Ecken gibt, sodass man bei den Aufnahmen keinen Schattenwurf im Raum hat, wodurch er unendlich wirken kann. Wenn er dann grün angestrichen wird, kann man bei diesem Greenscreen das Bild in der Nachbearbeitung digital anpassen.

Auf Ihrer Homepage betonen Sie, dass Sie nachhaltig und sozial arbeiten wollen. Klingt gut – aber was bedeutet das konkret?

Bei Filmproduktionen werden viele Ressourcen verbraucht. So gibt es einen großen Strombedarf, beim Setbau werden viele Rohstoffe verbraucht, beim Catering werden in großen Mengen Lebensmittel benötigt. Wir werden uns darum kümmern, dass nur regionale Produkte in die Küche kommen, und wir werden garantieren, dass der Müll getrennt wird. Wir beziehen ausschließlich Ökostrom und werden in der Zukunft versuchen, auch eigenen Strom zu produzieren. Wir sind nicht selbst im Setbau tätig, für die Wahl unserer Partner ist das von ihnen verwendete Holz ausschlaggebend. Möglichkeiten sehen wir auch bei der Auswahl von Hotels, beim Catering und so weiter.

Exvoli
Im Interview: Lucca Grzywatz

hat Betriebswirtschaft studiert und als Event­managerin u.a. für die Nordischen Filmtage in Lübeck gearbeitet.

Wissen die Kunden das zu schätzen?

Es gibt bei der Filmförderung inzwischen Vorgaben für ökologische Standards und wir versprechen unseren Kunden, dass diese eingehalten werden, sodass sie auf den Anträgen den Haken setzen können, ohne sich selbst darum kümmern zu müssen.

Die Eröffnung des Studios war für den vergangenen Januar geplant, hat sich aber verzögert. Warum?

Das Gelände ist noch eine halbe Baustelle. Jetzt wird gerade der Hof gepflastert und es fehlt noch ein Brandschutzfenster. Aber wir planen, in vier Wochen mit den Testdrehs zu beginnen, bei denen sich Lübecker Filmproduktionen bei uns austoben können.

Dies sind ja nun wirklich keine Gründerzeiten und die Filmbranche ist nicht zum ersten Mal in einer Krise. Ist es nicht verwegen, gerade jetzt so eine Unternehmung zu starten?

Die Studios

„Exvoli“-Studios, Aldermannweg 10, Lübeck, https://exvoli-studios.de

Eine gesunde Naivität muss man wohl für jede Neugründung mitbringen, aber man darf auch nicht mit Scheuklappen herumrennen. Der lange Doppelstreik in den USA im vergangenen Jahr …,

… als Drehbuchautoren und Schauspieler erstmals seit Jahrzehnten gleichzeitig in Ausstand traten …,

… war etwa maßgeblich dafür, dass auch hier viele Produktionen eingestellt wurden. Aber jetzt wird die Novelle zum Filmförderungsgesetz erwartet – daraus schöpfen wir Hoffnung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!