Leiter übers Junge Schauspielhaus: „Manche kommen zum ersten Mal ins Theater“
Klaus Schumacher leitet seit 20 Jahren das Hamburger Junge Schauspielhaus. Für die Zukunft wünscht er sich ein großes Ensemble und einen großen Etat.

taz: Klaus Schumacher, das Junge Schauspielhaus feiert in der kommenden Spielzeit sein 20-jähriges Jubiläum. Was war für Sie als Intendant bisher das Schönste?
Klaus Schumacher: Wenn man eine neue Leitung übernimmt, ist es das Schönste, eine Bande zu bilden und sagen zu können: „Wir machen das zusammen und wir versuchen jetzt was.“ Das konnte ich hier mehrfach machen.
taz: Die ersten Besucher*innen von damals sind jetzt vielleicht selbst schon Eltern …
Schumacher: … oder Mitarbeiter:innen.
1965 in Unna geboren, studierte in Hildesheim angewandte Kulturwissenschaften. 1995 ging er zum Kinder- und Jugendtheater am Theater Bremen, dessen Leitung er 2000 übernahm. Seit der Gründung 2005 leitet Schumacher das Junge SchauSpielHaus, das seit 2021 eine eigene Spielstätte in Hamburg-Barmbek betreibt.
taz: Tatsächlich?
Schumacher: Wir haben ein paar Mitarbeiter:innen, die als Kinder ins Junge Schauspielhaus gekommen sind, damals waren wir noch im Malersaal. Unsere Arbeit hat bei manchen eine sehr nachhaltige Wirkung.
taz: Wo finden Sie denn Ihr Publikum? Auf Tiktok und Insta? Oder in den Schulen?
Schumacher: Zum einen haben wir am Schauspielhaus eine tolle Öffentlichkeitsarbeit, die auch die digitalen Kanäle bespielt, zum anderen aber auch einen super Kontakt zur Lehrer:innenschaft in Hamburg, die sehr engagierte Arbeit leistet und mit der wir viel im Austausch sind.
taz: Aber Sie müssen Ihre Zuschauer: innen jedes Mal aufs Neue fürs Theater gewinnen …
Schumacher: Ich fände es ehrlich gesagt, problematischer, wenn es immer in denselben Bahnen liefe und man immer dieselben Gesichter sähe. Das würde mir mehr Sorge bereiten als das, was wir hier erleben, nämlich dass wir immer neue Menschen treffen. Es fordert uns auf eine schöne Weise auch heraus, nicht in komische Routinen zu verfallen. Theater für junge Menschen muss immer im Jetzt inspirieren, provozieren, funktionieren. Es muss die Geschichte zu dem Moment sein.
taz: Sie selbst wechseln immer mal wieder die Welten, inszenieren sowohl im „klassischen“ Theater als auch für junges Publikum. Was ist Ihr Hauptantrieb, wenn Sie Theater für junges Publikum machen?
Bei der Theaternacht bietet das Junge Schauspielhaus ein Nachmittagsprogramm für Familien und Kinder: Sa, 13. 9., 15–18 Uhr, Junges Schauspielhaus, Wiesendamm 28
Das erste Stück der neuen Spielzeit ist „Anybody Home“ von Stanislava Jević und Klaus Schumacher für Jugendliche ab 14 Jahren: Uraufführung am Sa, 20. 9., Junges Schauspielhaus
Schumacher: Man ist mit einem Publikum zusammen, bei dem man viel Relevanz erlebt. Das Theaterereignis verplätschert nicht in einem Jahresprogramm von Kulturangeboten. Manche unserer Zuschauer:innen kommen bei uns zum ersten Mal ins Theater, sehen etwa zum ersten Mal „Romeo und Julia“, und die Relevanz, die sich daraus ergibt, finde ich wahnsinnig reizvoll. Genauso wollen wir mit unserem Programm auch immer über aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft sprechen und das ist mit diesem Publikum oft lohnender als, Entschuldigung, mit älterem Publikum.
taz: Und was ist bei der Theaterarbeit für junges Publikum die größte Herausforderung?
Schumacher: Wir können uns keine Eitelkeiten leisten! Es geht immer um einen inhaltlichen Kern. Wir müssen in einer Frische agieren, die nicht in der Konvention stecken bleiben darf, und müssen die Sorgen der Heranwachsenden ernst nehmen. Für mich ist zum Beispiel „Überforderung“ ein Begriff der Zeit, den wir mehr besprechen sollten.
taz: In den Abgesang auf die digital verseuchte Generation Alpha stimmen Sie nicht mit ein?
Schumacher: Gottes willen, nein! Natürlich gibt es Dinge zu besprechen, wie etwa die Handynutzung und vielleicht müssen wir das sogar regeln. Aber das steht mir gar nicht zu. Ich will erst mal beschreiben, was das Phänomen ist und einen Erfahrungsraum anbieten. Was Medienkonsum zum Beispiel mit den Geschlechterbildern oder dem sozialen Gefüge einer Familie macht, das ist unter anderem ein Thema in unserer Eröffnungsinszenierung „Anybody Home“.
taz: Sie sind schon 20 Jahre lang Leiter des Jungen Schauspielhauses – fühlen Sie sich eigentlich manchmal alt?
Schumacher: Alt fühle ich mich, wenn ich mit meinen Zwillingen …
taz: … wie alt sind die?
Schumacher: … acht Jahre. Also wenn ich mit den beiden einige Tage 24 Stunden am Stück verbracht habe, dann fühle ich mich alt und jung zugleich. Und klar, fühle ich mich in manchen Diskursen alt, da habe ich das Gefühl, ich bin Fremdsprachler, wo andere Muttersprachler sind. Aber ich bin lernfähig! Grundsätzlich bin ich zum Glück mit viel Energie ausgestattet.
taz: Wenn Sie sich für das Junge Schauspielhaus für die nächsten 20 Jahre etwas wünschen dürften, was wäre das?
Schumacher: Dass es weitergeht! Und wenn ich „weitergehen“ sage, dann meine ich Wachsen. Ich wünsche mir ein Junges Schauspielhaus mit einem großen Ensemble und natürlich mit einem Etat von etwa 20 Millionen. Der Bedarf wäre da.
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