Leistungsschutzrecht im Bundestag: Lobbying wie aus dem Lehrbuch
Am Freitag wird über das umstrittene LSR abgestimmt. Selbst in seiner verwässerten Version ist es ein beispielhafter Lobbyerfolg.
BERLIN taz | „Ich bin gegen das Leistungsschutzrecht, weil dieses Gesetz nicht nur unnötig ist, sondern zusätzlich erhebliche Rechtsunsicherheit schafft“, sagt Dorothee Bär, Bundestagsabgeordnete der CSU und fleißige Twitter-Nutzerin der taz. Sie wird bei der Abstimmung am Freitag über das Leistungsschutzrecht mit „Nein“ stimmen und sich somit gegen ihre Fraktion stellen.
„Keiner weiß, welche Folgen das Gesetz für den Bereich der sozialen Netzwerke hat und die Regelung geht komplett am Nutzer vorbei“, argumentiert Bär weiter. Auch andere Abgeordnete der CDU/CSU und FDP haben inzwischen angekündigt dem Leistungsschutzgesetz eine Absage zu erteilen. Auf c-netz.de sammeln sich die Abtrünnigen der CDU/CSU, die sich gegen das Leistungsschutzrecht aussprechen.
Wie konnte ein Gesetzesvorhaben, dass nun sogar Widerstand in den Reihen der Regierungskoalition weckt, überhaupt bis in den Bundestag kommen?
Bereits 2009 wurde die erste Forderung nach einem Leistungsschutzrecht für Presseunternehmen laut. Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sprach sich am 7. Mai in einer Delegiertenversammlung für ein umfassenderes Schutzrecht für Verlage aus. Der Begriff Leistungsschutzrecht existierte schon vorher in einem anderen Zusammenhang: Für einige andere Bereiche ist dieser Schutz im Urheberrecht geregelt. So dürfen zum Beispiel Musikprodukte nicht ohne Zustimmung des Herstellers vervielfältigt werden. Ggenauso fällt die Aufführung eines Werkes unter einen urheberrechtlichen Schutz.
Die Forderung, Presseunternehmen müssten sich gegen die „unentgeltliche Ausnutzung ihrer Angebote im Internet zur Wehr setzen“, orientierte sich also an dem Vorbild des Leistungsschutzrechts der Musikindustrie. Von Anfang an zielte die Idee des Leistungsschutzrechtes dabei auf den Suchmaschinenbetreiber Google und sein Nachrichtenangebot Google News, dass auf der Präsentation von Snippets, kurzen Ausschnitten von Texten externer Medienangebote, und den Links auf diese Seiten basiert.
Verdeckte Kampagnen
Bereits wenige Wochen zuvor, im April 2009, hatte Dietrich von Klaeden, Cheflobbyist des Axel Springer-Konzerns, beim zuständigen Staatsminister Neumann in Sachen Leistungsschutzrecht vorgefühlt, wie eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Dezember 2012 zu Tage brachte. Auch die Tatsache, dass der Bruder von Dietrich, Eckart von Klaeden, 2009 Staatsminister bei der Bundeskanzlerin wurde, stand im Fokus der Anfrage. Offiziell hätten sich die beiden Brüder jedoch nicht über das Leistungsschutzrecht beraten, stellte die Bundesregierung in ihrer Antwort (pdf) fest.
Unabhängig davon startete Springer auch verdeckte Kampagnen. So engagierte der Verlag den vermeintlich unabhängigen Medienrechtler, Anwalt und Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Jan Hegemann. Neben dem unter dem Absender Axel Springer verfassten Memorandum für das Leistungsschutzrecht schrieb er einen Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in welchem er sich als unabhängige Stimme für das Leistungsschutzrecht präsentierte und die Zusammenarbeit mit dem Springer-Verlag vehement bestritt.
Am 26.Oktober 2009 wurde nach dreiwöchigen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP der gemeinsame Koalitionsvertrag in Berlin unterschrieben. Vereinbart ist darin unter anderem die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet. „Die Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler“, so die Zielstellung.
Widerstand aus dem Netz
Schnell formierte sich Widerstand gegen das geplante Leistungsschutzgesetz. Eine der größeren Kampagnen gegen das Leistungsschutzrecht war die „Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht“ (IGEL). Die Plattform ging bereits im Dezember 2010 online, das Leistungsschutzrecht hält sie weder für „notwendig“ noch für „gerechtfertigt“.
Unterstützer der Initiative sind neben allen Jugendverbänden der großen Parteien auch die Heinrich Böll Stiftung, verschiedene Organisationen und Blogs wie Mädchenmannschaft, netzpolitik, Chaos Computer Club und Google selbst. Besonders kritisch sehen Kritiker wie IGEL die Tatsache an, dass gerade die großen Verlagshäuser die Einführung des Leistungsschutz fordern. Kleine Verlage profitierten von dem Recht nicht.
Ebenfalls kritisiert wird die Einschränkung der Kommunikationsfreiheit: „Ein Monopolrecht, das kleine Textausschnitte, kurze Wortfolgen wie einzelne Sätze oder Überschriften erfasst, wird unweigerlich den Umgang mit der Sprache an sich einschränken“. Auch das Argument der Ausbeutung oder Enteignung der Verlage weisen sie entschieden zurück. Ganz im Gegenteil: Es seien die Verlage, die davon profitieren, dass die Kunden mit der Suchmaschine zu ihnen finden.
Urheberrecht regelt genug
Auch das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht stellte sich entschieden gegen das Leistungsschutzrecht. Der Schutz der Presseverleger sei bereits im Urheberrecht ausreichend geregelt. Auch die Wissenschaftler des Instituts betonen, dass die Presseverleger auf die Linksetzungen der Suchmaschinenbetreiber angewiesen seien, um die Reichweite ihrer Erzeugnisse zu erhöhen.
Im August 2012 schließlich übernimmt das Bundesministerium der Justiz die Initiative zum Leistungsschutzrecht. Die überarbeitete Fassung (pdf) wird dem Präsidenten des Bundestages am 14.November zugesendet.
Geschützt werden sollen Verlage und Journalisten. Die Initiative beschreibt dies wie folgt: „Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten.“
Im Klartext heißt dies, für Suchmaschinen gibt es eine Ausnahme von der Ausnahme. Sie dürfen Presseerzeugnisse nicht öffentlich zugänglich machen – jedenfalls nicht ohne für ein entsprechendes Nutzungsrecht zu zahlen. In einer Petition im August 2012, die von Bruno Kramm, Mitglied der Piratenpartei, eingebracht wurde, sollte die Einführung des Leistungsschutzrechts gestoppt werden. Das nötige Quorum von 50.000 Gegenstimmen wurde nicht erreicht.
Taliban mit Suchmaschine
Die langjährige Lobbyarbeit der beiden großen Befürworter, Axel Springer AG und Burda, hat sich bezahlt gemacht. Die schwarz-gelbe Koalition kündigt schon im März 2012 in einer Pressemitteilung (pdf) verbindlich an, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage einzuführen.
Über das ganze Jahr wirbt der Axel-Springer-Verlag weiter vehement für das neue Leistungsschutzrecht und vergleicht Google sogar mit den Taliban. In einem Interview mit Horizont.net lässt der Konzerngeschäftsführer für Public Relations Christoph Keese außerdem verlauten, dass die Suchmaschine ein Gegner des Fortschritts sei. Namhafte Gegner des Leistungsschutzrechtes wie der Journalist Stefan Niggemeier bezichtigen Keese und andere Verfechter des Vorhabens inzwischen offen und unwidersprochen der Lüge.
Google selbst, neben den Verlagen zweiter Hauptakteur der ganzen Diskussion, nimmt erst im November 2012 den öffentlichen Kampf auf: Die Kampagne „Verteidige dein Netz“ richtet sich an die Nutzer der Suchmaschine, die sich für den Konzern einsetzen sollen. Im dazugehörigen Video, das auf Youtube bereits über 7 Millionen Klicks erhalten hat, wird gefragt: „Willst du auch in Zukunft finden, was du suchst? Ein für Deutschland geplantes Leistungsschutzrecht würde die Suche im Internet stark einschränken“. Die Nutzer sollen sich an ihre Bundestagsabgeordneten wenden und sich beschweren.
Werbung an Taxis
Googles Deutschland-Chef Stefan Tweraser sagt dazu: „Die meisten Bürger haben noch nie von diesem Gesetzesvorschlag gehört. Dabei träfe ein solches Gesetz jeden Internetnutzer in Deutschland“. Im Februar 2013 hat der Konzern die Kampagne noch weiter ausgeweitet und Werbung in Berliner Taxis geschaltet. Mit dem Zitat des Bloggers und Journalisten Mario Sixtus: „Mit der gleichen Logik könnte ein Restaurantbesitzer von Taxifahrern Geld verlangen, die ihm Gäste bringen“, versucht Google kurz vor der Entscheidung über das Leistungsschutzrecht weitere Gegner zu mobilisieren.
Eine überraschende Änderung des Gesetzentwurfs am vergangenen Dienstag hat derweil das umstrittene Leistungsschutzrecht wieder entschärft. „Einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ sollen nun doch nicht unter das Gesetz fallen, erklärte Manuel Höferlin von der FDP. Über was dann noch genau abgestimmt werden soll ist vielen unklar. Die Kritik, dass nur mehr Rechtsunsicherheit geschaffen werde, wird so noch plausibler.
Klar ist jedoch, dass die Lobbyabteilungen der Verlage sich auch ein verwässertes Gesetz als Erfolg auf die Fahnen schreiben können – spätere Änderungen und Ausweitungen sind schließlich nicht ausgeschlossen.
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