Leipziger Buchpreis: „Echos Kammern“ gewinnt
Iris Hanika wurde mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Alle Kandidat*innen in der Belletristik-Shortlist in der taz-Kurzkritik.
Am Freitag wurden in Leipzig die Preise der Leipziger Buchmesse verliehen. In der Kategorie Bellestristik wurde die Autorin Iris Hanika für „Echos Kammern“ ausgezeichnet. Auch die anderen beiden Preise gingen 2021 an Frauen. In der Kategorie Sachbuch/Essayistik gewann Heike Behrend. Als Übersetzerin wurde Timea Tankó ausgezeichnet.
Auch wenn die Buchmesse selbst längst abgesagt worden ist, an ihrer Stelle findet unter dem Titel Leipzig liest extra ein großes Veranstaltungsprogramm mit Lesungen und Diskussionen statt, die im wesentlichen digital stattfinden. Auch die taz macht mit.
Die Preisverleihung fand in einer digital-analogen Mischform statt, anders als im vergangenen Jahr, als sie komplett als Radiosendung über die Bühne ging. Lutz Seiler gewann 2020 den Leipzger Buchpreis in der Kategorie Bellestristik, zufälligerweise mit einem Radiogerät auf dem Cover.
In diesem Jahr ging man allerdings wieder auf ein auch visuell übertragbares Format zurück. Die Veranstaltung fand in der Kongresshalle am Leipziger Zoo statt, die Jury des Preises war vor Ort sein, die Kandidat*innen wurden elektronisch zugeschaltet.
Alle fünf Romane, die in der Kategorie Belletristik auf der Shortlist des Preises standen, wurden ausführlich in der taz besprochen, die allermeisten von ihnen auch positiv. Dennoch kam es im Vorfeld des Preises zu Irritationen: Die Liste erschien als zu sehr abgetrennt von den literarischen Debatten, die in diesem Frühjahr in und mit den vielbeachteten Romanen geführt wurden. Was allerdings nichts daran ändert, dass das allesamt mindestens interessante Bücher sind.
Echos Kammer – Iris Hanikas
Iris Hanikas Roman “Echos Kammern“ besprachen wir bereits vor einem Jahr, als es erschienen war. „Es ist ein kluges Buch einer Autorin, die man stets aus einer Art Hassliebe liest, auch weil sie aller Psychoanalyse zum Trotz immer noch so voller blindspots, blinder Flecken, zu sein scheint“, schreibt René Hamann.
Daheim – Judith Hermann
Judith Hermann Roman „Daheim“ wurde in allen deutschen Feuilletons eingehend bejubelt, in der taz auch. „Das Buch ist ein Familienroman, der mit vielen Vorstellungen von Familie aufräumt; es handelt sich aber auch um die Suche nach einer neuen Heimat, die eine Figur an den Rand des Landes und an die Grenze ihrer unsicheren Identität führt. Hermann bleibt ihren Themen durchaus treu, schreibt sie doch erneut über das verstörende Wechselspiel von Nähe und Distanz“, meint Carsten Otte.
Eurotrash – Christian Kracht
Christian Kracht hat mit „Eurotrash“ auch beinahe alle Literaturkritik zu wahren Hymnen hinreißen lassen, die Besprechung in der taz des Romans, in dem Kracht auch von Nazi-Verstrickungen innerhalb der Familie und nicht ernst genommenen Übergriffen erzählt, war etwas ambivalenter: „Eurotrash“ ist der Versuch, das Ausbrechen aus dem Kreis des Missbrauchs erzählerisch wahrzumachen. Christian Kracht geht darin erstaunlich weit, testet dabei seine erzählerischen Grenzen aus. Und stößt letztendlich an sie.“
da ich morgens und mossgrün. Ans Fenster trete – Friederike Mayröcker
Friederike Mayröcker ist mit 96 Jahren die älteste Kandidatin. Über die Wienerin, seit langem ein fester Bezugspunkt innerhalb der deutschsprachigen Lyrikszene, schrieb Klaus Kastberger unter dem schönen Titel “Disziplin und Ekstase“ in der taz: „Wie kann in einem Text so viel Leben sein? Wie schafft es die Autorin, aus der äußeren Ereignislosigkeit eines Lebens so viel zu machen? Die Stofflosigkeit des Schreibens wird in diesem Buch zur eigentlichen poetischen Sensation.“ So sein Fazit zum aktuellen Buch „da ich morgens und mossgrün. Ans Fenster trete“.
Aufstehen – Helga Schubert
Helga Schubert schließlich ist die letzte Kandidatin auf der in diesem Jahr sehr weiblichen Shortlist. Im vergangenen Sommer war die Autorin mit langer und komplizierter DDR-Vergangenheit die Sensation beim Bachmannpreis in Klagenfurt. Ihr aktueller Band „Aufstehen“ wurde dann auch von der Literaturkritik und im übrigen auch schon vom Lesepublikum sehr gern aufgenommen. Auch von der taz. „Wirklich klarzumachen, wie es damals war und wie man sich damals gefühlt hat, ist Helga Schubert heute wichtiger als die reine poetische Lehre. Wut, Enttäuschung, Angst, Liebe, Ehe, Eltern- und Tochterschaft, Geborgenheit, Träume, Sehnsüchte, Genervtheit und Verliebtheit von Menschen unter lange nicht mehr vorstellbaren Lebensverhältnissen werden sinnfällig. Die Innenansicht eines untergegangenen Staats entsteht“, schrieb Stephan Wackwitz.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator