Leiharbeit und Werkverträge: Gleicher Lohn nach 9 Monaten
Die Koalition hat sich auf einen Gesetzentwurf zum Kampf gegen den Missbrauch befristeter Beschäftigter geeinigt. Was steht drin?
BERLIN taz Union und SPD haben sich nach monatelangem Streit auf einen Gesetzentwurf gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen geeinigt. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sprach von einem „Durchbruch“ und „klaren Regeln für Arbeitgeber und Arbeitnehmer“.
Das Problem
Betriebe können mittels dauerhafter Leiharbeit und Missbrauch von Werkverträgen die Löhne senken. Außerdem kritisieren Gewerkschaften wie der DGB schon länger, dass ArbeitgeberInnen so die Schutz- und Mitbestimmungsrechte von regulär Beschäftigten umgehen. Nach amtlichen Zahlen gibt es rund eine Million LeiharbeiterInnen in Deutschland. Außerdem nimmt der Missbrauch von Werkverträgen zu: Laut einer Betriebsratsbefragung der IG Metall nutzen 69 Prozent der Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie Werkverträge. Empirische Untersuchungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergaben zudem, dass dieser Trend auch in anderen Branchen zunimmt. Ursprünglich sind Werkverträge vorgesehen, damit Betriebe externe Arbeitsleistung wie etwa ein Handwerk oder eine IT-Dienstleistung einkaufen können. Gewerkschaften kritisieren, dass Werkvertrag-ArbeitnehmerInnen immer häufiger Arbeitsbereiche der Stammbelegschaft übernehmen.
Die Übereinkunft in einzelnen Punkten:
Equal Pay
Zeitarbeiter sollen dem Gesetzentwurf zufolge grundsätzlich nach neun Monaten Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft bekommen. Ausnahme: Steigert der Betrieb die Bezahlung von Leiharbeitern schon früher, etwa aufgrund von tariflichen Bonusvereinbarungen, muss der Lohn erst nach 15 Monaten das Niveau des Stammpersonals erreichen.
Bedingung hierfür ist jedoch, dass die erste Erhöhung mindestens sechs Wochen nach Beschäftigungsbeginn stattfindet. So sollen Leiharbeitnehmer „mit kürzerer Verweildauer“ profitieren. Linke-Parteichef Bernd Riexinger kritisierte: „Der Entwurf ist kein Durchbruch, sondern Wortbruch. Über die Hälfte der Leiharbeiter arbeiten nur drei Monate. Das ist nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit.“
Höchstgrenze für Einsatzzeit
Künftig sollen ArbeitgeberInnen Arbeitskräfte nicht länger als 18 Monate ausleihen dürfen. Anschließend müsste der Betrieb die ZeitarbeiterInnen übernehmen oder entlassen. Aber auch hier gibt es eine Ausnahme: ArbeitgeberInnen und Gewerkschaften sollen sich auf eine längere Leihdauer einigen können, wenn sie gleichzeitig den branchenüblichen Tarifvertrag einhalten. Die Höchstgrenze ginge in diesem Fall aus dem Tarifvertrag hervor.
Fristregelung
Die Regelung soll nicht rückwirkend gelten. Ursprünglich hatte dies der Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums vorgesehen. Vor allem die CSU hatte dagegen protestiert. LeiharbeiterInnen steht also erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes „Equal Pay“ zu – unabhängig davon, ob sie zuvor schon länger im Betrieb gearbeitet hatten.
StreikbrecherInnen
Betriebe sollen LeiharbeitInnen in Zukunft nicht mehr als StreikbrecherInnen einsetzen dürfen. Laut Gesetzentwurf dürfen Zeitarbeiter während eines Arbeitskampfs nicht die normalen Tätigkeiten der Belegschaft übernehmen.
Werkverträge
Das Gesetz soll anhand von Urteilen des Bundesarbeitsgerichts klare Kriterien zur Abgrenzung eines normalen Arbeitsverhältnisses von einem Werkvertrag festschreiben. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, die „Vorratsverleiherlaubnis“ abzuschaffen. Die ermöglicht es den Betrieben bislang, Werkvertragsnehmer im Nachhinein als Leiharbeiter zu deklarieren. Laut Regierung haben sich viele Probleme der Leiharbeit auf den Bereich von Werkverträgen verlagert. Gewerkschaften kritisieren schon länger, dass Soloselbstständige faktisch abhängig beschäftigt werden.
Betriebsräte
Der Arbeitgeber muss künftig die Betriebsräte über Werkverträge informieren. Damit sollen sie vom Unternehmen Angaben über Art und Umfang der vergebenen Aufgaben sowie Ausgestaltung der Werkverträge verlangen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich