Lehrmaterial zum Israel-Palästina-Konflikt: Nahostkonflikt ins Klassenzimmer
"Wie weigern uns, Feinde zu sein" ist ein Film über die Reise junger Deutscher nach Nahost. Er soll Kindern den Konflikt in Israel und Palästina erklären.
Ali Abuawwad wuchs mit einem "natürlichen Hass" auf Israelis auf. Das ist normal, findet er. Der Palästinenser begleitet eine Gruppe Jugendlicher aus Deutschland durch das Krisengebiet Israel und Palästina. Begegnungen mit Menschen auf beiden Seiten sollen ihnen den Nahostkonflikt verständlich machen. Mit dabei: ein Filmteam, das diese Begegnungen dokumentiert. Der Dokumentarfilm "Wir weigern uns Feinde zu sein" entsteht.
Abuawwads Vater wurde 1948 aus seinem Heimatdorf vertrieben, sein Bruder wurde von israelischen Soldaten ermordet. Erst sehr viel später hat er Israelis persönlich kennen gelernt, erzählt er. "Damals sah ich auch zum ersten Mal Israelis weinen. Das hat mich tief berührt." Heute begleitet Abuawwad die Jugendlichen gemeinsam mit seiner israelischen Kollegin Lotty Camerman.
Camerman wuchs auf der anderen Seite auf, jenseits der heutigen Mauer, die Israel und die besetzten Gebiete trennt. Ihre Eltern, die den Holocaust überlebten, wanderten aus Rumänien in den jüdischen Staat ein, erzählt sie den Reisenden. Nach einem Studium in Deutschland kehrte sie nach Israel zurück. Mitte zwanzig war sie damals. Palästina habe in ihrem Leben keine große Rolle gespielt.
Erst 2000, als der zweite palästinensische Aufstand ausbrach, habe sie sich gefragt: "Was ist denn da los?" Alles war doch "so schön hier, so ruhig". Die "Intifada" der Palästinenser hatte ihr die Augen geöffnet. Mittlerweile arbeiten Camerman und Abuawwad zusammen in einer Organisation und engagieren sich für ein friedliches Miteinander von Israelis und Palästinensern.
Umfangreiches Medienpaket
Der Dokumentarfilm über die Begegnungsreise steht im Mittelpunkt eines umfangreichen Medienpaketes, das die Filmemacher Stefanie Landgraf und Johannes Gulde für die Bildungsarbeit herausgegeben haben. Schulen, Jugendzentren und andere Einrichtungen können es seit heute erwerben.
Die Geschichten beider Seiten wurden festgehalten in dem Schulbuch "Das Historische Narrativ des Anderen kennen lernen". Die TeilnehmerInnen der Begegnungsreise hatten es im Gepäck und diskutierten es intensiv, bevor sie sich auf den Weg nach Israel und Palästina machten.
Das Besondere an dem Buch: Die linke Buchseite gibt das israelische Narrativ wider, auf der rechten Seite findet sich die palästinensische Perspektive. Was links als "Unabhängigkeitskrieg" bezeichnet wird, ist rechts "die Katastrophe von 1948, die das palästinensische Volk seiner Wurzeln und seiner Heimat beraubte". Die Fakten stimmen überein, die Interpretation könnte unterschiedlicher kaum sein.
Zusammenarbeit trotz Differenzen
Im Gegensatz zu dem Buch lässt der Film die verschiedenen Perspektiven nicht einfach nebeneinander stehen. Die Jugendlichen begegnen Menschen, die bewusst versuchen, die Perspektive der anderen Seite mitzudenken.
Zu ihnen gehört die israelische Familie Shahak, Friedensaktivisten und Freunde Abuawwads. 1996 tötete ein palästinensischer Selbstmordattentäter eine Tochter der Familie. Der Film zeigt Originalaufnahmen des Anschlags. Seine Tochter Bat-Chen habe er damals im Leichenschauhaus identifizieren müssen, erzählt der Vater. Trotzdem engagieren sich die Eltern und die Schwester für den Frieden.
Mit Ali Abuawwad arbeiten sie eng zusammen. "Wir sind in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung", erklärt Abuawwad den Jugendlichen nach dem Besuch. "Aber das Schöne ist doch, dass Israelis und Palästinenser trotz aller Differenzen zusammenarbeiten können."
"Das historische Narrativ des Anderen kennen lernen". www.berghof-conflictresearch.org
"Wir weigern uns Feinde zu sein. Den Nahost-Konflikt verstehen lernen". 69 Euro, www.filmsortiment.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund