: Lehre verstanden
80er-Pop, Anzüge und das Drama des Heranwachsens: „Zoot Woman“ im Logo ■ Von Thorsten Bathe
Geburtstage sind so eine Sache. Manche verschweigen sie einfach, andere genießen ausgelassene Festtagsstimmung. Das britische Dance-Label Wall of Sound mag beides ein bisschen: Nicht jedes Jahr feiern, das Fünfjährige dafür aber um so mehr. Und hatte 1999 einen guten Einfall: Anstatt auf Geschenke zu warten, machte man sich und allen Freunden lieber selber eins. Dreizehn verschiedene Bands und Künstler wurden gebeten, zur Anniversary-Compilation Bustin' Loose ein paar Glückwünsche beizusteuern. Und mitten im seinerzeitigen Big-Beat-Getöse, zwischen Themrocs kantigem „Fuzzy Logic“ und dem Tanzflächenlacher „Ooh La La“ von The Wiseguys ist es dann passiert: Liebe auf den ersten Hör. Zoot Woman.
„I've got a feeling, it's automatic“, sang da jemand zu atmosphärischen Synthie-Sounds. Immer und immer wieder, bevor er noch ein „It's a physical feeling, I'm gonna change this city“ hinzufügte. Wie Recht er damit hatte. Erregung und Erinnerung machten sich breit. Das jugendliche Unglücklichsein und Wegwollen, die Freude und Erleichterung beim Aufbruch in das so genannt wahre Leben und das Gefühl von Unbesiegbarkeit währenddessen. Älterwerden im Schnelldurchlauf. Die ganze Dramatik des Heranwachsens eingedampft auf drei Minuten bezaubernder Musik, deren Klarheit überwältigend war. Einmal gehört, nicht mehr vergessen.
Allerdings: dieser Song warf auch Fragen auf. Fragen, die vor zwei Jahren niemand beantworten konnte. Trotz aller Nachforschungen war erstmal Sendepause. Bis schließlich doch noch Licht ins Informations-Dunkel drang, als der Name Stuart Price fiel. Der hatte als Jacques Lu Cont aka Les Rythmes Digitales mit einem rasanten Mix aus Techno, House, Elektrofunk und Plastikpop bereits zwei Alben auf Wall of Sound veröffentlicht und damit für Furore gesorgt. Nach diesem ersten Hinweis folgten weitere. Titelgeschichten in The Face und Spex beantworteten die alten Fragen. Zoot Woman existieren bereits seit sechs Jahren, gegründet vom damals 17-jährigen Stuart und dem nur unwesentlich älteren Adam Blake. Sänger Johnny, Adams jüngerer Bruder, war zu der Zeit – man höre und staune – noch im Stimmbruch, womit sich Stuarts zwischenzeitliche Soloambitionen erklären.
Jetzt haben die drei nur ein gemeinsames Ziel: POP, in Großbuchstaben. Sie verbieten sich jegliches, an Rock erinnernde Gehabe. Stattdessen künden sie von Style und Fashion und klingen nach Hall & Oates, Duran Duran und Human League. So weit, so bekannt. Die 80er Jahre eben. Unverblümt und kompromisslos. Außer Retro nichts gewesen? Von wegen.
Zoot Woman meinen das ernst. Absolut. Und das dürfen sie auch, ohne rot werden zu müssen. Vor fünfzehn Jahren waren sie viel zu jung, um den Klang jener Ära bewusst mitzubekommen. Ihr großes Plus. Denn wer keine Chance hatte, die Vorbilder gebührend zu feiern, erstarrt auch nicht in ehrfürchtiger Nostalgie, wenn es ums Modernisieren geht. Also: Referenzen ja, aber auf gar keinen Fall simple Kopie. Zoot Woman klingen dafür zu sehr nach hier und heute. Von der cleveren Inszenierung und ihrem Distinktionsbedürfnis ganz zu schweigen. Die Sounds von vorgestern dienen zur – kritischen – Auseinandersetzung mit der Welt der Hochglanzmagazine, die ganze Lebensentwürfe diktiert. Nicht umsonst trägt das Debüt-Album den progammatischen Titel „Living in a Magazine“.
Bei dem mit Spannung erwarteten Konzert in Köln wurde dieser Tage noch etwas anderes deutlich. Zoot Woman haben eine Lehre der 80er trotz der eigenen Jugend wirklich verstanden: Eine gute Band braucht nicht nur mitreißende Songs, sondern auch ein attraktives Styling. Enge, silbrig schimmernde Anzüge sind erste Wahl, alternativ mit blauer Krawatte oder Glitzerweste getragen. Ein wenig Rouge auf den Wangen hilft die Schüchternheit zu überwinden und verleiht dem Auftritt das vielzitierte Maß an Glamour, das Zoot Woman im zuweilen farblosen Pop-Einerlei so besonders macht. Natürlich neben den, das sei hier nochmals ausdrücklich erwähnt, mitreißenden Songs. Fast alle sind darüber glücklich, Jungen und Mädchen. Ein Moment kollektiver Ekstase. Wer diese Musik in sich hat, trägt das Wunder in sich.
mit The Ark: heute, 21 Uhr, Logo
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