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Lehramtsstudium in NRWFünf Jahre umsonst studiert

NRW will Tausende Lehramtsstudierende ins dritte Semester zurückstufen oder exmatrikulieren. Grund ist die Bachelor/Master-Umstellung.

Sind hoffentlich nicht umsonst da: Studierende in Münster. Bild: imago/Rüdiger Wölk

KÖLN taz | Seit fünf Jahren studiert Sebastian Spicker Mathe und Physik auf Lehramt an der Kölner Uni. Der 26-Jährige will einmal Gymnasiallehrer werden. Doch nun kann es sein, dass er ins dritte Semester zum Bachelor zurückgeworfen wird, wenn er nicht bis zum übernächsten Jahr das Examen schafft. Wird er nicht fertig oder will er nicht zurückgestuft werden, wird Spicker zwangsexmatrikuliert.

So könnte es weiteren 13.000 Studierenden in Nordrhein-Westfalen gehen. Verantwortlich dafür ist die Umstellung des Hochschulgesetzes in NRW von 2011. Die Umstellung der Lehramtsstudiengänge wurde 2009 unter der damals schwarz-gelben Regierung auf Bachelor/Master beschlossen, die Studiengänge auf Staatsexamen sollen auslaufen. Wer bis 2016 beziehungsweise 2017 nicht mit seinem Examen fertig wird, soll entweder zwangsexmatrikuliert werden oder wird in Bachelor und Master hineingepresst.

Das Problem: Zahlreiche Leistungen, die die Studierenden bis dahin erwerben konnten, werden in den neuen Studiengängen nicht anerkannt. Eine Härtefallregelung, die die bisherige Frist verlängern könnte, gibt es bisher ebenfalls nicht. So können Studierende, die sich in ihrem Studium hochschulpolitisch engagiert haben, Kinder bekamen oder bei denen ein Verwandter gestorben ist, auf keine weitere Verlängerung ihrer Studienzeit hoffen.

Offener Brief gegen Fristen

Gegen diese Regelung regt sich jedoch Widerstand. Eine Initiative des Studierendenzusammenschlusses fzs und verschiedener Fachschaften hat im April einen offenen Brief an das Schulministerium geschrieben und eine Unterschriftenaktion gestartet. Sie wollen erreichen, dass die Fristen zur Beendigung der Studiengänge gänzlich abgeschafft werden. „Durch die Fristen wird nahegelegt, das Studium auf das Absolvieren von Prüfungen zu reduzieren“, so das Bündnis.

Auch der Landesvorsitzende der Grünen, Sven Lehmann, sprach sich gegenüber der taz gegen eine starre Fristenregelung aus. „Angst vor Zwangsexmatrikulation und Zeitdruck sind sicher nicht förderlich beim Weg ins Examen.“ Die Fristen müssten so verlängert werden, dass Lehramtsanwärter ihr Studium auch beenden können.

Das Bildungsministerium kündigt nun an, das Gesetz zu überarbeiten. Man stimme zurzeit über eine Änderung ab: Die Fristen gänzlich abzuschaffen sei nicht möglich, doch die überarbeitete Regelung enthalte eine Härtefallregelung, heißt es aus dem Ministerium.

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14 Kommentare

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  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Umsonst studieren?

     

    Der Hausarzt klingelt beim Todkranken. Die Ehefrau öffnet und schluchzt:"Herr Doktor...-Sie sind umsonst gekommen!" Darauf der Doc: "Nicht umsonst, vergebens..."

     

    Vergebens studieren: G. Westerwelle, 22 Semester...

  • Bummelstudenten ein bissel Feuer unterm Hintern machen: Kann eigentlich nicht schaden.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Sicher kann das schaden, denn "Bummelstudenten" sind empirisch oft Leute, denen schlicht das Geld fehlt, um flott durchzustudieren.

      • @BigRed:

        Dies ist ein soziales Feigenblatt, das über andere Mißstände, die wir alle kennen, hinwegtäuschen soll.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Junger Mann - da wissen Se mehr wie ich -

          O'l Conny.

  • Selbstvertständlich wäre es möglich, die Fristen ganz abzuschaffen.

     

    Hinzu kommt, ds durch den Wegfall eines Jahrws beim Abitur und aucch sonstigen FRündenm tausende von Lehrerstellen gestrichen werden.

     

    Sowas von SPD/GRÜNE - gerne auch osatentativ gegen die eigenen einschlägigeb Verbände., verhöhende Demütigung kommt wohl extreem gut in den postdemokratrischen Rehgierungskreisen.

     

    ES reiniogt die wahren Parteimacht von linken Kritikern durch Rausekeln, wassdire GRÜNEN bids zu ÜÜberpergektion vob dd sPD kopiert haben.

  • Der studiert seit 10 Semestern... 8 Semester sind normalerweise angesetzt. Nun sagen die Hochschulen, bis in zwei Jahren fertig werden... also komplett dann 14 Semester, 6 mehr als vorgesehen.

     

    Selbst wenn man Kinder bekommen hat, krank war oder seine Oma pflegen musste, sollte es nicht soooo lange dauern. Stellt sich die Frage, ob das "ewige Studenten" sind, die nebenher voll arbeiten und nur des Semestertickets wegen an der Uni sind.

     

    Hinten dran kommen ja noch mal zwei Jahre fürs Referendariat.

     

    Die Unis sollten eine bessere Anerkennungspraxis schaffen, dann gäbe es diese Probleme nicht. Oder sind die Studiengänge inhaltlich wirklich so unterschiedlich? Wenn ja, obwohl sie auf's gleiche Ziel hinauslaufen (Lehramt GY), könnte man mal fragen, warum das so ist.

     

    @MARIUS Nein, woanders gibt es auch Fristen.

     

    Warum Fristen? Damit man nicht irgendwann für drei Studenten einen ganzen Studiengang am Laufen halten muss, inkl. Mittelbau, Seminare/Prüfungen für drei Leute etc., weil alle anderen längst fertig sind.

    • @Cededa Trpimirović:

      """

      Stellt sich die Frage, ob das "ewige Studenten" sind, die nebenher voll arbeiten und nur des Semestertickets wegen an der Uni sind.

      """

       

      Würde es nur um das Semesterticket gehen, dann wäre eine Rückstufung in das 3. Semester ein Hauptgewinn.

      Erst nachdenken und dann....

    • @Cededa Trpimirović:

      " Stellt sich die Frage, ob das "ewige Studenten" sind, die nebenher voll arbeiten und nur des Semestertickets wegen an der Uni sind."

       

      Ihh, Studenten, die arbeiten. Und dann auch noch welche, die Lehrer werden wollen. Das geht doch gar nicht. Arbeiten und Lehrer!!! Das muss sofort verboten werden.

    • @Cededa Trpimirović:

      Nun gut, es mag in jedem Land, an jeder Uni anders geregelt sein. An der Uni Leipzig gibt es seit 2006 B.A. und M.A., aber natürlich gibt es auch noch Magisterstudenten, die aus verschiedensten Gründen ihr Studium noch nicht abschließen konnten, und das sind nicht mal Bummelstudenten. Egal. Aber für drei Magisterstudenten braucht man keine Infrastruktur. Seminare können wie gehabt besucht werden, halt nur anders verbucht. Eine Prüfung kann geschrieben werden, wenn andere schreiben. Und ne mündliche Prüfung kann sowieso irgendwo zwischen geschoben werden. Alles kein großer Aufwand.

       

      Die Frage der Anerkennung ist allerdings sehr interessant. Vielleicht liegt es auch daran, dass alte Lehrämter noch keinen Abschluss haben und daher in den Bachelor eingeordnet (Master erfordert Abschluss). Nur das dritte Semester scheint arg ungünstig.

    • @Cededa Trpimirović:

      sehr arrogant:

       

      "Selbst wenn man Kinder bekommen hat, krank war oder seine Oma pflegen musste, sollte es nicht soooo lange dauern. "

       

      Genau. Man wird schnell wieder gesund, die Oma stirbt bald, die Kinder versorgen sich selbst, arbeiten muss man nicht und Geld bringt man von Haus aus mit. Alle anderen gehören nicht an die Uni.

    • @Cededa Trpimirović:

      "Selbst wenn man Kinder bekommen hat, krank war oder seine Oma pflegen musste, sollte es nicht soooo lange dauern."

       

      Doch, es kann ganz schnell "soooo" lange dauern. Mein Beispiel: Erst in Gremien engagiert, dann ein Semester schwer erkrankt, dann zwei Jahre chronisch Krank, dann Vater schwer erkrankt, dann Kind bekommen.

      Schwupps waren 14 Semester voll und es hätten leicht mehr werden können.

      Lebensläufe verlaufen nicht immer linear und ich finde es zum kotzen! gleich unter Generalverdacht zu geraten... Davon gibt es mehr als du denkst.

       

      Ja ich stimme dir zu. Mit einer verbesserten Anerkennunspraxis würden sich viele der Probleme lösen.

  • Warum ist es nicht möglich die Fristen abzuschaffen? Woanders können Studierende der alten Studiengänge auch ihr Studium in Ruhe zu Ende bringen.

    Naja, aber wenn man etwas nicht will, sagt man eben, dass es nicht anders geht und schon erscheint es ganz natürlich.

    • @Marius:

      Ich stimme da vollkommen zu. Ich muss sagen es ekelt mich an, wie viele Politiker ihre Verantwortung einfach abschieben und auf Sachzwänge oder Alternativlosigkeiten hinweisen...