Legendärer Mafia-Boss Setola gefasst: "Ihr habt gewonnen"

Mehrmals foppte er die italienische Polizei, nun ist er ihr doch ins Netz gegangen: Giuseppe Setola, Chef eines blutrünstigen Camorra-Clans in Neapel.

Die Polizei mit einer filmreifen Nummer genarrt: Giuseppe Setola. Bild: dpa

So schnell gibt einer wie Giuseppe Setola nicht auf. Als die Carabinieri vor der Tür standen, am Mittwochnachmittag, kletterte er flugs aufs Dach, nachdem er in aller Eile 50.000 Euro, zwei Pistolen und eine Pump-Gun in eine Tasche gestopft hatte. Doch zu den Waffen griff er dann nicht mehr; ein Blick hinunter genügte ihm, um zu begreifen, dass jeder Fluchtweg abgeschnitten war. "Ihr habt gewonnen", sagte der 38-jährige Setola lakonisch, als dann die Handschellen klickten.

Es ist fürwahr ein Sieg des italienischen Staates: Mit Setola ist endlich der blutrünstigste Boss und Killer des berüchtigten "Clan der Casalesi" ins Netz gegangen, der seit gut acht Monaten eine breite Blutspur durch die Provinz Caserta nördlich von Neapel gezogen hatte. Und der zuletzt, zwei Tage vor seiner Verhaftung, die Polizei mit einer filmreifen Nummer genarrt hatte. Schon am Montag hatte nämlich eigentlich seine Stunde geschlagen, als die Fahnder anrückten, um ihn in seinem Versteck im Städtchen Trentola Decenta bei Caserta festzunehmen. Doch Setola öffnete einfach einen Gullideckel, entschwand in die Kanalisation und watete eineinhalb Kilometer durch Schlamm und Scheiße, der Freiheit entgegen. In der Camorra-Hochburg Casal di Principe ließen seine Anhänger in einer Bar völlig ungeniert die Sektkorken knallen.

Zum Helden der Camorra war Setola schon im April 2008 aufgestiegen, als er die Justiz mit einem ebenso spektakulären Auftritt hereingelegt hatte. Der Mafioso saß in Haft, wegen Mordes zu "lebenslänglich" verurteilt - und ersann doch einen Weg hinaus. Setola setzte sich eine dunkel getönte Brille auf, nahm einen weißen Spazierstock in die Hand, behauptete, er sei schon fast erblindet, fand auch einen Arzt, der ihm eine schwere Augenkrankheit bescheinigte - und wurde zur Behandlung in eine Spezialklinik entlassen. Lange ließ er die Spezialisten nicht an seinen Augen herumdoktern: Nach wenigen Tagen marschierte er einfach aus der Klinik heraus. Und nahm seinen Dienst bei den "Casalesi" umgehend wieder auf.

Die "Casalesi": Die im Kleinstädtchen Casal di Principe beheimateten Bosse bilden den mächtigsten und finanzstärksten Clan der gesamten Camorra, der neapolitanischen Spielart der Mafia. Schutzgelderpressung, Drogenhandel, aber auch breit gestreute unternehmerische Aktivitäten in der - legalen wie illegalen - Müllbeseitigung, in der Bekleidungsindustrie oder in Supermärkten machten die Casalesi schwerreich. Die unterschieden sich von anderen Mafia-Organisationen, indem sie eine "Low Profile"-Politik verfolgten und zum Beispiel Anschläge auf Angehörige der Staatsmacht sorgsam vermieden. Jahrelang ging das gut: Außer ein paar Lokaljournalisten interessierte sich in Italien niemand für die Geschäfte der Casalesi.

Doch dann kam Roberto Saviano, schrieb seine flammende Anklageschrift "Gomorrha" - und mit der Ruhe war es vorbei. Im letzten Jahr wurden die führenden Bosse, unter ihnen die beiden immer noch flüchtigen Antonio Iovine und Michele Zagaria, zu "lebenslänglich" verurteilt. Giuseppe Setola reagierte prompt. Mit Kokain vollgepumpt, machte er sich mit seiner Killertruppe immer wieder auf und erschoss in den vergangenen Monaten Unternehmer, die gegen die Camorra ausgesagt hatten, auch wenn deren Aussagen schon zehn Jahre zurücklagen, Familienangehörige von Kronzeugen, Geschäftsinhaber, die die Schutzgeldzahlung verweigerten. Weltweites Aufsehen erregte schließlich das Massaker vom 18. September: Da ermordeten Setola und seine Bande auf einen Schlag sechs Schwarzafrikaner in der Kleinstadt Castelvolturno. In den folgenden Tagen gingen Hunderte aufgebrachte Afrikaner auf die Straße, schickte schließlich die Regierung das Heer in die Provinz Caserta.

Derweil rätselte die Öffentlichkeit, ob da mit Setola ein neuer Boss sich den Weg auch gegen die "Alten", Iovine und Zagaria, freischießen wollte, ob da ein "durchgedrehter Splitter der Camorra" auf dem Rachefeldzug sei. Auch auf diese Frage lieferte die Verhaftung Setolas am Mittwoch die Antwort. Zusammen mit ihm griffen die Carabinieri Riccardo Iovine auf. Der Cousin und Vertraute Antonio Iovines hatte dem zwei Tage zuvor der Polizei knapp entkommenen Killer in seiner Wohnung Zuflucht gewährt - ein eindeutiges Zeichen, dass der seine Mordtaten im Auftrag der gesamten Organisation begangen hatte.

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