Legendärer Berliner Fußballklub: Ein Verein kämpft gegen sich selbst

Der Fußballfünftligist Tennis Borussia hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Doch auch nach dem Abgang von Vorstand Redlich ist die Zukunft offen.

Wie weiter, TeBe? Auch viele Spieler des linken Klubs fragen sich das Foto: Sebastian Wells

Opposition ist leichter als Regierung: Diese Binsenweisheit des politischen Lebens gilt nur allzu sehr auch bei Tennis Borussia Berlin. Kaum je hat ein Herrenfußball-Fünftligist so viel bundesweite Aufmerksamkeit bekommen wie TeBe im vergangenen Jahr. Grund war das Ringen mit und gegen Investor Jens Redlich.

Der autokratische Fitnessstudio-Besitzer, seit 2017 Vorstandsvorsitzender des Traditionsklubs, hat sich in seiner kurzen Amtszeit bis zum Sommer 2019 in Kleinkriegen und Unwahrheiten geübt und viele Trümmer zurückgelassen. Redlich verantwortete eine stetig wachsende Anzahl von Entlassungen, Diffamierungen und erzwungenen Rücktritten Andersdenkender, die Auflösung der Mädchenabteilung, eine laut aktuellem Präsidium chaotische Geschäftsstelle mit teuren Altlasten und eine heftige Polarisierung innerhalb des Vereins.

Überregional wurde er bekannt, als er Anfang 2019 mutmaßlich bulgarische Bauarbeiter und Fitnessstudio-Belegschaft als Neumitglieder anheuerte, um auf der Mitgliederversammlung ausreichend Stimmen für seine Kandidaten zu erhalten. Es war eine Art lokales Trump-Szenario, an dem vor allem die boulevardeske Qualität und das scheinbar simple Gut gegen Böse interessierten. Redlich-Geschichten verkauften sich gut, ebenso wie der öffentlichkeitswirksam geführte Kampf der Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia (TBAF) gegen den Investor.

Mit dem Caravan of Love boykottierten Mitglieder der aktiven Fanszene ihren Verein und besuchten stattdessen andere Klubs. Und mit einem juristischen Kniff eroberten die oppositionellen AnhängerInnen im Sommer tatsächlich den Verein zurück. Das Amtsgericht Charlottenburg hat im September Redlichs Versuche abgewiesen, wieder als Vorstand eingesetzt zu werden.

Die Realität ist komplizierter

Dies war der Zeitpunkt, an den jeder Film ein Happy End gesetzt hätte. Aber die Realität ist komplizierter, die Schäden wirken langwierig. Und schon wieder kämpft Tennis Borussia gegen sich selbst.

Die meisten Geschichten enden nicht einfach, bloß weil wir einen Artikel für die taz berlin darüber geschrieben haben. Deshalb fragen und haken wir bei ProtagonistInnen noch einmal nach: In unserer Serie „Was macht eigentlich …?“ rund um den Jahreswechsel 2019/20 erzählen wir einige Geschichten weiter. Alle bisherigen Serientexte sind online auf taz.de/berlin nachzulesen. (taz)

Anfang Dezember gelangte eine Mitteilung an Berliner Medien, verfasst vom Journalisten Erhard Ruppert, der sich als „Sprachrohr“ einer kritischen Gruppe innerhalb des Vereins bezeichnete. „Der ehemalige Bundesligist steht mehr denn je vor einer ungewissen Zukunft, in finanzieller und deshalb auch in sportlicher Hinsicht“, schrieb Ruppert. „Die sich aktuell in der Verantwortung befindlichen Personen können die mit den Vorgängern getroffenen finanziellen Absprachen zwischen den Spielern und dem Verein offenbar nicht einhalten.“ Außerdem wirft Ruppert der jetzigen Vereinsführung vor, sie habe ein Dutzend Sponsoren mit einem Wert von rund 200.000 Euro verprellt.

„Absoluter Bullshit“ nennt diesen Vorwurf der neue Vorsitzende Günter Brombosch gegenüber der taz. Man habe Jens Redlich als Hauptsponsor verloren, außerdem einige kleinere Unternehmen, bei denen gehe es jedoch um Beträge von höchstens 20.000 Euro. Die kritische Gruppe bestehe aus „maximal 20“ Redlich-Getreuen, „die bewusst versuchen, Unruhe reinzubringen. An der Basis haben sie jedoch keinen Rückhalt.“

Rolle Redlichs bleibt unklar

Selbst wenn das stimmen sollte: Verbliebene Anhänger hat Jens Redlich durchaus auch innerhalb der Mannschaft und in Form des Trainers, bestätigt sogar Brombosch. Welche Rolle dabei Redlich selbst spielt, bleibt unklar.

Ist es angesichts der aktuellen finanziellen Lage überhaupt sinnvoll, aufzusteigen?

Der gescheiterte Investor steht für das, was Spieler und Trainer, aber auch Teile der Fans häufig am meisten interessiert: vermeintlich schneller sportlicher Erfolg mit viel Geld. Das ist legitim. Eine Spielerkarriere ist kurz, und naturgemäß interessieren sich die meisten mehr für den eigenen Kontostand als für Vereinsdemokratie und Regenbogenfahne.

Offenbar gibt es Schwierigkeiten, alte Vereinbarungen zu erfüllen. „Im Augenblick hat sich die finanzielle Situation noch nicht wesentlich verbessert“, räumt Brombosch ein. Mit zehn Spielern mit gut dotierten Zusatzvereinbarungen verhandele man, mit vier Spielern habe man aber mittlerweile schon eine Einigung erzielt. „Bei den restlichen Spielern bleibt das Ergebnis der Gespräche abzuwarten.“

Eine Abwanderung ist nicht ausgeschlossen und könnte einen langwierigen Neuaufbau nötig machen. Die Aufräumarbeiten dauern an. „Wir haben uns ein knappes Jahr mit der Beseitigung der vorgefundenen Missstände beschäftigt“, so Brombosch. „Unterlagen aus dem Geschäftsbüro waren zu Beginn unserer Amtszeit vom ehemaligen Geschäftsführer entfernt worden, vieles war nicht dokumentiert, es gab keine Etatplanung, und wir mussten beträchtliche Beträge aus der Vergangenheit ausgleichen.“

Suche nach weiteren Sponsoren

Nun ist Tennis Borussia damit beschäftigt, den hinterlassenen Scherbenhaufen zu beseitigen. Derzeit sei man auf der Suche nach weiteren Sponsoren, möglichst breit gefächert, um den Einfluss Einzelner zu beschränken. Im Oktober wurde auf der Mitgliederversammlung beschlossen, zu prüfen, ob nächste Saison wieder eine Mädchenmannschaft etabliert werden kann. Ein Frauenteam, der logische nächste Schritt, bleibt eine Frage der Weiterentwicklung.

Weiterhin hat TeBe das Ziel ausgerufen, in die Regionalliga aufzusteigen. Derzeit ist der Klub Tabellenführer. Aber ist es angesichts der aktuellen finanziellen Lage überhaupt sinnvoll, aufzusteigen? Wird damit auf Druck von der Basis reagiert, der schon zu Redlich-Zeiten immer wieder der Aufstieg versprochen wurde?

Der Vorsitzende verneint das: „Wir spüren keinen Druck. Die Szene würde sich garantiert über einen Aufstieg in die Regionalliga freuen. Aber wenn es nicht klappen sollte, würden wir ihre Unterstützung auch nicht verlieren.“ Ein möglicher Gang in die Vierte Liga müsse aber auf solidem sportlichem und wirtschaftlichem Fundament stehen. „Wir werden daher einen Aufstieg dann wahrnehmen, wenn der sportliche und finanzielle Rahmen mit Sicherheit erfüllt werden kann. Das wird schwierig, aber dafür haben wir noch ein halbes Jahr Zeit.“

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