Leerstand in der Stadt: Kommandobrücke für Kreative
Seit vier Jahren sucht und findet die „Zwischenzeitzentrale“ Räume für kreative Projekte – mittlerweile als „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“.
BREMEN taz | Daniel Schnier fährt mit dem Finger über die gelben und roten Flächen auf einer Karte des Überseequartiers. „Die haben wir gerade von der Wirtschaftsförderung abgestaubt“, sagt er. Die Farbflächen unterscheiden Gewerbenutzung, Misch- und Wohngebiete, „sehr günstige Mieten“, sagt Schnier. Sein Kollegen Oliver Hasemann schmunzelt. Die beiden Diplom-Architekten sind von der ZZZ, der Zwischenzeitzentrale, die leerstehende Gebäude an Künstler und Kreative vermittelt. Stadtentwicklung ist ihr Geschäft, seit 2012 in alleinigem, offiziellem Auftrag Bremens.
Schnier, schwarzer Kapuzenpullover, schwarze Cargo-Hose, steht am Boots-Anleger direkt vor dem jungen Hochhaus „Wesertower“. Vor ihm lauscht eine Gruppe von jungen Frauen und Männern, allesamt förmlicher gekleidet als er: eine Berufsschulklasse ist mit ihm und Hasemann auf „urbanem Stadtspaziergang“. Die Beiden erklären die Entwicklung des Hafenquartiers, vom Industrie-Standort zum Vorzeige-Projekt. Ihre ironischen Kommentare rauschen an der Klasse vorbei.
„Der Stadt fehlt das Geld für eine Gestaltungsfreiheit von leerstehenden Gebäuden oder Brachen“, sagt Hasemann. Das ist die Marktlücke der ZZZ: Sie drückt die Knöpfe in der Kommandobrücke für KämpferInnen im Projekte-Dschungel. Bis zum Verkauf oder Abriss vermittelt sie die Räume.
Anfang März ist die ZZZ dafür als „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ geehrt worden. Für Schnier und Hasemann gab’s eine Tafel und eine Urkunde mit Signatur des Bundespräsidenten. Die Urkunde ist bereits irgendwo verschollen. Zur Ehrung hat die ZZZ in ihr aktuelles Galerie-Projekt „Pixel und Pigment“ geladen und den Regionalchef der Deutschen Bank, die den Zirkus sponsert, nach Osterholz-Tenever gezwungen. Schnier erzählt stolz von seiner verrückten Rede. „Gefühlt ist es nicht so ein riesiger Spagat“, sagt Hasemann. Die ZZZ sei immer noch frei in dem, was sie machen will.
2010, am Mittwoch vor genau vier Jahren, ging die ZZZ mit vier Leuten an den Start. Allesamt entstammten sie der städtischen Ursuppe aus KünstlerInnen, Kreativen, Arbeitslosen und Musikern – diesem Kreis aus Projektentwicklern ohne Nadelstreifen. Einer der ersten Erfolge war das alte Sportamt neben dem Weser-Stadion. Bis heute finden dort Theater- und Filmabende, Lesungen und Partys statt – selbst organisiert und unkommerziell. Es folgten viele weitere: 2012 etwa in der verwaisten Baumwollkämmerei in Blumenthal, in der 90 KünstlerInnen einen Sommermonat lang unter dem Namen „Palast der Produktion“ ihre Ateliers einrichteten. 2012 entschieden Bau- und Wirtschaftsdeputation, der ZZZ bis 2016 eine halbe Million Euro für Projektgelder und 1,5 Stellen zuzugestehen.
„Wir sind inzwischen etwas effizienter geworden als am Anfang“, sagt Hasemann, „professioneller“. Es gehe mehr um Vermittlung der leerstehenden Gebäude als darum, die Ideengeber an die Hand zu nehmen – Vermittlung auch zwischen Kreativität und Verwaltungsvorschriften. „Bei bestimmten Dingen ahnen wir mittlerweile, wo die Haken sein könnten“, sagt Hasemann: „Stress mit Nachbarn, Bauordnung, Nutzungsgenehmigungen“. Es gebe einen guten Draht in die Verwaltung, die Stadt zeige den Willen zu erproben, was möglich ist. Das klappte bislang bei über 30 Projekten – aktuell mit einem Laptop-Café im Lloydhof oder Hochbeeten auf dem Lucie-Flechtmann-Platz.
„Was in jeder Hafencity spannend ist, hat man in Bremen zugekippt“, erklärt Hasemann den Berufsschülern am Weserrand. Zu wenig Wasserflächen seien übrig. Schnier findet neue Namen für die Parks und Entwicklungsflächen in der Stadt – „Teletubbiland“ oder „120-Millionen-Disneyland“ für das Gebiet um den Wesertower.
Die Abhängigkeit von Investoren habe überall Folgen: Auch im neuen Hulsbergviertel, das unter maximaler Bürgerbeteiligung entstehen soll, bleibt man darauf angewiesen, dass das Geld fließt. Auch dort wollen Schnier und Hasemann mitmischen. Sie haben eine Idee für ein Flüchtlingswohnheim. Vorbild ist ein Pilotprojekt in Augsburg: Studenten könnten umsonst wohnen und ihren Nachbarn dafür bei Behördengängen und mit Sprachkursen helfen. Noch ist nichts ausformuliert. „So ein Modell hat Potenzial“, heißt’s aus dem Sozialressort.
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