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Lebenslauf-Optimierung mit TückenErasmus lohnt sich nicht immer

Eine neue Studie zeigt: Für die Karriere sind Auslandssemester längst nicht so entscheidend wie oft gedacht.

Und tschüss! Wer im Ausland studiert, sammelt zwar Erfahrungen - aber nicht unbedingt Vorteile für den Job. Bild: ap

BERLIN taz | Für viele Studierende ist es ein fester Bestandteil der Lebenslauf-Optimierung: das Auslandssemester. 69 Prozent der Auslandsstudierenden erhoffen sich davon auch bessere berufliche Chancen. Das ergab eine Befragung des Hochschulforschungsinstituts HIS aus Hannover. Eine neue Studie aus demselben Haus rüttelt allerdings kräftig an dieser Erwartung: Für den Job bringen Auslandssemester weniger als oft gedacht.

Der Forscher Nicolai Netz wertete dafür die Karrierewege von Hochschulabsolventen des Jahres 2005 aus. Dabei sind die Unterschiede zwischen denen mit und ohne Auslandserfahrung fünf Jahre nach dem Abschluss in der Regel eher gering. Das Arbeitslosigkeitsrisiko etwa ist für beide Gruppen gleich groß: Akademiker haben generell gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, unabhängig davon, ob sie während ihres Studiums im Ausland waren oder nicht.

Auch beim Geld verschafft ein Auslandssemester keinen nennenswerten Vorteil. Auf den ersten Blick haben Absolventen mit Auslandsaufenthalt zwar ein höheres Einkommen. Ein Uni-Absolvent, der einen Teil seines Studiums jenseits der Landesgrenzen verbracht hat, etwa mit dem Erasmus-Programm der EU, verdient fünf Jahre nach dem Abschluss im Schnitt 50.400 Euro brutto jährlich. Ein Kommilitone ohne Auslandserfahrung kommt nur auf 45.800 Euro.

Die Unterschiede verschwinden aber weitgehend, wenn man andere Faktoren berücksichtigt wie die Fachrichtung, das Geschlecht oder die Examensnote. Rechnet man all diese Einflüsse heraus, verringert sich das Plus auf dem Gehaltszettel durch ein Auslandssemester auf gerade 4 Prozent.

Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Absolventengruppen. Für diejenigen, die in den öffentlichen Dienst gehen, also etwa für Lehrer, ist das Auslandssemester für das Gehalt völlig irrelevant. Auch für diejenigen, die es in die Privatwirtschaft zieht, macht es nicht automatisch einen Unterschied – es sei denn, sie heuern bei einem international tätigen Unternehmen an. Dann bringt ein Auslandsaufenthalt während des Studium ein Lohnplus von rund 8 Prozent.

Für Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler zahlt sich ein Auslandssemester nicht aus, wohl aber für Geisteswissenschaftler.

Ob es allerdings die Auslandserfahrung selbst ist, die die Karriereaussichten beeinflusst, lässt sich mit den Daten nicht beurteilen. Studenten, die ins Ausland gehen, stammen deutlich häufiger aus Akademikerfamilien als Kommilitonen, die daheim bleiben. Sie gehören damit von vornherein zu einer privilegierten Gruppe – auch das kann später ein Vorteil auf dem Arbeitsmarkt sein.

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10 Kommentare

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  • S
    Susanne

    Dieser Artikel ist ärgerlich, denn er reduziert den "Nutzen" eines Studienaufenthalts im Ausland auf den finanziellen oder karrieretechnischen Ertrag. DArum geht es aber bei einem Auslandsaufenthalt wenn überhaupt nur in zweiter oder dritter Linie. Es geht darum, eine andere Kultur kennenzulernen und tiefere EInblicke in andere Lebensweisen zu erhalten, als das bei einer Urlaubsreise möglich ist. Ich bin einigermaßen entsetzt, dass die taz das Gefasel von der Lebenslaufoptimierung so kritiklos nachplappert.

  • KK
    Karl K

    @ et al.

     

    Schön, daß doch wenigstens die Kommentatoren

    bei Verstand sind.

     

    Und schon auf Höhe des Mittelalters im Handwerkergesellenlied

    sind:

    "… den soll man als Gesell erkennen, gar einen Meister nennen,

    der noch nirgends ist gewest;

    nur gesessen in seinem Nest?…"

     

    Mit Staunen habe ich früh die Briefe meines Alten aus den 20/30ern gelesen,

    wieviele seiner Mitschüler/ Kumpel/ Mitruderer im Ausland - meist beruflich waren.

    Damals ja noch ein Angang.

     

    Und - anders gewendet: dieses Kleben am Sessel/Nest etc

    hat die Wirtschaft ja schon innerstaatlich nach dem Krieg gefördert,

    indem sie lieber nur auf Ihrer jeweiligen " Ausbildung" bestand.

    Und die Versuche der Gewerkschaften, breit angelegte Ausbildungsstätten zu schaffen,

    torpedierte.

    " Bäckerburschen" nannten wir diese Schmalspurmechaniker, die nur am VW- Käfer Teile aus und einbauen konnten.

    An meine Mopeds ließ ich selbst BMW - Schrauber nicht dran!

     

    Und auf ser Ebene der Ingenieure?

    Keine Fortbildung! Und so denn -

    ist die Zahl der arbeitslosen nicht mehr vermittelbaren Ingenieure

    gleich groß der Zahl der offenen Stellen.

    Allens chlor!?

     

    Und der konzertierte Angriff auf die Hochschulen von Bertelsmann & Co?

    Bologna als wirtschaftsgerechte Verschulung.

    Man kann es auch Verblödung nennen.

    Und dazu paßt ganz prima die hier anstehende abwertende

    Merkantilisierung des Auslandsstudiums.

     

    UND - wir können sicher sein, daß gerade die daran interessierten Kreise

    ihre Brut aber so was von Hallo - Geld spielt ja keine Rolle - nach Harvard, Princeton,

    Oxbridge - oder was gerade angesagt ist - schicken.

    Nö - diesen Sand in den Augen - neje tak!

    Wilhelm Busch - aber Hallo!

  • N
    Nania

    Ein Jahr im Ausland (oder auch nur ein halbes) dürfte sich für die Persönlichkeit fast immer gut machen.

    Leider gibt es für einige aber gar nicht erst die Möglichkeit, ein solches wahrzunehmen. Finanzierungsfragen sind das eine, die Verzögerung des Studiums, welche in 99% aller Fälle, die mir bekannt sind, damit einhergeht, nochmal eine andere.

    Ich würde gerne ins Ausland. Bin aber auch persönlich etwas gebunden und schon daher ist es nicht ganz einfach.

    Schade eigentlich.

    Und die Uni bietet auch nur eine sehr begrenzte Zahl von Plätzen an, die man nicht komplett selbst finanzieren muss.

  • H
    Hanno

    Irgendwie traurig wie sowas diskutiert wird. "Lebenslaufoptimierung" - ist das wirklich das Ziel bei einem Auslandssemester?

     

    Macht man sowas nicht, um etwas spannendes zu erleben, eine gute Zeit zu haben, neue Perspektiven kennenzulernen? Ja, das lässt sich alles nicht monetär messen.

     

    (hatte selbst leider nie ein Auslandssemester und finde das rückblickend schade - aber nicht weil ich es nicht in meinen Lebenslauf schreiben kann :-)

  • E
    Eisvogel

    Einst lebte ich zwei Semester in einem Studentenwohnheim. Die dort die Mehrheit stellenden Eramus-Studenten hatten die wenigen Einheimischen in der Regel auch spätestens nach dieser Frist effektiv vertrieben. Es herrschte ein derartiger Lärm und Saustall dass ernsthaft studierende Kommilitonen kein Bein an Land bekamen und entnervt in teurere Wohnlösungen flüchten mussten.

     

    Dass sowas mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme ist, spricht sich ja wohl auch bei Personalern rum. Die Inflationierung der Auslands"erfahrungen" tut dann ihr übriges. Ich finde das an sich aber auch nicht schlecht. Wer wirklich einen massgeschneiderten Auslandsaufenthalt auf die Beine stellt oder ein renomiertes Stipendium bekommt, wird das auch weiterhin im Arbeitsleben honoriert bekommen. Warum sollte man den all-inclusive Schafen die gleiche Belohnung zukommen lassen, wenn man Erasmus doch ohne jeden Einsatz einfach im Schlafanzug abhaken kann?

  • D
    DafürZahlIchDochNicht

    Das Reisen bildet sehr;

    es entwöhnt von allen Vorurteilen des Volkes,

    des Glaubens, der Familie, der Erziehung.

    Es gibt den humanen duldsamen Sinn, den allgemeinen Charakter.

    Wer dagegen nichts sah, was ihn in der Sphäre,

    worin er lebt, umgibt, hält leicht alles für notwendig und einzig in der Welt, weil es in seiner Heimat dafür gilt.

    Immanuel Kant (1724-1804)

     

    Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:

    Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Kultur und Reisen.

    Darum, Mensch, sei zeitig weise!

    Höchste Zeit ist's! Reise, reise!

    Wilhelm Busch (1832 - 1908)

     

    Die Reise gleicht einem Spiel;

    es ist immer Gewinn und Verlust dabei,

    und meist von der unerwarteten Seite;

    man empfängt mehr oder weniger, als man hofft.

    Für Naturen wie die meine ist eine Reise unschätzbar:

    sie belebt, berichtigt, belehrt und bildet.

    (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

     

    Jetzt, da ich am Ende meiner Reise stehe, ist meine Freude, dieselbe gemacht zu haben, eine doppelt große. Mein Schatz an Erfahrungen und Kenntnissen ist ein großer. Der fleißigste Gelehrte wird während eines langen, im Studierzimmer verbrachten Lebens keinen halb so großen sammeln, wie ich in noch nicht fünf Jahren. Und ich habe nach allen Richtungen gesammelt - auch psychologische Schätze. Um Psychologe zu werden, muss man reisen, dass man mit den Leuten in nähere Berührung kommt.

    (Alexander von Humboldt)

  • D
    Debaser

    "Das Arbeitslosigkeitsrisiko etwa ist für beide Gruppen gleich groß: Akademiker haben generell gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt"

     

    Leerformeln, insofern nicht die spezifischen Charakteristika der jeweils besetzten Stellen berücksichtigt werden. Wer das unter dem herrschenden Zwang der Verhältnisse, jedwede Form der Lohnarbeit annehmen zu müssen, nicht berücksichtigt, kann auch nicht hinsichtlich des besonderen Stellenwerts eines Auslandsaufenthalts während der Studienzeit für die spätere Stellensuche differenzieren.

  • E
    eksom

    Mein Sohn hat gerade ein "ERASMUS-Semester" hinter sich. In dem Geburtsland seiner Großeltern. In den meisten Prüfungsfächern hat er besser abgeschnitten, als die Studenten/Innen vor Ort. Durch die Bekanntschaft mit mehreren Dozenten der Uni hat er jetzt schon mehrere Jobangebote nach seinem Abschluss des Studiums erhalten. 4 Sprachen plus Studium in Germany sind in der Türkei materiell doppelt soviel Wert, wie in Deutschland. Wer kann da schon nein sagen?

    In Deutschland wäre er die dritte Wahl gewesen.

  • S
    Silvio

    "Lohnt" es sich denn nicht, weil es nicht direkt monetär "belohnt" wird? Oder könnte ein Erasmussemester auch mehr bringen?

  • R
    ridicule

    Lieber Herr Kramer,

     

    was für eine merkantile Blase haben Sie sich denn gelaufen?

     

    Kennen Sie die Ruhrpottpoesie?

    ICH STAND - AM BAND

     

    Ihre Geisteshaltung fand ich gern bei Kollegen

    - mgl. mit Porsche, die Ehefrau war schließlich Augenärztin -

    die sich schwer empört darüber ausließen, daß sie ja so was von schlecht besoldet würden; wenn man das mal durchrechnen würde: und man hätte schon ab 14 verdient und dann das teure Studium … und überhaupt.

     

    Und den Einwand - ah ja und mit 14 am Band oder Nietenwärmer bei Blohm und Voss, Würfelfeilen auf Flender? - oh, das sei ja wohl ganz und gar unsachlich!

     

    Nix gegen nen Sparren, aber muß es so einer, neumodscher sein?

    Am Band liest niemand abends Thomas Mann oder was Sie so

    preferren! So geit dat!