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Leben in FreiburgEinfach geringere Arschlochdichte

Klar, die alternative Konformität in Freiburg nervt. Aber unter den Gutmenschen im Südwesten gibt es schlicht genug gute Menschen. Das hilft.

Freiburg ist wirklich so: die Menschen wählen Grün und streicheln Sonnenblumen Foto: MITO/imago

Wenn ich in der Fremde nach dem „woher“ gefragt werde, antworte ich wahrheitsgemäß: „Ich bin Münchner und lebe in Freiburg.“ Manchmal würde ich gerne noch hinzufügen, dass ich Letzteres aber ausschließlich wegen Heidegger tue. „Ich möchte einfach immer in der Nähe seines Geistes sein, wissen Sie, alles andere im Leben ist mir egal.“ Vielleicht wäre dann mal Ruhe. Aber so mutig bin ich nicht und vor allem selten schnell genug.

Denn bei der bloßen Erwähnung meines Wohnortes gehen meine Gegenüber in der Regel dazwischen. „Freiburg, ach wie schön!“, rufen sie aus, um mir anschließend eine halbe Stunde lang die Vorzüge meiner Stadt aufzuzählen. Das milde Klima. Die vielen Fahrräder. Die Nähe zu Frankreich. Und am allerwichtigsten natürlich: der berauschende Fußball des „FC“ (worauf ich kurz einwerfe, dass es „SC“ heiße – und dafür mit weiteren dreißig Vortragsminuten über den außergewöhnlichen Freiburger Fußballtrainer belohnt werde).

Den Abschluss der Ausführungen bilden in der Regel kritische Nachfragen: Scheint bei euch tatsächlich immer die Sonne? Wählen wirklich alle die Grünen? Ist der Christian Streich auch in echt so? – Ich hole dann einmal tief Luft und sage: „Ja.“

In Andreas Dresens Film „Sommer vorm Balkon“, der nicht zuletzt eine Hommage an Berlin-Prenzlauer Berg ist, gibt es eine denkwürdige Szene. Die von Inka Friedrich gespielte Protagonistin, arbeitslos, alleinerziehend, einsam und alkoholkrank, droht an, sich das Leben zu nehmen, und schiebt dann nach: „Oder ich gehe zurück nach Freiburg.“

In Freiburg lebt man doch nicht!

Das ist die andere Erzählung über die Stadt und nicht selten der Subtext meiner Gegenüber: In Freiburg lebt man doch nicht! Entschuldigung, aber da macht man Urlaub. Oder studiert, und danach nichts wie weiter. „Ich weiß nicht, wieso ich euch so hasse, Tanztheater dieser Stadt.“ Das ist Freiburg. Da zieht man möglichst schnell weg, um dann in Radio-Comedys mit den zurückgebliebenen Eltern zu telefonieren. Freiburg ist Wohlfühloase der Gutmenschen, Bionade-Biedermeier und Mülltrennungsterror.

Und die Kinder machen Yoga und verwenden das Gendersternchen, bevor sie lesen und schreiben können. – „Ja, und?“ In Freiburg entfielen bei der letzten Landtagswahl mehr als 43 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die Grünen, ein irrer Wert, und an durchschnittlich 145 Tagen im Jahr scheint hier die Sonne, so oft wie in keiner anderen deutschen Stadt. Beides merkt man Freiburg an. Ja, bisweilen ist die alternative conformity wirklich schwer zu ertragen, das Thujaheckenhafte des Bildungsbürgertums und die geldige Selbstzufriedenheit der Esos.

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Und vielleicht wäre es in einer anderen Stadt besser für mich gelaufen, wer weiß das schon? Aber manchmal bilde ich mir ein, dass eben doch auch Freiburg seinen Anteil daran trägt, dass meine Kinder in einer WG groß wurden anstatt in einem Reihenhaus.

Dass Werte wie Solidarität und Gleichberechtigung, aber auch Gelassenheit mein Leben prägen, dass unter den Gutmenschen hier im Südwesten einfach ausreichend gute Menschen sind. Denn das macht vieles leichter.

„Ein gutes Leben ist die beste Rache“

„The best revenge is to live well.“ Dieses Motto stammt aus dem 17. Jahrhundert und wird dem metaphysischen Dichter George Herbert zugeschrieben. Selim Özdoğan hat den Satz als Titel für eines seiner Bücher verwendet und damit auf Deutsch bekannt gemacht. Ich verstehe ihn dezidiert politisch: „Ein gutes Leben ist die beste Rache.“

Christian Streich ist auch in echt so. Wir kennen und mögen uns. Wenn wir uns unterhalten, dann allerdings nie über die Arbeit. Weder über seine noch über meine. Es sind gute Gespräche.

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12 Kommentare

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  • ... lebe nun schon beruflich bedingt seit einigen Jahrzehnten in Freiburg. Konnte mich nie mit der hiesigen Bigotterie der Bewohner besonders „grüner“ Stadtviertel anfreunden. Oder auch dieser provinziellen Selbstzufriedenheit, besonders vieler Zugezogener und Gutbürger. Und, hier schreibt ein Zugezogener - wie ich einer bin -, was ich bemerkenswert finde. Denn: „echte“, also hier geborene und aufgewachsene Freiburger lernt man selten kennen. Meine erste Frau, sowie meine Lebensgefährtin sind „echte“ Freiburgerinnen - und es wird deutlich wie sehr sich die Wahrnehmungen zwischen Zugezogenen und davon profitierenden von der, der normalen, weniger wohlhabenden Menschen unterscheiden. Da geht es oft um bezahlbaren Wohnraum, als um „wofindeicheinenParkplatzfürmeinenSUV“ in wohlhabenden Stadtvierteln. Die Menschen, die hauptsächlich „grün“ und „gut“ wählen, leben in einer eigenen Welt. Wenn mich jemand fragt und fragte, was für mich das schönste an dieser „ach so tollen Stadt“ sei? Die Nähe zur Auffahrt auf die A5. Entweder Richtung Italien, oder Richtung Nordsee. p.s.: kaum einem anderen Menschen kommt das Wörtchen „Arschloch“ schneller über die Lippen, als den Freiburgern. ;-)

  • Bei meinem letzten Besuch in FR fand ich es am lustigsten, dass sich die Normalos über die Ökos aufregen, die deren Wohnmobile in ihren Vierteln parken, da deren bevorzugte Wohngebiete ja autofrei sind. Ich habe 5 Jahre in FR gewohnt und vorher und nachher nie mehr bigottere Bürger kennengelernt als in dieser Stadt. Ich komme aus Bayern, insofern bin ich da schon was gewohnt und sehr leidensfähig. Natürlich waren auch tolle Menschen dabei, aber sehr oft sind es wirklich selbstverliebte Typen (m/w/d) die oberlehrerhaft durch ihre Parallelwelt taumeln. Und mit ihrer Freundschaft zu vermeintlich Prominenten kokettieren. Insofern bestätigt der Artikel vollumfänglich mein Bild von den selbsternannten Instanzen dieser im tiefsten Innern sehr konservativen Stadt.

  • Ich finde es schon etwas fragwürdig, pateipolitische Präferenzen so stark mit der angeblichen "Güte" des Charakters zu verbinden.



    Ich habe in meinem Leben sehr viele Menschen kennengelernt, und Konservative sind auch überwiegend liebevolle Familienmenschen, hilfsbereite Nachbarn und in den Kommunen und Vereinen ehrenamtlich engagierte Bürger.

    Die politische Ausrichtung hat viel eher etwas mit Priorisierungen zu tun und nicht mit vermeintlich "guten" Charakterzügen.

  • "Ein gutes Leben ist die beste Rache" ist soweit ich weiß, schon eine Weisheit des Talmud...

  • 0G
    09139 (Profil gelöscht)

    "In Freiburg entfielen bei der letzten Landtagswahl mehr als 43 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die Grünen, ein irrer Wert[...]. Ja, bisweilen ist die alternative conformity wirklich schwer zu ertragen, das Thujaheckenhafte des Bildungsbürgertums und die geldige Selbstzufriedenheit der Esos."

    Genau das ist das Problem an Freiburg.



    Und außerdem: why not Freiburger FC? Traut euch mal, immerhin deutscher Meister gewesen (lang lang ist`s her).



    Gruß vom magischen SSV Ulm 1846.

  • Ich lese so vor mich hin, zack hellwach!

    ....in Andreas Dresens Film „Sommer vorm Balkon“, der nicht zuletzt eine Hommage an Berlin-Prenzlauer Berg ist..



    Klaro! Natürlich!

    Heidecker nun gut.



    Kommt nicht an der Junge, weil

    .. entfaltet der Berliner Sommer seine volle Magie. Auf unserem Dach trommelt nun wieder der geheimnisvolle Steel Drummer, den wir von der Terrasse aus nur durch die Spiegelung in den Fensterscheiben des Mietshauses gegenüber sehen können....

    Freiburg ist schön.

    Ditt is besser:

    SCHILLER x ALPHAVILLE: „Summer in Berlin“



    www.youtube.com/watch?v=qiUXm8X0ycI

    Whow! Wat für eine tolle Lea Drinda!



    Drindas zweite Muttersprache ist Valencianisch. Sie wohnt in Berlin. Logo.



    (In Jena geboren, sag ich doch)

    • @Ringelnatz1:

      Danke. Schön. Lemmy Caution’s Eddy hätts gefallen.

  • Na Servus

    Heideggers Martel inner WG. Gellewelle,



    Das hätte seiner Nazisse sicher gefallen.

    Na Mahlzeit - 🚵‍♂️ -

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Freiburg liegt in einer der reichsten Regionen der Welt! Da läßt es sich schon mal gut Philosophieren, wenn der Mann vom Automobilzulieferer oder Pharmakonzern 150T im Jahr nach Hause bringt!

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Weil die meisten Philosophen so reiche Menschen waren oder wie?



      Ich verstehe worauf sie abzielen, nur dass in Freiburg die nettesten Menschen dort zu finden sind wo keine stolzen Villen stehen und dennoch sind sie aufgeschlossener und umweltbewusster als manch bodenständig aber hippe Berliner, welcher meint das Rezept für soziale und umweltmäßige Gerechtigkeit schon in der Tasche stecken zu haben während man sich im Start Up den Arsch aufreißt um Großkapital anzulocken.

  • Ich assoziiere mit Freiburg zwischenzeitlich eher die spektakulären Verbrechen, aber das liegt vermutlich daran, dass sie mich wirklich sehr erschüttert haben und nicht zu meinem Freiburg-Bild gepasst haben. Wenn sich die Bürger trotzdem diese mentale und emotionale Idylle erhalten können, finde ich das toll.

    • @*Sabine*:

      Geht mir leider auch so. Dass die Freiburger aber gut verdrängen können was nicht in deren Weltbild passt passt in mein Bild vom typischen Freiburger.