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Lauterbach stellt Krankenhausreform vorKlinikrettung oder Kahlschlag?

Nach langen Verhandlungen stellt der Gesundheitsminister die Krankenhausreform im Bundestag vor. Was geplant ist und was die Opposition dazu sagt.

Die Krankenhausreform soll dem Personal mehr Luft zum Atmen geben. So der Plan Foto: imago

Berlin taz | Zum ersten Mal haben die Bundestagsabgeordneten am Donnerstag die umstrittene Krankenhausreform öffentlich debattiert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nutzte die Gelegenheit, seinen Gesetzentwurf zu verteidigen. „Private Träger machen zum Teil hohe Gewinne, aber die Krankenhäuser, die wir für die Versorgung auf dem Land brauchen, kämpfen um die Existenz“, erläuterte Lauterbach. Ohne Reform, könnte ein Viertel der Krankenhäuser bis 2030 in die Insolvenz gehen.

Mit der Reform will Lauterbach die Bürokratie in den Krankenhäusern abbauen, die Finanzierung sichern und eine gute Versorgung für jeden und jede ermöglichen. Das Gesetz soll den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser verringern, die dadurch mehr Luft bekommen sollen, ihre Pa­ti­en­t:in­nen bedarfsgerecht zu versorgen.

Deshalb sollen die sogenannten Fallpauschalen zum Teil abgeschafft werden. Diese wurden 2004 eingeführt und sorgen für eine Vergütung nach Behandlungsfällen. Sie führten, so Lauterbach, zu einer Ökonomisierung im Gesundheitswesen, weil sie einen Anreiz böten, immer mehr Eingriffe und Untersuchungen durchzuführen. Lauterbach sprach von einem „Preisschild“, das jeder Patient umhängen hätte.

Künftig sollen die Kliniken unabhängig von den ausgeführten Leistungen vergütet werden – durch sogenannte Vorhaltepauschalen, die 60 Prozent ihres Budgets decken. Sie werden also dafür bezahlt, welche Leistungen sie anbieten – nicht, welche Leistungen sie tatsächlich ausführen.

Basisversorgung auf dem Land

Außerdem will Lauterbach die Kliniklandschaft verändern. Komplizierte Eingriffe – etwa bei Krebs, Schlaganfällen oder Gelenkersatz – sollen künftig nur noch in darauf spezialisierten Kliniken vorgenommen werden. Im ländlichen Raum soll es eine solide Basisversorgung geben. Um das zu erreichen, will Lauterbach, die Finanzierung von Krankenhausbehandlungen an Qualitätskriterien knüpfen. Dafür werden die Krankenhäuser sogenannten Leistungsgruppen zugeordnet, für die Mindestvoraussetzungen, wie die Anzahl jährlicher Behandlungen, die technische und personelle Ausstattung definiert werden. Nur Kliniken, die diese Voraussetzungen – innerhalb eines Übergangszeitraums – erfüllen, dürfen Behandlungen aus der jeweiligen Leistungsgruppe abrechnen.

Das Gesund­heits­system liegt auf der Intensivstation

Andrew Ullmann, FDP

Es wird erwartet, dass die Einführung der Leistungsgruppen zur Zusammenlegung oder Schließung von Abteilungen oder ganzen Krankenhäusern führen wird – insbesondere in den überversorgten Ballungsräumen. Allerdings machen auch jetzt schon regelmäßig Stationen und ganze Kliniken dicht – wegen finanzieller Schieflage oder Personalmangels. Dieses „kalte Kliniksterben“ soll die Reform verhindern.

Der Klinikatlas soll mehr Transparenz schaffen

Tino Sorge, der für die CDU im Gesundheitsausschuss sitzt und auf Lauterbach antwortete, stimmte mit dem Minister in ­einem Punkt überein: „Wir brauchen eine Reform, da sind wir uns parteiübergreifend einig.“ Nach diesem Satz kam aber kein gutes Wort mehr über seine Lippen. Sorge warf Lauterbach vor, die Orientierung verloren zu haben – beim Klinikatlas und generell. Der Unionsgesundheitsexperte beschuldigte Lauterbach, sich nicht an Absprachen zu halten, und forderte „gemeinsames Handeln“. Sorge sieht vor allem die Versorgung auf dem Land gefährdet.

Lauterbach hatte zuvor betont, dass gerade die kommunalen Versorger von Zuschlägen und Vorhaltepauschalen profitieren würden. Ohne Reform wären gerade die kleineren ländlichen Krankenhäuser von Insolvenz bedroht.

Der Gesundheitsexperte der FDP, Andrew Ullmann, warb ebenfalls für den Gesetzesentwurf: „Das Gesundheitssystem liegt auf der Intensivstation“, so Ullmann, der als Arzt gearbeitet hat. Deutschland habe eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, aber auch eines der ineffektivsten. Mit dieser Reform werde dem medizinischen Personal die Luft zum Atmen und zum Handeln gegeben, sagte Ullmann.

Der Entwurf wird nun in den Ausschüssen debattiert. Im Herbst soll der Bundestag die Reform beschließen.

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1 Kommentar

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  • Die Fallpauschalen "führten, so Lauterbach, zu einer Ökonomisierung im Gesundheitswesen, weil sie einen Anreiz böten, immer mehr Eingriffe und Untersuchungen durchzuführen."

    Das Gesundheitswesen ist längst vollständig durchökonomisiert, und das ist unabhängig davon, welches Vergütungssystem gewählt wird. Jedes System bietet Anreize und natürlich auch unerwünschte Anreize. Die tagesbezogenen Pflegesätze, die Vorläufer der Fallpauschalen waren, boten z. B. den Anreiz, die Patienten möglichst lange zu hospitalisieren, während die Fallpauschalen dazu anreizen, die Patienten früher zu entlassen. Und das von Lauterbach geplante System mit den Vorhaltepauschalen wird den Anreiz bieten, weniger Behandlungen durchzuführen. Dass an jedem Patienten ein "Preisschild" hängt, wird sich dadurch nicht ändern, nur dass es künftig möglicherweise für das Krankenhaus vorteilhaft sein wird, einen Patienten nicht aufzunehmen, wenn es dafür kein zusätzliches Geld gibt, das nicht mindestens die Behandlungskosten deckt.