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Laura DahlmeierDer natürliche Antrieb

Laura Dahlmeier hat gewusst, wie gefährlich die Berge sein können. Und doch konnte sie nicht ohne sie.

Wollte Grenzen austesten, aber nie darüber hinaus: Laura Dahlmeier Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Warum nur? Eine große Sinnfrage liegt über der Trauer um Laura Dahlmeier. Keine 32 Jahre alt ist die zweifache Olympiasiegerin im Biathlon geworden. Da ist so viel, was sie noch hätte erleben können. Sie, die immer gesagt hat, die Berge seien ihr Leben, hat ihr ­Leben am Berg verloren. Beim Abstieg vom Leila Peak im pakistanischen Karakorum-Gebirge ist sie auf einer Höhe von 5.700 Metern von einem Steinschlag erfasst worden. Ein Unglück in einem extremen Gelände. Sie wusste, dass so etwas passieren kann.

Sie wusste auch, dass ihre Entscheidung für eine zweite sportliche Karriere als Bergsteigerin mit einer großen Sinnfrage einhergeht. Ihr hinterlegter Wunsch, nach dem sie sich im Todesfall nicht bergen lassen wollte, um keine Menschen in Gefahr zu bringen, zeugt davon, dass sie genau wusste, dass passieren kann, was nun geschehen ist. Und doch war sie keine Risikosportlerin, die von sich behauptet hätte, ihr seien Flügel gewachsen, nur weil ein Sponsor das von ihr verlangt hätte.

Wenn es in einer Wand besonders schwierig wurde, wenn die Wetterbedingungen in der Höhe sich geändert haben, wenn sie sich körperlich unwohl gefühlt hat, da habe sie sich schon gefragt: „Ja, was mache ich hier eigentlich?“ So hat sie es mal in einem Podcast gesagt.

Aber der Lohn für die Schinderei, für all ihr extremes Tun sei immer groß genug gewesen. Sie brauche den Sport, sie brauche die Berge, hat sie gesagt. In große Worte fassen, warum die Berge eine derartige Faszination auf sie ausgeübt haben, konnte sie nicht. Den Antrieb zu beschreiben, der Menschen dazu bringt, durch menschenfeindliches Gelände im Gebirge immer weiter nach oben zu streben, ist vielleicht nicht wirklich möglich. Sie hatte ihn jedenfalls.

Nie in die Jagd auf 8.000er eingestiegen

Und auch wenn Laura Dahlmeier sich entschieden hat, zu den großen Bergen im Himalaja, dem Pamir oder dem Karakorum aufzubrechen, so gehörte sie nicht zu jenen von Sponsoren und einem sensationslustigen Publikum angetriebenen Rekordjägerinnen, die für ein bisschen Ruhm ihr Leben aufs Spiel setzen. In die Jagd nach den 8.000ern ist sie nie eingestiegen, hat das Spektakel darum immer abgelehnt. Einer schweren Klettertour durch die Felswände der Marmolata in den Dolomiten konnte sie ebenso viel abgewinnen wie ihrer Expedition zu den 7.000ern in Tadschikistan.

Sicher wäre sie 2023, als sie dort mit ihrem fünf Jahre jüngeren Bruder im Pamir-Gebrige unterwegs war, gerne auf den Gipfel des knapp 7.500 Meter hohen Pik Korschenewskaja gelangt. Doch ihre Füße waren kalt. Statt den Gipfel mitzunehmen, entschied sie sich umzukehren. Sie wollte ihre Zehen nicht für ein Foto bei Instagram opfern. Auch das gehört zur Geschichte der Extrembergsteigerin Dahlmeier. Ja, sie ist bis an ihre Grenzen gegangen, überschreiten wollte sie diese nicht.

Austesten der Leistungsgrenze

An die Grenzen zu gehen, das gehörte für sie nicht erst, seit sie mit 19 Jahren in den Weltcup eingestiegen ist, zum Alltag. Andere an ihre Grenzen heranzuführen, das war ihr Job als Bergführerin. Oft hat sie davon erzählt, wie stolz die Bergfreunde waren, wenn sie nach einer von Dahlmeier geführten Tour etwas geschafft hatten, was sie sich zuvor nicht zugetraut hatten. Das Austesten der eigenen Leistungsgrenze ist etwas zutiefst Menschliches.

Eine Athletin wie Dahlmeier musste weit und hoch klettern, um an ihre Grenzen zu kommen. Weiter und höher als fast alle anderen Menschen. Das hat sie am Ende das Leben gekostet.

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