Lastenräder für das Land: Kenia macht's vor
Auf Initiative der Grünen hat Brandenburgs schwarz-rot-grüne Landesregierung eine Lastenradprämie aufgelegt. Mit der schmückt sich nun sogar die CDU.
Für Florian Feigenbutz war die Förderung „das letzte Quäntchen“. Zwar hatte sich sein Wohnprojekt „Wohnmichel“ in Michendorf bei Potsdam schon vorher überlegt, ein Lastenfahrrad anzuschaffen. Aber die „Lastenradprämie“, die Brandenburgs Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen Anfang 2021 aufgelegt hat, hat den 50 Projekt-Mitgliedern laut Feigenbutz die Entscheidung abgenommen – und die Möglichkeit gegeben, „ein ganz anderes Kaliber zu kaufen“.
Fünfzig Prozent des Kaufpreises, unabhängig von dessen Höhe, fördert Brandenburg, das ist mehr als bei den Förderprogrammen anderer Länder und des Bundes. Clemens Rostock, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag, sieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Denn von den insgesamt 600.000 Euro, die das CDU-geführte Infrastrukturministerium 2021 dafür zur Verfügung gestellt hat, war schon im ersten Quartal mehr als die Hälfte weg. 350.000 Euro wurden von Januar bis März 2021 für 140 Lastenräder bewilligt, 124 davon waren E-Lastenräder.
Wetten abgeschlossen
Das Förderprogramm sei so attraktiv gestaltet worden, „weil wir nicht wussten, wie es angenommen wird“, sagt Rostock. Die zehnköpfige Grünen-Fraktion, die die Lastenradprämie in den Koalitionsvertrag mit SPD und CDU verhandelt hat, habe intern sogar Wetten abgeschlossen. „Aber dass es so ein Erfolg wird, hat nicht jeder gedacht.“ Auch in diesem Jahr soll das Programm wieder aufgelegt werden. Dabei will Rostock ausloten, ob die Fördergelder nicht gedeckelt werden könnten: „Dann kommen mehr Antragsteller zum Zuge.“
Mit seinem Programm zeigt Brandenburg, dass Lastenräder keineswegs nur ein Großstadtthema sind. Nicht nur Wohnprojekte wie das in Michendorf haben die Förderung in Anspruch genommen, sondern auch Vereine wie der Tourismusverband Prignitz.
Und auch Handwerker wie der Malermeister Jürgen Kuhnt in Pritzwalk haben Gefallen an den letzten Kilometern auf zwei Rädern gefunden. „Den ersten großen Transport mit Leitern kann ich nicht mit dem Lastenfahrrad machen“, sagte Kuhnt den Potsdamer Neuesten Nachrichten. An den Tagen danach nutze er das Lastenrad aber. „Denn ich spare damit Benzin, ich muss keinen Parkplatz in der Innenstadt suchen, und ich komme auch durch Straßen, die eigentlich verkehrsberuhigt sind.“ Als Lehrlinge seien sie schließlich auch immer mit dem Handwagen losgezogen.
„Abstrus und weltfremd“
Auch deshalb gilt die Lastenradprämie in der Brandenburger Kenia-Koalition inzwischen als Erfolgsgeschichte. Als die Bundesgrünen im Wahlkampf eine Prämie für den Kauf von Lastenrädern forderten, twitterte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, das sei „abstrus und weltfremd“. „Stelle mir gerade Bauarbeiter auf dem Weg zur Baustelle vor“, twitterte er. „Vorne der Presslufthammer verstaut – als Fahrradanhänger ein Betonmischer?“
Brandenburgs CDU-Infrastrukturminister Guido Beermann konnte über den Tweet seines Parteifreunds nicht lachen. „Gerade für kurze Strecken bieten sich Lastenräder als Alternative an“, sagte Beermann bei einer ersten Bilanz des Projekts. „Unsere Lastenradprämie wird angenommen und entwickelt sich zum Erfolgsprojekt.“
Im Gegensatz zur Forderung der Bundesgrünen können in Brandenburg nur Vereine, Gewerbetreibende, Kommunen oder Verbände die Lastenradprämie beantragen. Wer das Rad anschließend kostenfrei für alle zur Verfügung stellt, kann sogar 80 Prozent des Kaufpreises erstattet bekommen.
Der Wohnmichel in Michendorf hat sich allerdings gegen diese Option entschieden. „Wir bräuchten dann immer jemanden, der das Fahrrad herausgibt und entgegennimmt“, sagt Projektmitglied Florian Feigenbutz. Den Eigenanteil finanzierte das Projekt lieber über Spenden. „Drei Viertel der 700 Kilometer wurden in Michendorf zurückgelegt“, kann er über die vier Monate sagen, die das Rad inzwischen zur Verfügung steht. „Aber manchmal bringen die Leute auch ihre Kinder zur Schule nach Potsdam oder fahren an den See.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren