Landwirtschaft in Afrika: „Nur Bio geht nicht überall“
In vielen Regionen Afrikas müssen Bauern chemisch-synthetische Dünger benutzen, sagt Agronom Rolf Sommer. Sonst laugen die Felder aus.
taz: Herr Sommer, in Deutschland düngen konventionelle Bauern so viel, dass Arten aussterben und Wasser verseucht wird. Biolandwirte verzichten auf chemisch-synthetische Dünger. Sie nehmen als Agrarwissenschaftler an der „Global Soil Week“ in Berlin teil: Sollte Afrika auf Öko umstellen?
Rolf Sommer: Nur Bio geht nicht in Afrika. Zum einen wird dort nur wenig Dünger benutzt: zehn Kilogramm pro Hektar und Jahr gegenüber 200 Kilo je Hektar in Deutschland. Zum anderen sind die Böden in weiten Teilen Afrikas recht unfruchtbar. Das sind sehr alte Böden, die schon wegen der Verwitterung Pflanzennährstoffe verloren haben. Da kann man gar nicht produzieren, ohne Nährstoffe zuzuführen.
Warum?
Mit jedem Kilogramm Weizen oder Mais etwa, das von der Fläche auf den Markt wandert, fließen auch Nährstoffe ab. Afrika insgesamt verliert so jährlich 50 Kilogramm Nährstoffe pro Hektar. Die müssen irgendwie ersetzt werden.
Aber der Ökolandbau in Deutschland scheint doch ganz gut zu funktionieren ohne chemisch-synthetische Dünger.
Die deutsche Biolandwirtschaft bringt große Mengen Mist auf die Flächen. Man muss sich die Dimensionen des afrikanischen Kontinents vor Augen halten. Um genügend Mist zu produzieren, bräuchte man Millionen Tiere. Wo soll der herkommen? Und soll er über Tausende Kilometer transportiert werden?
Warum halten die Bauern dann nicht selbst Vieh auf ihrem Land und düngen mit dem eigenen Mist?
Das passiert ja schon. Wir wissen aus jahrzehntelanger Forschung in Afrika, dass das Wiederverwenden von organischer Substanz wie Kompost, Mist oder Ernterückständen eine wichtige Rolle spielt. Aber das alleine reicht nicht. Die Tiere auf der eigenen Fläche können ja nicht die Nährstoffe zurückbringen, die auf den Markt abgeflossen sind. Mit Hülsenfrüchtler – den Leguminosen – kann man zwar Stickstoff aus der Luft im Boden fixieren, aber zum Beispiel nicht ebenfalls wichtige Nährstoffe wie Phosphat oder Kalium.
Der Agrarwissenschaftler und Biologe arbeitet am und Internationalen Zentrums für Tropische Landwirtschaft (CIAT) forscht in Kenia. Der 43-Jährige nimmt an der „Global Soil Week“ in Berlin teil (27.-31.10.).
Gibt es noch andere Gründe, weshalb afrikanische Bauern chemisch-synthetische Mineraldünger brauchen?
Viele sind so arm, dass sie es sich nicht leisten können, den Mist als Dünger zurück auf die Flächen zu bringen. Stattdessen verkaufen sie ihn. Oder sie verfeuern ihn. Oder sie bauen mit Stroh und Mist ihre Lehmhäuser. In den Fällen muss ich auch über mineralischen Stickstoffdünger reden.
Aber wer so arm ist, kann sich doch erst recht keinen mineralischen Dünger leisten?
Deshalb geben zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen Mikrokredite aus.
Wäre es nicht besser, damit den Bauern Bau- oder Brennmaterial zu bezahlen statt Mineraldünger, der Umweltschäden verursachen kann?
In Afrika kann man da nicht von Umweltschäden sprechen. Erosion, Artentod, Grundwasserverseuchung wegen zu viel Dünger – das ist dort kein Thema. Dazu sind die Düngermengen viel zu gering. Aber man muss natürlich aufpassen: Vor 20 Jahren waren die Chinesen am gleichen Punkt. Nun wird dort so viel gedüngt, dass es massive Probleme gibt.
Was empfehlen Sie den afrikanischen Bauern?
Die Kombination von organischen und mineralischen Düngern bringt die besten Erträge. Wir müssen da einen guten Mittelweg finden.
Was passiert ohne Dünger?
Die Bauern degradieren sonst ihre Flächen. Die Felder werden unfruchtbarer. Und dann sind auch die Erträge rückläufig. Das wäre fatal.
Weshalb?
Bis 2050 wird sich die Bevölkerung in Afrika laut Prognosen verdoppeln. Dort hungern jetzt schon 226 Millionen. Da muss man substanziell etwas in der Landwirtschaft verändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung