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Landtagswahl in ThüringenSchnuppern erlaubt

Nach den Wahlen feiert sich Thüringens Linke-Chef Bodo Ramelow. Die Frage ist, wie lange. Mit der CDU dürfte eine Zusammenarbeit schwierig werden.

Mike Mohring und Bodo Ramelow am Wahlabend im Fernsehstudio Foto: Robert Michael/dpa

So ausgelassen, so befreit hat man Bodo Ramelow in den letzten Wochen und Monaten kaum gesehen. Nach 22.30 Uhr am Sonntagabend, als alle Wahlkreise ausgezählt sind, tanzen der Thüringer Ministerpräsident und seine GenossInnen in der Halle eines still gelegten Erfurter Güterbahnhofs zu „Zusammen“ von den Fantastischen Vier. In diesem Moment steht zwar fest, dass die rot-rot-grüne Regierung in Erfurt keine Mehrheit mehr hat. Aber Scheiß drauf: Die Linke hat bei der Landtagswahl abgeräumt, sie steht als Wahlsiegerin fest, mit 31 Prozent. Zum ersten Mal in 30 Jahren stärkste Partei. Yeah!

Am Montagmorgen ist der Rausch noch da, doch die Leichtigkeit ist dahin. Denn ab nun wird es anstrengend und unübersichtlich in Thüringen. Ramelows Linke ist Wahlsiegerin, aber Thüringen steht vor einem Dilemma. Keine der klassischen Konstellationen ergibt eine stabile Mehrheit. Rot-Rot-Grün? Bleibt vier Stimmen unter der absoluten Mehrheit. Jamaika? Reicht nicht. Groko? Vielleicht, wenn man das Wort farblich neu interpretiert. Die Linkspartei von Ramelow und die Thüringer CDU – wäre das nicht die erste ostdeutsche Groko? Zumindest Staatskanzleichef Benjamin Hoff, Linke, lässt diesen Begriff am Montagmorgen im Gespräch fallen. Wie einen Stein ins tiefe Wasser. Mal sehen, welche Kreise er zieht.

In Berlin steht am Montagmittag ein sichtlich müder Mike Mohring neben seiner Parteivorsitzenden. Die Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus ist für ihn alles andere als vergnügungsteuerpflichtig. Mohring, gestauchter Thüringer Spitzenkandidat, hat in den zurückliegenden Stunden Präsidium und Bundesvorstand davon zu überzeugen versucht, dass es eine Frage der Vernunft – und der politischen Machtoptionen – wäre, wenn er sich mit Bodo Ramelow mal unterhält. Er finde, sagt er, „die CDU hat einen Auftrag, verantwortlich mit dem Ergebnis umzugehen“.

Annegret Kramp-Karrenbauer sieht das deutlich anders. Ihre Partei hat erst vor einem Jahr einen Unvereinbarkeitsbeschluss sowohl mit der Linken als auch mit der AfD gefasst. Geradezu selbst kasteiend sind ihre Einlassungen an diesem Montag, wie wenig hilfreich die Bundespartei für die ostdeutschen Wahlkämpfer gewesen sei. Aber nun ja, sie nehme „zur Kenntnis“, wenn Mohring Ramelows Gesprächswunsch nachkäme. Mohring kriegt erst mal seinen Willen.

Demokraten sprechen

Die Linkspartei von Ramelow und die Thüringer CDU – wäre das nicht die erste ostdeutsche Groko?

Drei Kilometer Luftlinie entfernt, rekelt sich zur selben Stunde Bodo Ramelow vor der versammelten Hauptstadtpresse auf seinem Sessel wie ein zufriedener Kater. Gespräche mit der AfD schließt er explizit aus. Aber sonst: „Demokraten reden miteinander und das sollten wir tun. In diesen Gesprächen wird dann entschieden, ob es zu stabilen Mehrheiten kommt.“

Das Plazet seiner Bundesvorsitzenden hat er. Katja Kipping und Bernd Riexinger haben bereits klargemacht, dass sie den Thüringern nicht vorschreiben werden, mit wem sie eine Regierung bilden: Es gehe gar nicht um Farben, sondern ausschließlich um Inhalte, so Riexinger. Hört, hört.

Ramelow spult gleich mal ein paar Vorschläge ab, wie sein kleines Thüringen künftig bürgernäher werden könne. Mehr direkte Demokratie, das Wahlalter auf 16 Jahre senken und Volksabstimmungen zu Gesetzen, die der Landtag zuvor verabschiedet hat, sogenannte fakultative Referenden. Gleich zweimal lobt Ramelow den entsprechenden Vorschlag „von Herrn Mohring“. Alle diese Reformen können ohnehin nur mit einer verfassungsändernden Zwei-Drittel-Mehrheit vom Landtag verabschiedet werden. Ramelow schiebt gleich noch hinterher, dass er eine „zügige“ Wahl zum Ministerpräsidenten im Landtag anstrebe.

Macht hier einer die Tür ganz weit auf? Nein, höchstens ein Fenster. Denn zu Gesprächen mit möglichen Koalitionären lädt nicht der Ministerpräsident ein, sondern die Partei. Und da machte Ramelow klar, dass Mohring nicht mal schnell über den Balkon zu ihm in die Staatskanzlei steigen kann. „Das muss meine Partei entscheiden.“

Mohring sei ein Zocker

Seine Chefin, wie Ramelow betont, die Vorsitzende der Thüringer Linkspartei Susanne Hennig-Wellsow, sitzt neben ihm und versichert:. „Wir sprechen Einladungen an alle demokratischen Parteien aus.“ Noch am Montagabend treffe sich der Landesvorstand, um das formal zu beschließen. Glücklich sieht sie dabei nicht aus.

Die Linke in Thüringen traut Mohring nicht so recht. Er sei ein Spieler heißt es, ein Zocker. Man könne mit ihm nicht seriös verhandeln. Es gehe ihm nicht um Inhalte, sondern nur um sich selbst. Dieses Motiv vermutet man auch hinter seiner aktuellen Offerte. Mohring will sich retten – zur Not in eine Koalition mit der Linken.

Die Frage ist, ob das so zutrifft. Ja, Mike Mohring hat vor fünf Jahren die CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht wegintrigiert. Und möglicherweise hat er damals tatsächlich mit der Landes-AfD ausgelotet, wie ein Ministerpräsident Ramelow noch verhindert werden könnte. Aber würde er im Jahr 2019 für die persönliche Eitelkeit die geballte Kritik der eigenen Partei, gar den Machtverlust riskieren? Noch vor der montäglichen Präsidiumssitzung in Berlin hatte er erklärt: „Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht.“ Und weiter, mit Verweis auf das Ausschlussgebot: „Ich brauche nicht Berlin, um zu wissen, was für Thüringen wichtig ist.“

In der Gremiensitzung soll Mohring dann ultimativ grünes Licht für ergebnisoffene Gespräche mit Ramelow – nicht mit dessen Partei – gefordert haben. Und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak soll wie bereits am Wahlabend auf den Unvereinbarkeitsbeschluss verwiesen haben. Mohrings Vehemenz mag auf die Parteifreunde auch deshalb irritierend gewirkt haben, als ein Minus von mehr als elf Prozentpunkten nicht einzig am starken linken Ministerpräsidenten gelegen haben kann, sondern eben auch am Angebot der Landes-CDU.

Die Unruhe spaltet

Der Streit im Bundesvorstand war offenbar so heftig, dass der Chef der Jungen Union gleich noch eine Breitseite gegen die Parteivorsitzende fuhr und vor versammelter Mannschaft den Führungsanspruch von Annegret Kramp-Karrenbauer in Frage stellte. Wer jetzt schon gegen ihren Willen die Frage der Kanzlerkandidatur klären wolle, solle auf dem Bundesparteitag Ende November in Leipzig für Mehrheiten werben, sagt sie dazu in der Pressekonferenz. Sie habe darauf verwiesen, dass es in der CDU immer so gewesen sei, dass der Parteivorsitz und das Kanzleramt „in einer Hand“ gelegen hätten – „und zwar aus gutem Grund: Weil dann, wenn das nicht der Fall ist, man die Unruhe spürt, die wir zur Zeit auch in der Partei haben.“

„Die Unruhe“ ist genau das, was die früher mal so breitbeinige CDU aktuell so wacklig erscheinen lässt. Sie ist auch einer der Gründe für die 11,7 Prozentpunkte Verlust der Thüringer CDU. Deren Spitzenkandidat schaut alles andere als erfreut, als seine Vorsitzende sich in für ihre Verhältnisse knurrigem Ton zu den Führungsinterna und der Lage innerhalb der Großen Koalition in Berlin äußert. Mike Mohring bräuchte jetzt Unterstützung für Thüringen, vielleicht für eine Minderheitsregierung in Erfurt. Er bräuchte Antworten auf Fragen nach der Grundrente, nach erneuerbaren Energien oder guter Bildung. Hier in Berlin bekommt er sie offensichtlich nicht.

Gefragt, wo in Gesprächen mit Bodo Ramelows Linker seine rote Linie verlaufen würde, schaut er aus dunklen Augen und sagt: „Ich gehe mit offenem Herzen da hin und höre mir das Gespräch an.“ Bodo Ramelow wird ihm schon was erzählen.

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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Die CDU sollte sich daran erinnern das die Systemkritik an der parlamentarischen Demokratie in den neuen Bundesländern am größten ist.

    Die rabenschwarzen Konservativen mit den rabenschwarzen Füssen sollten sich fragen, ob ideologisch geprägte Politikdebatten in Thüringen zielführend sind.

    Vorrangig haben marginalisierte Kommunen in beängstigender Art und Weise für Desintegration gestimmt, die noch dazu von einem geistigen, - und daher auch praktischen Brandstifter angeführt werden, der gerichtsnotorisch als Faschist bezeichnet werden darf -- und der die Verfassung des Staates nicht anerkennt.

    Meister Ramelow hat eine satte Mehrheit im Vergleich zu allen anderen Teilnehmern an der Wahl.

    Möchte die CDU am Prinzip der Mehrheit rütteln? Rüttelt die CDU etwa am parlamentarischen System des Landes -- indem sie ihre eigene Minderheit vor eine Mehrheit stellen möchte?

    Die CDU sollte in dieser schwierigen politischen Situation nicht den Fehler begehen, desintegrative Politik der Pre-Faschisten zu unterstützen.

    Auch helfen in dieser Situation unfruchtbare idelogische Debatten nicht weiter -- weil diese den Kern des Problems nicht beleuchten.

    Pragmatismus der sogenannten Christdemokraten ist gefragt - aufgrund der gesetzlichen und politischen Möglichkeiten für eine Lösung zu sorgen.

    Es geht nicht um Ideologie in Thüringen - es geht darum, das die parlamentarische Demokratie auch in Thüringen, wie in den anderen 15 Bundesländern, in der Lage ist Lösungen zu produzieren.

    Alles andere hilft den desintegrativ agierenden Pre-Faschisten und es hilft den geistigen Brandstiftern und Terroristen, die gerade das fürchten was ihnen am meisten schaden wird:

    Eine politische Lösung - und zwar ausgehandelt auf der Grundlage der 76,6% der Wähler und der politischen Parteien, die den Willen dieser Wähler repräsentieren.

    Oder ist diese absolute 2/3 Mehrheit noch immer nicht überzeugend genug?

  • Vor 30 Jahren hat die CDU auf dem Gebiet des heutigen Thüringen noch gerne mit den Vorgängern der Linkspartei zusammen gearbeitet, Dieter Althaus, damals schon CDU-Funktionär, später Ministerpräsident (und Pistensau) hat sich für Klassenstandpunkt und Sozialismus stark gemacht. Da wird man es doch mit dem roten Kretschmann auch hinbekommen.

  • „ Gefragt, wo in Gesprächen mit Bodo Ramelows Linker seine rote Linie verlaufen würde, schaut er aus dunklen Augen und sagt: „Ich gehe mit offenem Herzen da hin und höre mir das Gespräch an.“ Bodo Ramelow wird ihm schon was erzählen.“

    Hat die TAZ schon mal nachgefragt, was der Bodo so will, wo seine Grenzen sind wären bei einer Koalition mit der CDU? Bisher ist außer der Einführung eines Büro-Hundetages bei ihm ja noch nicht so viel rausgekommen. www.facebook.com/h.../2180258302271990/ Ab 2:10

  • Ich vermute, es wird ne schwarzgelbe Minderheitsregierung geben. Die sich wechselnde Mehrheiten sucht.



    Wenn Mohring die Machtfrage im Parlament stellt, wird er Ministerpräsident. Schließlich ist die Wahl geheim. Ramelow hat nur Sand hinter sich.

  • Was ich bezeichnend fand, war, wie gleich nach der Wahl von einigen CDU-Leuten gesagt wurde "die CDU solle weder mit Linkspopulist*innen noch mit Rechtspopulist*innen koalieren" und da mal wieder die unsägliche Links-Rechts-Gleichsetzung, die Nazis und deren Gewalt und Hetze relativiert.

    • RS
      Ria Sauter
      @Uranus:

      Das kann Sie nicht wirklich überrascht haben.

      • @Ria Sauter:

        Das stimmt. Überrascht hat es mich nicht.

    • @Uranus:

      Schön das die Linkspartei so weit ist, dass sie nun mit der CDU, CSU oder der FDP koalieren kann und nicht nur nicht mit der AfD. Ramelow macht aus der Linkspartei eine brave Partei der Mitte :-) Alles andere wäre ja auch Gleichsetzungsgedöns.

    • @Uranus:

      Ramelow hat mit Frank Kuschel und Ina Leukefeld die vergangenen Jahre gleich zwei überzeugte MfS-IMs ins Kabinett geholt.



      Die haben hunderte Menschen ans Messer geliefert.

      Und jetzt kommen Sie.

      • @Frank Erlangen:

        Ich will hier eigentlich weniger die Linke verteidigen und noch weniger einzelne Politiker*innen.



        Da Sie ja die Linke herausgreifen, wäre es allerdings für eine faire Betrachtung sinnvoll, zu gucken, inwieweit es MfS-IMS-Leute bei den anderen Parteien gibt ...

  • RS
    Ria Sauter

    Wer solche Partner braucht, braucht keine Feinde mehr.

  • Unvereinbarkeitsbeschluss... OK, das man mit Nazis nicht paktiert verstehe ich. Aber das man sich gegen Andersdenkende Demokraten verschließt widerspricht.... der Demokratie. Also ist die moderne CDU eine extreme antidemokratische Partei geworden.

    • @danny schneider:

      AfD zu weit am rechten Rand, Linke zu weit am linken Rand. So zumindest aus der Perspektive der CDU. Ramelow ist zwar deutlich pragmatischer und damit zentraler, aber die symbolische Wirkung ist entscheidend, weil es eben um die Parteinund nicht die Person geht. Wenn die AfD bei der nächsten Landtagswahl einen linken Kandidaten aufstellen würde, müsste man ja auch nicht mit dem eine Koalition eingehen. Das hat nichts mit "extrem" oder "antidemokratisch" zu tun.

  • Herr Habeck kritisiert die FDP, weil sie keine Koalitionsverhandlungen will. Warum soll das die FDP wollen? Die CDU hat die Linken, die AfD ausgeschlossen,die FDP ebenfalls. Die Grünen haben Verhandlungen mit der AfD ausgeschlossen. Da kommt doch keine Mehrheit ohne die Linken zusammen. Warum weiß Herr Habeck das nicht. Um auf dem mathematischen Niveau von Habeck weiter zu machen: 94,8 Prozent der Wähler haben die Grünen nicht gewählt. Noch Fragen, Herr Habeck.