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Landtagswahl in Sachsen 2019SPD flieht in den Status quo

Monate vor der Landtagswahl bindet sich die sächsische SPD an den Koalitionspartner CDU. Die Option eines linken Bündnisses taucht gar nicht auf.

„Wir werden es aus eigener Kraft schaffen“, rief Dulig. Was er damit meinte, blieb allerdings unklar Foto: dpa

Dresden taz | Die SPD in Sachsen will nach den Landtagswahlen am 1. September mehrheitlich die Koalition mit der CDU fortsetzen. Der Landesvorsitzende und amtierende Wirtschaftsminister Martin Dulig schwor auf einem außerordentlichen Parteitag am Sonnabend in Dresden die Mitglieder auf eine „Fortsetzung der erfolgreichen Regierungsarbeit“ ein.

Nach einer leidenschaftlichen Rede wählten 88,1 Prozent der 126 Delegierten den 44-Jährigen zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Fast mit dem gleichen Ergebnis wurde nach kontroverser Diskussion eine Satzungsänderung beschlossen, mit der auch Parteilose auf allen Wahlebenen für die SPD antreten dürfen.

Die sächsischen Sozialdemokraten erwarten im Wahlkampf nicht nur keine Hilfe der Bundespartei, sie grenzen sich geradezu vom Berliner Betrieb ab. „Wir werden es aus eigener Kraft schaffen“, rief Dulig. Was konkret, blieb allerdings unklar. Mit keinem Wort wurde die wahrscheinliche Konstellation erwähnt, dass die gegenwärtige Koalition in acht Monaten keine Mehrheit mehr hat. Alle Umfragen sehen die CDU derzeit bei 30, die SPD bei 11 Prozent. Nur mindestens ein Dreierbündnis mit FDP oder Grünen hätte derzeit Chancen auf eine knappe Regierungs­bildung.

Noch weiter von einer Mehrheit entfernt wäre ein rot-rot-grünes Bündnis nach Thüringer Vorbild. Eine solche Option wird von den Ministern und führenden Vorstandsmitgliedern gar nicht erst erwähnt. Hier zeigen sich jedoch innerhalb der SPD deutliche Generationsunterschiede.

Dulig beschwört SPD-Urtugenden

Die Jusos waren die Einzigen, die den Gedanken an ein linkes Bündnis zur Ablösung der seit 1990 regierenden CDU überhaupt erwähnten. Das Dresdner Talent Sophie Koch, von Dulig für einen vorderen Listenplatz favorisiert, sagte, sie hielte Rot-Rot-Grün für „möglich“. Der Juso-Landesvorsitzende Stefan Engel meinte: „Wenn es eine Mehrheit gibt, dann sollten wir es machen.“

Besonders unter den jüngeren Genossen trauen viele der CDU zu, dass diese – entgegen den Beteuerungen von Ministerpräsident Michael Kretschmer – im Herbst doch eine Liaison mit der AfD eingehen könnte. Die Partei liegt derzeit bei 25 Prozent und wäre damit zweitstärkste Kraft.

Die SPD möchte eine mitregierende AfD als zukünftiger starker Koalitionspartner verhindern. Zu diesem Zwecke beschwor Dulig die Urtugenden der Sozialdemokratie. „Wir stellen die hart arbeitenden Leute in den Mittelpunkt unserer Politik“, erklärte er. Als ginge es bereits um neue Koalitionsverhandlungen, benannte Dulig die Schwerpunkte Klimawandel, Mobilität, Wohnen, Digitalisierung, Arbeit und Gemeinschaftsschule.

Eine Innovation erlaubt sich die SPD aber doch. Erstmals soll mit Frank Richter, dem früheren Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, ein Parteiloser für die SPD kandidieren. Der Ex-CDUler will sich sowohl für einen Platz auf der Landesliste als auch für das Direktmandat in Meißen bewerben, wo er im Herbst knapp die Wahl als Oberbürgermeister verloren hatte.

Bisher waren Kandidaturen von Parteilosen bei Bundes- oder Landtagswahlen in Sachsen nicht möglich. Nach kontroverser Debatte votierten deutlich mehr als die erforderlichen zwei Drittel der Delegierten für eine Satzungsänderung und ebneten so den Weg für Richter. Dieser muss sich allerdings beim Landesparteitag am 2. Februar auf Gegenkandidaten einrichten.

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2 Kommentare

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  • Die SPD ist mittlerweile so weit rechts ( Seeheimer Kreis oder jetzt Netzwerken ) dass die Linke schon zu weit entfernt ist und selbst die Berliner SPD zu weit links steht.

    Die werden es selbst dann nicht kapieren, wenn die auf Bundesebene im einstelligen Prozentbereich angekommen sind.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Jakob Cohen:

      Das ist eine noch recht neue Form der Demenz (morbus Seeheimer), ein chronisches organisches Psychosyndrom, das häufig sog. Parteimitglieder erfasst, eine Variante von morbus Alzheimer.



      In Wikipedia steht: 'Der Begriff leitet sich ab von lat. demens ‚unvernünftig‘ (ohne mens, das heißt‚ 'ohne Verstand, Denkkraft oder Besonnenheit seiend‘) und kann mit „Nachlassen der Verstandeskraft“ übersetzt werden'.