Landgrabbing in Niedersachsen: Acker für Heuschrecken
Auch in Niedersachsen kaufen Großinvestoren landwirtschaftliche Flächen, während kleine Höfe sterben. Kommt der Mietendeckel für das Ackerland?
Neben den sinkenden Erzeugerpreisen sind die davongaloppierenden Pacht- und Bodenpreise unbestreitbar ein Grund dafür. In den letzten zehn Jahren haben sie sich mehr als verdoppelt. Das führt dazu, dass sich auch in Niedersachsen immer mehr branchenfremde Investoren auf diesem Markt tummeln. Ackerland verspricht mühelose und krisenfeste Renditen – selbstständige Landwirte, die einen Hof übernehmen oder ihren eigenen erweitern wollen, haben dann das Nachsehen.
An einer Lösung für dieses Problem wird schon länger geschraubt. Zu lange, sagt Miriam Staudte. 2015 hatte eine Bund-Länder-Kommission die Grundlagen für eine Neuregelung der Bodengesetze festgezurrt, die allerdings in wesentlichen Teilen Sache der Länder ist. Die aktuelle Landesregierung hatte dies in ihrem Koalitionsvertrag 2017 auch angekündigt – vorgelegt wurde der Gesetzentwurf aber noch nicht.
Deshalb haben jetzt die Grünen ihren Gesetzentwurf noch einmal entstaubt. Den hatte der damalige grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer vorgelegt. Zur Beratung gelangte er allerdings nicht mehr, weil dann überraschend Neuwahlen anstanden.
„Share Deals“ sollen erschwert werden
Mit dem nun noch einmal überarbeiteten Gesetzentwurf zur Agrarstrukturreform versuchen die Grünen an verschiedenen Punkten Pflöcke einzuschlagen. So sollen zum Beispiel die sogenannten Share Deals besser erfasst werden. Bei Share Deals erwirbt der Investor nicht den Boden selbst, sondern die Mehrheitsanteile an der (oft eigens gegründeten) Gesellschaft, der dieser Boden gehört.
Damit spart er die Grunderwerbssteuer, denn die wird erst fällig, wenn sein Anteil bei über 90 Prozent (bis vor Kurzem 95 Prozent) liegt. Solche Deals führen vor allem auch dazu, dass es kaum noch möglich ist, einen Überblick darüber zu bekommen, wie die tatsächlichen Besitzverhältnisse sind – im Grundstückskataster bleibt der Alteigentümer stehen, während sich die Spur der Beteiligten in verschachtelten Unternehmenskonstruktionen verliert.
Damit werden nicht nur Steuern gespart, sondern gleich mehrere gesetzliche Regelungen unterlaufen, die sicherstellen sollen, dass Bodeneigentum breit gestreut bleibt. Die Grünen fordern deshalb, die Bestimmungen im Bodenverkehrsgesetz noch einmal deutlich zu verschärfen, um sicherzustellen, dass ortsansässige Bauern ein Vorkaufsrecht haben und Konzentrationsprozesse auf ein verträgliches Maß gedrosselt werden.
So soll der Verkauf untersagt werden können, wenn er an branchenfremde Investoren oder Betriebe mit ohnehin schon marktbeherrschender Stellung geht. Außerdem sollen Kauf- und Pachtpreise gedeckelt werden.
Andere Parteien wittern schon Klagen gegen das Gesetz
Ob dies so ohne Weiteres möglich ist, bezweifeln allerdings die anderen Parteien. Immerhin beißen sich solche Eingriffe ganz erheblich mit dem Grundrecht auf Vertragsfreiheit, dem Verfügungsrecht über das eigene Eigentum, dem Kapitalverkehrsfreiheitsgesetz und der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU.
Das hält nicht nur Helmut Dammann-Tamke (CDU) den Grünen entgegen. Der Entwurf sei handwerklich schlecht gemacht und würde keiner Klage standhalten, sagt er. Es habe seinen Grund, warum sich auch andere Länder damit schwer tun.
Darüber, wie die Regierungskoalition diese Probleme zu lösen gedenkt, schweigt er. Angeblich befinde sich der Gesetzentwurf aber in den letzten Zügen der Abstimmung und werde bald zur Verfügung stehen. Die Debatte darüber, an welchen Stellschrauben wie gedreht werden kann und muss, wird so lange im zuständigen Fachausschuss fortgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos