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Landgericht urteilt zu BöhmermannTeile der „Schmähkritik“ verboten

Das Landgericht Hamburg erlässt eine einstweilige Verfügung gegen Jan Böhmermann. Er darf Teile des Gedichts über Erdoğan nicht öffentlich wiederholen.

Darf den größeren Teil des Gedichts nicht wiederholen: Böhmermann Foto: dpa

Hamburg dpa | Das Landgericht Hamburg hat auf Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine einstweilige Verfügung gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann erlassen. Das teilte das Gericht am Dienstag mit. Dabei geht es um das Gedicht „Schmähkritik“, das Böhmermann am 31. März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen hatte. Mit seiner Entscheidung hat das Gericht dem Antrag des türkischen Staatsoberhauptes teilweise stattgegeben.

Böhmermann (35) darf den größeren Teil des Gedichts nicht wiederholen. Dabei geht es um Passagen, die Erdoğan angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nach Einschätzung des Gerichts nicht hinnehmen müsse (Az.: 324 O 255/16). Im Fall einer Zuwiderhandlung drohen nach Angaben des Gerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.

Das Gericht habe zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers abwägen müssen. In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung handele oder die Menschenwürde angetastet werde. Böhmermanns Gedicht überschreite diese Grenze in bestimmten Passagen, die schmähend und ehrverletzend seien, so das Landgericht.

Die übrigen Teile setzten sich in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Das türkische Staatsoberhaupt trage politische Verantwortung und müsse sich auch harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Hinzunehmen sei auch, dass Böhmermann sich in satirischer Form über den Umgang Erdoğans mit der Meinungsfreiheit lustig mache.

Der Anwalt des türkischen Staatspräsidenten, Michael von Sprenger, teilte dazu mit: „Das Gericht hat festgestellt, dass die Äußerungen im „Gedicht“ zweifelsohne schmähend und ehrletzend sind und es sich nicht um eine Geschmacksfrage handelt.“ Der Anwalt Jan Böhmermanns, Christian Schertz, kommentierte die Entscheidung so: „Wir halten den Gerichtsbeschluss in der konkreten Form für falsch, wenngleich er insbesondere die Aussagen, die den Umgang von Erdogan mit der Meinungsfreiheit in der Türkei betreffen, für zulässig erachtet hat.“

Das Gericht gehe richtigerweise davon aus, dass es sich bei dem Gedicht um Kunst und eine Satire handle. Es mache dann aber den Fehler, bestimmte Aussagen solitär herauszugreifen und zu verbieten, die es als herabwürdigend empfinde. „Das geht im Bereich der Kunstfreiheit nicht.“

Die aktuelle Entscheidung zum Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Böhmermann ist nach Angaben eines Landgerichts-Sprechers unabhängig von den Verfahren, die Böhmermann auf Grundlage des Paragrafen 185 wegen Beleidigung und des Paragrafen 103 wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes noch drohen können.

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8 Kommentare

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  • das ist so als würde man eine Schere nehmen und die Brüste aus Bildern ausschneiden. Das "Kunstwerk", in seiner Allgemeinheit wäre zerstört, das Werk nicht mehr erkennbar.

    • @Sascha:

      Es ist nicht so, dass die beanstandeten Schmähungen zwangsläufig aus dem Begriff "Kunst" herausfallen. Aber auch anerkannte Kunst kann so stark in Grundrechte eines Anderen eingreifen, dass das Grundrecht der Kunstfreiheit sie nicht mehr deckt. Man nennt diese Abwägung der Grundrechte untereinander "praktische Konkordanz".

       

      Ist ein also Kunstwerk, das die Kunstfreiheit überschreitende Elemente enthält, nicht teilbar, kann man es nur insgesamt verbieten. Das Gericht hat sich im Fall des Gedichts nur für ein milderes Mittel entschieden.

  • Interessant wäre die Begründung des Gerichts im Wortlaut.

     

    Das Gericht hält die Aussage von B. dass Ziegenficker etc. verbotene Schmähkritik ist, für unzulässig???

  • Aber doch hoffentlich nicht den Teil mit den Ziegen. Komm Erdo, der ist doch lustig.

  • Ich dachte immer, die Würde des Menschen sei unantastbar? Wie kann dann die des Herrn Professor Erdogan angetastet werden?

  • Es ist nur eine einstweilige Verfügung. In der Sache selbst hat das Gericht damit gar nicht geurteilt.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Na so was.

    Tut mir aber in echt leid.

    Muss doch endlich auch mal was von diesem Böhmermann angucken.