Landesversammlung der Saar-Linken: Oskars letztes Gefecht
Die Linken im Saarland wählen Thomas Lutze zum Spitzenkandidaten. Der Lagerkrieg im bislang erfolgreichsten West-Landesverband geht weiter.
Zuvor hatte der Landesvorstand unter Lutzes Vorsitz Lafontaine und die frühere Landesvorsitzende Astrid Schramm sogar zum Parteiaustritt und Mandatsverzicht aufgefordert, weil sie eine Schlammschlacht inszenierten. Am Ende einer schmutzigen Personaldebatte mit gegenseitigen Vorwürfen siegte das Lutze-Lager. Mit 199 zu 150 Stimmen setzte sich der Bundestagsabgeordnete gegen den 27-jährigen Landtagsabgeordneten Dennis Lander durch.
Lutze bezeichnete nach seiner Wahl das Ergebnis als klares Signal auch an Oskar Lafontaine und erinnerte an den Beschluss des Landesvorstands. Von Lafontaine erwarte er ohnehin keine Unterstützung: „Er hat bei den letzten Bundestagswahlen keinen Wahlkampf gemacht, ich erwarte auch diesmal nichts von ihm“, sagte Lutze und fügte hinzu, ab sofort sei die Partei im Wahlkampfmodus. Auf taz-Nachfrage ließ er gleichwohl eine Tür offen: „Jeder ist eingeladen, wir kleben auch Oskar-Plakate.“
„Absurd“ nannte der unterlegene Kandidat Dennis Lander diese Sätze. Lander war geschlossen von der Landtagsfraktion und vom Linken-Jugendverband Solid unterstützt worden. Er habe ein Angebot für einen Neuanfang gemacht und immerhin hätten mehr als 40 Prozent der Mitglieder dafür votiert. Der junge Landtagsabgeordnete wertete das Ergebnis als Ermutigung, sich weiter für einen Neuanfang und für die Überwindung der Spaltung in verfeindete Lager einzusetzen. Er werde auch erneut für die Landtagswahl im nächsten Jahr kandidieren.
Die Fragen, ob Lafontaine noch einmal antrete und warum er dieser wichtigen Parteiversammlung ferngeblieben sei, konnte Lander nicht beantworten. „Ich hätte mich gefreut, wenn er gekommen wäre“, sagte er auf taz-Nachfrage.
Kommt er oder kommt er nicht?
In beiden Lagern war vor Beginn der Versammlung über Lafontaine spekuliert worden. Udo Reden, Fraktionsvorsitzender der Linken im Rat der Gemeinde Bous, hatte wohl die weiteste Anfahrt. Der 64-jährige ehemalige Krankengymnast war von seinem Coronaexil in einem Wohnwagen an der Côte d’Azur nach Neunkirchen gereist. Thomas Lutze, sein Genosse aus PDS-Zeiten, habe ihn angerufen, weil es knapp werden könnte. Da sei er natürlich gekommen.
Er hatte den richtigen Riecher. „Wenn der Oskar nicht kommt, dann hat der Thomas gewonnen. Dann hat Lafontaine nicht genug GenossInnen für seinen Kandidaten mobilisieren können“. Dass Lutze 2017 Stimmen gekauft und Mitgliederlisten manipuliert haben soll, tut Reden als Intrige des Lafontaine-Lagers ab.
Auch Walter Kappmeier sieht das so. Der 77-jährige pensionierte Oberstudienrat ist seit 2003 bei den Linken. Immer wieder hätten Lafontaine und seine MitstreiterInnen solche Vorwürfe bedient. „Sie sind den Beweis schuldig geblieben!“, erregt er sich im Gespräch mit der taz und nennt Lafontaine einen „absoluten Egomanen“. Er werde die Partei verlassen, sollte sich Lafontaine durchsetzen. „Haltet schon mal Austrittsformulare bereit“, hatte er bei seiner Registrierung den ParteimitarbeiterInnen zugerufen.
Ebenso entschlossen traten Lutzes GegnerInnen in der Partei auf. Als Landesvorsitzender habe dieser „satzungswidrig“ den Parteirat seit Jahren nicht mehr einberufen, sagte ein Mitglied. „Was wäre die Partei ohne Oskar Lafontaine?“, rief eine andere in der emotional geführten Debatte, in der es wenig um Inhalte und viel mehr um gegenseitige Vorwürfe ging. „Schämt Euch und packt ein!“, kommentierte eine erboste Kreisvorsitzende die Rücktrittsforderung gegen Lafontaine.
Ein führender Genosse, der sich vor der Versammlung intern um eine Versöhnung zwischen den Lagern bemüht hatte, sprach von zwei Zügen, die aufeinander zugerast seien. Oskar Lafontaine meldete sich selbst per Pressemitteilung. „Gegen das System manipulierter Mitgliederlisten und fingierter Beitragszahlungen haben normale Mitglieder keine Chance“, polterte Lafontaine und forderte den Bundesvorstand auf, „diesen Betrügereien ein Ende zu bereiten.“
Der Kampf geht also weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken