Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften: Der Senat lässt die Mieten steigen
Die neue Kooperationsvereinbarung mit den Wohnungsbaugesellschaften verzichtet auf viele Sozialvorgaben. Mieten dürfen um 2,9 Prozent steigen.
Die Gesellschaften zeigten sich angesichts der neuen Möglichkeiten, die ihnen SPD und CDU gewähren, zufrieden. Bei der Vorstellung der von 14 auf 3 Seiten geschrumpften Vereinbarung am Montag sprach Jörg Franzen, Gesobau-Vorstand und Sprecher der 6 Wohnungsbaugesellschaften, von „konstruktiven Verhandlungen“; lediglich 2 Termine habe es für die Einigung benötigt.
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) benannte den „Zielkonflikt“ zwischen bezahlbaren Mieten und wirtschaftlich arbeitenden Gesellschaften. Deren Anforderungen seien neben der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum auch die energetische Sanierung der Bestände bis 2045 und der Neubau von jährlich 6.500 Wohnungen. Die Kosten hierfür seien, auch durch das erhöhte Zinsniveau, stark gestiegen. Die Beschränkung der Mieterhöhungen zuletzt sei „richtig und wichtig“ gewesen, so Gaebler, „stoße nun aber an ihre Grenzen“.
Der Senator, dessen Partei sich noch am Samstag für eine Verlängerung des Mietenstopps ausgesprochen hatte, verteidigte die neuen Regelungen. Diese seien „keine übermäßige Belastung“. Zudem enthalte die Vereinbarung ein „Leistbarkeitsversprechen“. Demnach sollen Mieter:innen nicht mehr als 27 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens zahlen müssen. Bislang lag diese Grenze bei 30 Prozent. In der Praxis aber haben nur wenige Mieter:innen davon Gebrauch gemacht.
15 Euro Neubau
Mehr Beinfreiheit gestattet der Senat Degewo, Howoge & Co. auch in anderen Bereichen. So dürfen die Gesellschaften bei Erstvermietung künftig 15 Euro pro Quadratmeter verlangen. In der letzten Kooperationsvereinbarung waren noch 11,50 Euro festgelegt. Gewobag-Vorständin Snezana Michaelis bezeichnete dieses Mietniveau als „alternativlos“. Es gehe darum, dass sich Neubauvorhaben „aus sich selbst heraus tragen“. Möglich ist den Unternehmen zukünftig zudem eine Umlage von 2 Euro pro Quadratmeter bei energetischer Sanierung.
Bei Neu- und Wiedervermietung sinken derweil die Quoten für arme Mieter:innen. Bei Neubauprojekten sollen 50 Prozent der Wohnungen mietpreisgebunden sein, bei Wiedervermietung 63 Prozent an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein (WBS) gehen. In beiden Fällen sollen diese aber nur noch zum Teil an besonders einkommensschwache Mieter:innen mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein 140 gehen, zum anderen an Mieter:innen mit mittlerem Einkommen und einem WBS 220, das einem Nettoeinkommen von 2.200 Euro für einen 1-Personen-Haushalt entspricht.
Entsetzen bei Mieterschützern
Die Kritik des Mietervereins fiel vernichtend aus: Die Vereinbarung für leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung, wie sie heißt, „verdiene ihren Namen nicht mehr“ und sei eine „wesentliche Verschlechterung für alle Mieter:innen“. Sie sei ein „Geschenk an die Wohnungsunternehmen“, während besonders Menschen mit kleinen Einkommen „benachteiligt“ werden. Der Mieterverein hatte – ungehört – gefordert, dass drei Viertel der Wohnungen an einkommensschwache Haushalte gehen.
„Der Senat vollzieht den sozialen Kahlschlag für die 350.000 öffentlichen Wohnungen“, kommentierte der mietenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schenker. Angesichts steigender Kosten sei es „unverantwortlich, dass die Mieten um fast 9 Prozent bis zum Ende der Legislaturperiode steigen sollen“. Es sei „lächerlich“, dass SPD-Fraktionschef Raed Saleh noch am Wochenende das Motto „Keine Koalition ohne Mietendeckel“ ausgab, nun sein Senator die Mieten erhöhe.
Die Grüne Katrin Schmidberger wies darauf hin, dass im Wohnungsbündnis mit den Privaten eine maximale Mieterhöhung von 2 Prozent für einkommensschwache Haushalte vereinbart war. Nun hielten sich nicht einmal mehr die Landesgesellschaften daran: „Damit beerdigt der Senat nun endgültig sein eigenes Bündnis.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo