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Länderspiel Deutschland-TürkeiAbseits für Sarrazin

Alles, was man über das Spiel des DFB-Teams gegen die Türkei wissen muss. Sieben Antworten auf sieben Fragen helfen weiter - auch in der Integrationsdebatte.

Was hat das Länderspiel Deutschland gegen die Türkei mit Thilo Sarrazin zu tun? Einiges. Bild: kallejipp/photocase

1. Hat das DFB-Team im Berliner Olympiastadion denn überhaupt ein Heimspiel?

Manager Oliver Bierhoff veranschlagte die Zahl der türkischen Fans, die Freitagabend (Anstoß 20.45 Uhr) ins Stadion gehen werden, bei 30.000. Bundestrainer Joachim Löw rechnet sogar mit 40.000 Türken. Die Nachfrage von türkischer Seite war riesig, doch der DFB sorgte dafür, dass es auch so etwas wie einen deutschen Fanblock geben wird. Vorm Spiel wird dort ein Transparent mit der Aufschrift "Heimspiel" entrollt, damit keine Missverständnisse aufkommen. Vor fast genau elf Jahren in München, als es zum letzten Aufeinandertreffen beider Fußballnationen in Deutschland kam, gingen deutsche Fans recht souverän mit der Überzahl türkischer Anhänger um. Sie skandierten "Auswärtssieg, Auswärtssieg", was damals allerdings nur ein frommer Wunsch blieb. Man trennte sich 1999 torlos.

2. Hat Mesut Özil sich richtig entschieden?

Aufgewachsen in Gelsenkirchen, ausgebildet in den Schulen des DFB, spielt Özil fürs deutsche Team - im Gegensatz zu den Altintop-Brüdern oder Nuri Sahin. "Ich bin in der dritten Generation hier", sagt Özil, "ich bin stolz, Deutscher zu sein." Er sei ja "irgendwie so ein Beispiel für Integration". Das hätte fast nicht geklappt, denn in Köln gibt es eine Außenstelle des türkischen Verbandes. Die dortigen Mitarbeiter erspähen deutschtürkische Talente und führen sie der Zentrale am Bosporus zu. Dass sie bei Özil auf Granit bissen, hat wohl viel mit dessen karrieristischem Weitblick zu tun.

3. Aber wieso spielen dann die Altintops für die Türkei?

Obsiegte im Fall von Özil der Verstand, so ließen die Altintops ihr Herz entscheiden. Nichts anderes als das türkische Trikot habe er als gestandener Profi überstreifen wollen, verriet Hamit Altintop dieser Tage in einem Interview mit der SZ. Er ließ in dem Gespräch allerdings auch durchscheinen, dass er Schicksalsgenossen, die nicht seinem Weg gefolgt sind, als Konvertiten ansieht, Özil zum Beispiel. O-Ton Altintop: "Als deutscher Nationalspieler hat Mesut mehr Lobby, einen höheren Marktwert, er verdient mehr Geld. Hätte er sich für die Türkei entschieden, hätte er keine WM gespielt und wäre jetzt nicht bei Real Madrid. So einfach ist das." So unrecht hat er damit natürlich nicht.

4. Was hat das DFB-Team mit Thilo Sarrazin zu tun?

Indirekt beteiligt sich die Nationalmannschaft an der Debatte: Löws Kicker treten feinsäuberlich in die Fußstapfen von Bundespräsident Christian Wulff, der Muslime nicht diffamieren, sondern beteiligen will. Folglich wird im DFB nur von "türkischen Freunden" gesprochen. Löw lobt "Gastfreundschaft, Herzlichkeit und den positiven Fanatismus der Fußballfans". Kurzum: Man ist ganz den hehren Idealen von Völkerfreundschaft, Respekt und Toleranz verpflichtet. Nichts anderes erwartet man von Trägern des Bundesverdienstkreuzes, das sie sich dieser Tage bei Wulff und Merkel abgeholt haben.

5. Wie will Löw den Ausfall von Bastian Schweinsteiger kompensieren?

Alles kein Problem, sagt der Coach, er habe zwei, drei Alternativen. Entweder spielt Christian Träsch neben Sami Khedira im defensiven Mittelfeld oder Thomas Müller - oder Toni Kroos. Alles ist möglich. Khedira sagt: "Egal, wer mein Nebenmann ist, ich setzte mich 100 Prozent für das Team ein." So ist es brav.

6. Gibt es Neues in der Kapitänsfrage?

Lahm trägt die Binde bis auf weiteres, Ballack ist eh verletzt. Er wird erst 2011 wieder richtig Fußball spielen können. Der Konflikt ist also vertragt. Gut möglich, dass Löw sich wegen der Verletzungsmisere des 34-Jährigen gar nicht mehr als Schlichter profilieren muss.

7. Wie geht es nach dem Türkei-Spiel eigentlich weiter?

Der Tross der Nationalmannschaft wird am Montag mit der Lufthansa-Maschine 5010 nach Astana fliegen. Astana liegt in Kasachstan. Am Dienstagabend (19 Uhr, ZDF) spielt das DFB-Team gegen die kasachische Elf, wiederum EM-Qualifikation. Das klingt nach leichter Beute, denn Kasachstan hat bisher seine zwei Spiele in der Gruppe A verloren. Tordifferenz: 0:5.

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22 Kommentare

 / 
  • EP
    Ewald Pankratz

    Man zuendelt solange bis man dann "Recht" hat.

     

    Weiss jemand hier das ueber 100.000 Tausend deutsche Experten in die Tuerkei gezogen sind und dort ein besseres Leben haben als in der BRD?

     

    Die Tuerkei waechst wirtschaftlich und man braucht auch keine 3-klassige EU Mitgliedschaft wie die Osteuropaeer sie geniessen.

     

    Die Erde gehoert uns allen und wir sind auch alle fuer diese Erde verantwortlich. Konzentriert euch mal lieber darauf wie man das amtierende System das sich einen Dreck um die Verfassung schert, friedlich entfernt.

  • VP
    Von Peter

    Habe grade Spiegel TV zu diesem Spiel geschaut. Erschreckend ist die Realität... von Integration haben unsere türkischen Freunde noch nichts gehört; es viel sogar das Wort "Hurensohn" aus türkischer Kehle - gemeint war Özil... bitte schaut Euch den Betrag im Internet an. Es macht einfach sprachlos.

     

    lg Peter

  • H
    htrunz

    Hurra, Friede, Freude, Eierkuchen.

  • E
    Erich

    Ich verstehe auch nicht warum Özil von vornerein einen "karrieristischen Weitblick" unterstellt wird. Ich halte es für sehr unseriös dies einfach so als Motiv für seine Entscheidung faktisch darzustellen, dabei nicht einmal wissen ob dies oder was sonst die wahren Hintergründe sind. Schließlich hat Özil schon seinen türkischen Pass abgegeben, als noch nichtmal ansatzweise sicher war, dass er je Stammspieler in der Nationalmannschaft sein wird.

    Darf eine Person mit Migrationshintergrund sich nicht so integriert fühlen, dass sie auch das Land, indem sie lebt, auch im Sport vertreten darf, ohne dass ihr dabei gleich "Lobby, Gehalt und Karriere" als Gründe vorgeworfen wird?

  • SP
    Siggi Pop

    Schon klar,dass ein Taz-Redakteur den Werdegang von Mesut Özil nicht gutheissen kann und schlecht macht.Sobald ein Mensch mit Migrationshintergrund auf eigenen Füssen steht,sogar noch richtig Erfolg hat,wird er dem Gutmenschen suspekt.Er ist dann als potentieller Opferdarsteller nicht mehr brauchbar..Niemand mehr, den man am Händchen nehmen kann,um ihm zu sagen,was gut oder schlecht für ihn ist...Auch niemand mehr,den man vor den bösen Einheimischen zu schützen braucht.

  • P
    Peter

    Mittlerweile war ja das Spiel und wir haben gesehen, wie Özil von den eigenen Landsleuten, die sich als einer anderen Nationalität gegehörig fühlen, ausgepfiffen wurde.

     

    In der Tat: Gelungene Integration, nämlich von Teilen Berlins in die Türkei.

  • D
    drsachsenstein

    Peinlich, peinlich, Herr Völker, da wollten Sie so weltoffen sein und es kommt nur Blut und Boden dabei raus. Ja, man kann in andere Länder einwandern und sich dort heimisch fühlen. Oder haben Sie ein genetischen Ansatz? Türkische Großeltern bedeuten also für immer und ewig in allen Generationen türkisch zu bleiben, egal wo hin man migriert ist?

  • K
    Klaus

    Dr. Thilo Sarrazin hat nicht auf dem Platz gestanden.

     

    Seine Faktensammlung ist jedoch überzeugend (manche wollen die Wahrheit nur nicht hören), und das Fußballspiel hat heute die bessere, deutsche National-Elf 3:0 gewonnen.

    Nicht zu letzt dank immigrierter Polen und Türken.

  • C
    chefmat

    interresiert doch eh keinen mehr in 2000 jahren

  • A
    Alcibiades

    Warum wird Herrn Altintop niemals unterstellt auch er habe sich nur aus Karrieregründen für die türkische Nationalmannschaft entschieden? Für einen Platz in der deutschen Nationalmannschaft hätte es bei ihm in der Vergangenheit doch leistungsmäßig gar nicht gereicht.

  • W
    weihnachtsmann

    Hallo

    ich hab die komentare hier gelesen....ob özil entscheidet wegen kohle oder aus dem herzen herraus spielt doch keine rolle.....es ist ja seine entscheidung...die rechtens ist..fußball ist fußball politik ist politik....was das alles mit Sarrazin zutun hat verstehe ich nicht..ja ich hab sein buch gelesen...und er hat recht mit dem was er schreibt von der ersten bis zur letzten seite für mich hat das was mit realismus zutun und nicht was mit ausländerfeindlichkeit...ganz im gegenteil auch die integrieten zahlen steuern und müssen für ihre nicht integrierten mit bezahlen...ich sag nur eins ein hoch auf Sarrazin ...der hat mut und schneid und ist auch noch klug......

  • S
    Seinfeld

    Müller wurde von Löw als Alternative für die Sechser-Position genannt?

  • D
    Daniel

    Seehr geehrte taz.de Redaktion,

     

    wieso bringt man immer wieder Herrn Sarrazin bei Themen ins Gespräch, die nichts mit seinen Aussagen gemein haben? Haben Sie das Buch überhaupt gelesen?

    Mir fehlen mal wieder die Worte wenn ich Artikel dieser Art lese... Wann werden unsere Medien endlich wieder wertfreihe und warheitsgemäße Berichterstattungen abgeben?

     

    Ich wollte mich eigentlich nur über das Spiel heute Abend informieren und schon werde ich wieder mit dem Thema Integration konfrontiert.

     

    MfG

  • HB
    h. borst

    ach kommt leute, abseits für sarrazin? das ist doch ganz billige polemik.

     

    notice: um die integrierten gehts sarrazin nicht.

    und auch wenn ihr persönlich nur bestens integrierte kennt, überlegt mal, warum das so ist: richtig! weil die nichtintegrierten mit euch nicht in kontakt kommen und ihr nicht mit ihnen.

  • K
    Kommentator

    warum nicht gleich n ründchen völkerball bei soviel ethnopluralismus-tamtam?

     

    aber in sachen nationalismus sind "uns" "die türken" ja auch noch in der 3. Generation "überlegen".

    Klar Graue Wölfe kennt man halt nicht und Nazis mag man nicht, aber Rechtspopulisten und Fussballpatrioten sind "wir" (und "die") doch alle ein bisschen.

     

    Endlich wieder Brot und Spiele!!

    Nur nicht denken müssen.

  • J
    JML

    Muss Herr Völkel für dieses unsinnige Geschreibsel in der TAZ-Journalisten-Akademie eigentlich nachsitzen?

  • OK
    Oliver Kröger

    zu Überschrift und Punkt 4: Wie wirr ist denn bitte das Konstrukt, hier schon wieder einen Bezug zu Sarrazin zu sehen? Ist das Reizwort S******* noch nicht ausgeschöpft?

     

    Irgendwie kläglich.

  • S
    Sarrazin

    Özil macht mit seiner Entscheidung Karriere. Er singt weder die Hymne, noch fühlt er sich als Deutscher. Er macht das taktisch richtige. Er ist Fußbaltaktiker und ein echt guter. Da ist Altintop viel ehrlicher. Er sagt es ist Türke und deshalb spielt er für die Türkei. Ohne nationalmannschaft wäre Özil nicht bei Real. das weiß jeder, er am besten. Ich empfehle mal das Interview mit Altintop in der Süddeutschen zu lesen. Übrigens: Die Freundin von Üzil ist total freiwillig zum Islam konvertiert. Interessant was los wäre wenn Özil Christ geworden wäre.

  • H
    herbert

    Sorry Leute - aber so geht es nicht! Wenn Herr Özil "Stolz ist ein Deutscher zu sein", dann sollte man ihm das auch glauben, anstatt (typisch tazlerische Deutschfeindlichkeit) ihm Karrieremotive zu unterstellen. Immerhin hat Herr Özil (mit seinem Vater) schon vor mehreren Jahren, als er noch in der U17 spielte ein Interview gegeben, in dem er über seine Motive sprache, für Deutschland und nicht für die Türkei zu spielen.

     

    Entweder schlecht recherchiert oder schlicht nicht hingesehen, taz!

  • P
    Patrick

    Auch die Altintops und Sahin leben hier in der 3. Generation, sind in deutschen Vereinen ausgebildet worden, sind auf deutsche Schulen gegangen und tragen ihn ihrem Herzen die Türkei. Genau das stell ich mit unter gelungener Integration vor :-).

    Und Özil, der sich für das Land entschieden hat in dem er aufgewachsen, werden lediglich kapitalistische Motive unterstellt. Ganz ehrlich, da fehlen mir die Worte..........

    Noch ne Frage an den Reporter, der sich ja mit der Thematik DFB und Türken auseinandergesetz hat: Ist es rechtlich möglich, vom türkischen Fußballverband (im Spiel um Platz 3 bei der WM 2002 in Japan/Südkorea standen bei der Türkei 9 Spieler in der Startelf, die in Deutschland aufgewachsen sind und hier ausgebildet wurden) ne Ausbildungsentschädigung für perfekt ausgebildete Profifußballer zu verlangen?

  • L
    Lars

    Es ist doch recht erbärmlich, daß Ihr Özils Entscheidung, für die deutsche Nationalmannschaft (und somit für Deutschland) zu spielen, "mit dessen karrieristischem Weitblick" begründet. Da rufen alle vernünftigen Stimmen, Deutsche und Migranten (mehrheitlich Türken und Moslems) sollten sich einander annähern, und da entscheidet sich eine der größten Hoffnungen des deutschen Fußballs, dieses Land international zu vertreten. Und Euch fällt nichts Besseres ein, als es so zu begründen, er habe nicht "sein Herz entscheiden lassen".

     

    Liebe Leute von der taz, könnt Ihr nicht vorstellen, daß ein Migrant tatsächlich "stolz ist, Deutscher zu sein"? Mann, Mann, Mann, hat der Verfasser dieses Artikels zu sehr Sarrazins Buch gelesen? Oder woher kommt dieser dämliche Rassismus?

  • M
    Mesut

    Zu 1.: Das Spiel ist erst am Freitag, 8.10.2010, Uhrzeit stimmt.

     

    Zu Mesut Özil: Lassen sie ihn doch in Ruhe. Schreiben sie nur bei der Taz, weil Sie keine andere Zeitung nimmt, oder aus Überzeugung? Ist Ihre Sache? Stimmt! Vielleicht war es Herz, vielleicht Verstand, vielleicht beides.

     

    Beste Grüße