Lady Brendas Spinnen-Brosche: Das Symbol der phallischen Mutter
Alle rätseln über die Brosche, die Lady Brenda Hale trug, als sie die Unrechtmäßigkeit der Parlamentspause verkündete. Aber was bedeutet sie wirklich?
Ob Lady Brenda Hale wusste, was einst der Wegbereiter der Psychoanalyse Karl Abraham über die Spinne schrieb, als sie die Unrechtmäßigkeit der von Boris Johnson verhängten Parlamentspause verkündete und dafür jene Spinnenbrosche anlegte, über die seit Tagen nicht nur England, sondern die ganze Welt spricht?
Die Spinne, so Abraham, sei ein Symbol der Mutter, der phallischen Mutter, vor der man sich fürchte. Die Angst vor der Spinne drücke den Schrecken vor dem Mutterinzest und das Grauen vor dem weiblichen Genital aus. Abrahams Thema war die Spinne als Traumsymbol. Ob nun Lady Hale Boris Johnson als sein eigener Albtraum entgegentreten wollte, ist unklar, aber möglich.
Die Brosche ist ein merkwürdiges Ding. In der Liste der gründlichen Antiaphrodisiaka belegt sie gleich hinter dem Fußkettchen einen der vordersten Plätze. Die erste Frau und Oberste Richterin am britischen Supreme Court hat die Brosche zu ihrem Erkennungszeichen gemacht. Ob Spinne oder Frosch, ihre Sammlung an viel zu großen Tierbroschen ist beachtlich. Ich stelle mir vor, wie diese Frau morgens vor ihrer Schmuckschatulle steht und entscheidet: Raupe oder Libelle? Nach welchem Prinzip läuft das ab? Und ist eine Tierfreundin, wer mit solchen Provokationen des Todes sich schmückt?
Bemerkenswert ist ihr Maß an Exzentrik an einem an sich recht unexzentrischen Ort – sieht man mal von schrägen Krawatten, unpassenden Posen und unflätigem Verhalten ab, die man kennt aus dem britischen Politikzirkus, wo doch eines auffällt: Die Guten bringen ihre Exzentrik über die Kleidung zum Ausdruck und die Bösen über eine Art Körperexpressionismus aus schlagenden Armbewegungen, mangelnder Impulskontrolle und wirrem Haar. Da sieht man mal, was von was kommt in der angelsächsischen Tradition von Individualismus und Protestantismus.
Oder wie einst Walter Benjamin in anderem Zusammenhang formulierte: „Der Eindruck des Altmodischen kann nur entstehen, wo auf gewisse Art an das Aktuellste gerührt wird.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter