„Lady Bird“-Regisseurin bei den Oscars: Gerwig könnte Geschichte schreiben
Sie wäre die zweite Frau in der Oscar-Historie, die als Regisseurin ausgezeichnet wird. Zudem wäre sie die erste Debütantin.
Von den vielen Weisen, auf die am Sonntag Oscar-Geschichte geschrieben werden könnte, würde ihr Triumph gleich mehrere abdecken: Greta Gerwig wäre in 90 Jahren Oscar-Verleihung erst die zweite Frau, die einen Regie-Oscar gewinnt (nach Kathryn Bigelow für „Hurt Locker“), aber die erste, der das als Regiedebütantin gelingt. Sollte der von ihr inszenierte und geschriebene „Lady Bird“ (Gerwig ist auch für das Drehbuch nominiert) in der Kategorie Bester Film gewinnen, wäre das nach „Hurt Locker“ ebenfalls erst das zweite Mal, das einem von einer Frau realisierten Film diese Ehre zukommt. Die noch interessantere Statistik dabei ist, dass die Academy mit „Lady Bird“ erstmals seit Sydney Pollacks „Jenseits von Afrika“ 1986 wieder einen Film auszeichnen würde, in dem es zuvorderst um das Leben und Erleben von Frauen geht!
Denn das macht zugleich die Gewöhnlichkeit und die Radikalität von „Lady Bird“ aus: die Selbstverständlichkeit, mit der hier eine 17-Jährige und ihre völlig alltäglichen Konflikte im Zentrum stehen. Die Entfremdung von der besten Freundin, das Gezanke mit der nörgelnden Mutter, das Stolpern über die eigenen Ansichten und Wünsche.
Weshalb prompt auch „Lady Bird“ in den letzten Tagen vor der Preisverleihung noch von einer Art „Backlash“ erwischt wurde: zu nichtig sei das Thema, zu unauffällig und gewöhnlich der ganze Film, der die ohnehin breite Spur des Coming-of-Age-Genres nur wenig ausweite. Das Schöne ist nun, dass solche „Vorwürfe“ an Greta Gerwig völlig abprallen. Selbst wenn sie und ihr fünffach nominierter Film am Sonntag leer ausgehen sollten, wird die 34-jährige Kalifornierin eine der prägenden Figuren des „aktuellen Moments“ bleiben.
Bei den angeblich zu erwartenden „politischsten“ Oscars je, erschöpft sich das Politische ja schnell in der Frage der Repräsentation – nicht wenige würden es genau aus diesem Grund begrüßen, wenn statt der „zweiten Frau“ mit Jordan Peele für „Get Out“ tatsächlich der „erste Schwarze“ den Regie-Oscar bekäme. Dass man sich Gerwig bei der eventuellen Niederlage mit einem lockeren Schulterzucken vorstellt, hat damit zu tun, was sie über das bloße Frausein hinaus repräsentiert. Oder, besser gesagt, was sie eben nicht repräsentiert.
Mit den üblichen Hollywood-Kategorien ist Gerwig schlecht zu vermarkten. Als ehemalige „Königin des Mumblecore“ stand sie emblematisch für eine Independent-Filmbewegung, die ausgerechnet das Herumstottern zu ihrem Aushängeschild machte. Für Gerwigs spezifischen, ungekünstelten Ausdruckstil aber war es die ideale Umgebung, um sich zu bewähren, wobei sich ihr Auftreten vor der Kamera als Begleiterscheinung ihres Interesses am Schreiben und Filmemachen ergab – Gerwig hat keine Schauspielschule besucht.
Den Männern an ihrer Seite war sie stets mehr als nur Muse: mit „Mumblecore“-Veterane Joe Swanberg verband sie eine reine Arbeitsbeziehung, für zwei ihrer Filme mit Lebensgefährte Noah Baumbach hat sie das Drehbuch mitgeschrieben. Vor den Fallstricken dessen, was #MeToo beklagt, scheint sie das Independent-Milieu bewahrt zu haben, und zu Woody Allen, in dessen „To Rome With Love“ sie mitspielte, nahm sie nach anfänglichem Zögern zuletzt doch noch Stellung („wissend, was ich heute weiß, würde ich nicht mehr die gleiche Entscheidung treffen“): es ist gerade die Haltung des interesselosen, aber solidarischen Danebenstehens, das sie so sympathisch erscheinen lässt, egal an wen die Oscars letztlich gehen werden.
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