La République en Marche in der EU: Macrons großes Europaprojekt startet

Frankreichs Regierungspartei hat mit Bürgerbefragungen begonnen. Die Ergebnisse könnten in ein Programm für die Europawahl einfließen.

Jemand hält eine Europafahne vor einem En-Marche-Banner

La République en Marche möchte auf jeden Fall das EU-Fähnchen hochhalten Foto: dpa

BERLIN taz | „Wenn ich Ihnen Europa sage, an was denken Sie?“, liest Kilian Nédélec auf Französisch vom Bildschirm seines Handys ab. Sein Interviewpartner lehnt sich zurück, er zögert ein bisschen. Nachdenklich guckt er, spricht von einem Block gemeinsamer, universeller Werte. „Ich wollte christlich sagen, aber…“, er bricht ab.

Was bedeutet Europa eigentlich für die Französinnen und Franzosen? Was erwarten sie von der Europäischen Union? Der 26-jährige Nédélec hat sich an diesem Samstag mit zwei MitstreiterInnen aufgemacht, sie in Berlin zu befragen. Er gehört zu den AnhängerInnen von Frankreichs Regierungspartei La République en Marche (LREM), die gerade ihr großes Europaprojekt startet.

Als „Grande Marche pour l'Europe“, als großen Marsch für Europa, bezeichnet die Bewegung ihre Aktion. Mit Kundgebungen, Märschen und Tür-zu-Tür-Befragungen läutet LREM damit genau genommen den Wahlkampf zur Europawahl 2019 ein. Die Parallelen zu 2016 sind nicht zu übersehen: Damals hatte die Partei ebenfalls Haustür-Interviews gemacht, deren Ergebnisse in das Programm für die Präsidentschaftswahl eingeflossen sein sollen. Ähnlich soll später in diesem Jahr auch mit den Resultaten der jetzigen Befragungen verfahren werden.

„Es ist ein Moment des Zuhörens, nicht des Überzeugens“ hatte Laurent Couraudon seinen Zuhörerinnen und Zuhörern vorher eingebläut. Couraudon ist Co-Leiter der Europaarbeitsgruppe von En Marche in Deutschland und Österreich. Zehn Menschen waren dem Aufruf in ein Hotel am Kurfürstendamm in Berlin gefolgt, alle mit französischem oder deutsch-französischem Hintergrund. Ein Erasmus-Student etwa, der sagt, er habe sich am Tag seiner Ankunft in Berlin dem örtlichen En-Marche-Comité angeschlossen. Eine Psychologin, die davon spricht, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ihr wieder Hoffnung auf Veränderung gegeben habe. Gleich mehrere Anwesende erwähnen, dass sie bereits länger in Deutschland als in Frankreich wohnen, und wie europäisch sie sich auch deshalb fühlen.

Sie machen sich in der Stadt auf Franzosen-Suche

Ihnen erklärt Couraudon, wie der Tag ablaufen soll: Haustürbefragungen sind in Deutschland nicht erlaubt. „Wir wollen nicht so gesehen werden: Wir sind die bösen Franzosen, die sich in die deutsche Politik einmischen“, führt Couraudon aus. In Kleingruppen begeben sich die zehn Französinnen und Franzosen in der Stadt auf Suche nach Landsleuten, in der Nähe von Sehenswürdigkeiten etwa. Die Mannschaft um Nédélec etwa fährt zum KaDeWe, wo in der Gourmet-Abteilung feines französisches Essen zu haben ist. Dort sollen sich wohl auch Frankreichs Auslandsbürger herumtreiben.

Der Schwerpunkt des Europa-Marschs spielt sich jedoch in Frankreich ab, wo an diesem Samstag auch mehrere Schlüsselfiguren der Partei den Auftaktveranstaltungen beiwohnten. Parteichef Christophe Castaner etwa, der sich in Tours zeigte. Insgesamt habe es am Wochenende ungefähr 1000 LREM-Events in Frankreich und der Welt gegeben, sagt Isabelle Négrier, Referentin für LREM in Deutschland und Frankreich.

Das Projekt ist nicht überall wohlgelitten: Im EU-Parlament reagierten Abgeordnete bisher irritiert auf Macrons Europapläne. Vor allem aus den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP) kam Kritik. So bemängelte der deutsche Abgeordnete Elmar Brok, dass der französischen Präsident transnationale Listen bei der Europawahl 2019 unterstützt – also europaweite Parteilisten, auf denen auch Bewerber anderer Länder stehen. Die EVPler glauben, damit wolle Macron nur seine eigene Partei stärken, die bisher nicht im Europaparlament vertreten ist.

Dahinter steht auch die Befürchtung, dass die Macron-Anhänger eine eigene Gruppe im Europaparlament gründen könnten. „Herr Macron will sich keiner europäischen Familie anschließen“, sagt Brok der taz. Der französische Präsident wolle keine Kompromisse.

Sie wollen etwas gegen Europaskepsis tun

Diese Streitigkeiten stehen bei den Freiwilligen in Berlin erst mal im Hintergrund. Hier scheint für die meisten vor allem zu zählen, endlich etwas gegen die Europa-Skepsis zu tun. So wie für LREM-Mitglied Sylvie Fodor. Sie erinnert sich, wie sie im Jahr 1989 als Austauschstudentin nach Deutschland reiste: „Um in Berlin anzukommen, musste ich drei Grenzen überqueren.“ Europa ist für sie vor allem „Freiheit“.

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