LGBTQ in Indien: Ehe für alle nicht mehr fern

Dem Obersten Gericht in Indien stehen Verhandlungen über die Homo-Ehe bevor. Es könnte ein riesiger Erfolg für die liberalen Kräfte im Land werden.

Zwei Männer sitzen auf einer Parkbank

Beim Obersten Gerichtshof liegt eine Petition, die die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe fordert Foto: Altaf Qadri/ap

Vor zwei Jahren kostete das Coronavirus in Indien eine halbe Million Menschen das Leben. Damals, als die Leichenhallen überfüllt waren, konnte vielleicht nur ein Mitglied der Familie die Verstorbenen zum Krematorium geleiten. Doch wer sollte den letzten Weg mit ihnen machen? Verkehrsunfälle sind in Indien eine vergleichbare, wenn auch meist vernachlässigte Epidemie. Wer wäre für Sie der Notfallkontakt? Bei Verheirateten würde man erwarten, dass der Ehepartner benachrichtigt wird.

In Indien werden die Krankenhausbeschäftigten dies allerdings dann nicht tun, wenn ihr Partner oder ihre Partnerin das gleiche Geschlecht wie Sie haben. Er oder sie dürfte auch keine Entscheidungen für Sie fällen. So wird nicht nur für den Fall eines Ablebens deutlich, dass die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe benötigt wird, herbeigesehnt wird – als rechtlicher Hebel zur Umwälzung des Status quo.

Nun eröffnet sich die Chance, dass die Homo-Ehe genauso wie die Ehe für heterosexuelle Paare durch die indische Justiz und das Parlament anerkannt wird. Auf den Weg gebracht wurde dies, als an mehreren lokalen Gerichten Petitionen eingereicht wurden. Nun hat der vorsitzende Richter des Obersten Gerichts in Indien gefordert, dass alle Petitionen gemeinsam dem höchsten Gericht vorgelegt werden.

Er heißt Dhananjaya Chandrachud, und er hat bereits das Recht auf Privatsphäre anerkannt, hat „unnatürliche sexuelle Handlungen“ entkriminalisiert und hat Frauen unabhängig von ihrem Familienstand das Recht auf eine Abtreibung zugesprochen. Die lokalen Petitionen nahmen Bezug auf bestehende Gesetze. Einige dieser Gesetze sollen nur geringfügig umformuliert werden, bei anderen soll eine freiere Interpretation ermöglicht werden.

Protest von rechts

Die Ehegesetze in Indien hängen im Wesentlichen von der Religion der Eheschließenden ab. Das Ehegesetz für Hindus erlaubt eine Heirat „zwischen zwei Hindus“ und geht nicht auf deren Geschlecht ein, sodass eigentlich die Option für gleichgeschlechtliche Ehen von Hindus besteht. Sollten diese erlaubt werden, müsste dies automatisch auch Homo-Ehen unter dem „Special Marriage Act“ zulassen. Er regelt Ehen zwischen Partnern unterschiedlichen Glaubens.

Ein anderes Gesetz, der „Citizenship Act“, ermöglicht es indischen Staatsbürgern im Ausland, den Status eines „Overseas Citizen of India“ zu erlangen. Dies gilt auch für deren nichtindische Ehepartner, und im Wortlaut des Gesetzes wird nicht spezifiziert, welches Geschlecht die Ehepartner haben müssen. Also könnte das Oberste Gericht auch für diese Personengruppe gleichgeschlechtliche Ehen legalisieren.

Rechtsgerichtete Hindus kritisieren diese Petitionen und sagen, dass die Justiz dies nicht für die Gesellschaft entscheiden könne. Aber der große juristische Erfolg von 2018, als das Oberste Gericht „unnatürliche sexuelle Handlungen“ – gemeint war damit vor allem Homosexualität – entkriminalisierte, ist Grund genug für Hoffnung. Im April soll über die Petitionen verhandelt werden.

In Deutschland hätte man Grund, dies zu beobachten, denn dort gibt es zwar seit 2017 die Homo-Ehe – das ist ja auch nicht lange her –, aber eine lesbische Frau muss immer noch den mühsamen Prozess absolvieren, das biologische Kind ihrer Ehepartnerin zu adoptieren, selbst wenn es nach der Heirat zur Welt kam. Einem schwulen Mann bleibt dies immerhin erspart, er gilt rechtlich als Vater eines Kindes innerhalb der gleichgeschlechtlichen Ehe. Auch Deutschland könnte aufhören, lesbische Mütter zu diskriminieren. Alle Menschen sollten frei entscheiden können, wen sie heiraten, ohne dass daraus für sie Nachteile erwachsen.

Aus dem Englischen von Stefan Schaaf

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ist preisgekrönte Journalistin. Sie hat vor allem über Menschenrechtsfragen aus Japan, Argentinien, Bosnien-­Herzegowina, El Salvador, Indonesien und Indien berichtet.

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