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LGBTI in der TürkeiPride-Parade zusammengeprügelt

Die Polizei geht brutal gegen eine Kundgebung in Istanbul vor. Teilnehmer*innen, darunter ein Journalist, werden vorübergehend festgenommen.

Stolz gegen Polizeiaufgebot: Trotz Verbot kamen in Istanbul Hunderte zur Pride-Parade Foto: dpa

Istanbul taz | Die türkische Polizei hat am Samstagnachmittag in Istanbul mit großer Härte den seit 2003 jährlich stattfindenden LGBTI-Pride Marsch zum Christopher Street Day aufgelöst. Gummigeschosse und Tränengas kamen zum Einsatz, etliche Personen wurden vorübergehend festgenommen – darunter auch der afp-Fotoreporter Bülent Kilic.

Die Demonstration startete mit einer kleinen Kundgebung am Tünel-Platz im Istanbuler Stadtteil Beyoglu und führte dann durch eine Nebenstraße der Istiklal-Einkaufspromenade, die schon lange für Demonstrationen gesperrt ist. Von der bunten lauten Atmosphäre, wie sie die Pride in anderen Städten weltweit ausstrahlte, war in Istanbul von Beginn an nichts zu spüren.

Die einigen hundert De­mons­tran­t*in­nen wurden von der Polizei eng eskortiert, die Pride Parade war nicht genehmigt. Die Polizei wollte deshalb keine Parolen und Fahnen akzeptieren und ging immer wieder gegen einzelne Personen vor. „Wer den Mund aufmacht, wird mitgenommen“, gab ein Polizeiführer durch Megafon die Einsatzorder aus.

Als die De­mons­tran­t*in­nen sich das nicht gefallen lassen wollten, setzte die Polizei Schlagstöcke und Gummigeschosse ein, später kamen auch Wasserwerfer zum Einsatz. Flüchtende DemonstrantInnen wurden im laufenden Verkehr auf eine Hauptverkehrsstraße abgedrängt. Gespräche zwischen TeilnehmerInnen und der Polizei wurden unterbunden.

Auf den Boden gedrückt

Stattdessen verfolgte Zivilpolizei De­mons­tran­t*in­nen auch noch weit vom Geschehen entfernt und griff selbst Pas­san­t*in­nen an, die sich verbal einmischten. Besonders übel erging es dem Fotojournalisten Bülent Kilic von afp. Er wurde von mehreren Zivilpolizisten auf den Boden gedrückt, bis er kaum noch Luft bekam. Nachdem er wieder freigelassen worden war, kündigte er an, gegen die Misshandlungen durch die Polizei zu klagen, „notfalls bis zum Menschenrechtsgerichthof in Straßburg“.

Die diesjährige Pride-Parade fand im Rahmen eines von den LGBTQ- Vereinen Lambda und Chaos Gl veranstalten Aktionsmonats statt. Es gab etliche kleinere Veranstaltungen, auf denen über die Situation von LGBTQ-Menschen informiert wurde. Eine diese Veranstaltungen war ein Piknick im Macka-Park unterhalb des Taksim-Platzes vor einer Woche, das ebenfalls von schwer bewaffneter Polizei aufgelöst worden war.

Die Pride-Paraden finden in Istanbul seit 2003 statt. Sie starteten mit rund 20 Leuten. Der Höhepunkt war 2013, als im Rahmen der Gezi-Proteste fast 100.000 TeilnehmerInnen zur Pride am Taksim-Platz kamen. Seitdem sind Demonstrationen im Zentrum verboten. Die Pride-Paraden werden regelmäßig von der Polizei angegriffen.

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8 Kommentare

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  • Ich frage mich was diese Gesellschaften an Homosexualität so bedrohlich finden.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Vom Sultan war nichts anderes zu erwarten.



    Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Rechte in allen Ländern gleich sind. Das ist so und wird so bleiben, was keine Entschuldigung ist für die Verhaftung friedlicher Menschen.

  • Und Erdogan bekommt noch Geld von der EU für seine Bereitschaft zum Beitritt der EU.



    Polen hat auch weite Landteile zur "LGBTQ+ freien Zone" erklärt und die EU sieht zu. Nun hat Ungarn nachgezogen. Viel "Dududu....so geht das nicht" und das wars.

    Deutschland zahlt Aufbauhilfen an Länder, in denen Homosexualität mit der Todesstrafe geahndet wird.

    Wenn unsere Politiker behaupten, sie würden sich für LGBTQ+ einsetzen, dann sollte da mehr als nur ein Lippenbekenntnis kommen.

    Wie wäre es mal damit, allen Ländern wo mit Gefängnis und vor allem Todesstrafe gegen LGBTQ+ vorgehen, bzw. wo LGBTQ+ generell Strafbar ist die Gelder zu 100% zu streichen? Das wäre mal ein Anfang der die Glaubwürdigkeit unserer Politiker fördern würde.



    Im Fußballstadion mit einem Regenbogenflägchen zu hocken ist jedenfalls keine Unterstützung...............

    • @Thorsten Kluge:

      Und du glaubst, bloß weil Deutschland die Gelder zu 100% streicht, würde sich die Lage der LGBTQ-Leute verbessern? Wohl kaum...



      Solange man zahlt, haben die Geldempfänger noch einen Grund, zuzuhören.

      Und ja: Regenbogenfläggchen in Fußballstadien sind eine enorme Unterstützung.

      • @Kim S:

        Aha.....Erdogan "Hört" also zu.....Jo, das sieht man in den letzten Jahren wie Gut der "Zuhört".



        Oder Polen. Oder Ungarn.



        Oder Afghanistan.... Die bekamen über 500 Mrd. für den Aufbau. Viele Milliarden davon aus Deutschland. Doch die LGBTQ+ Rechte in dem Land wurden ungestört mit Füßen getreten. Die haben auch "Zugehört".....nur nix umgesetzt. Dafür aber die Hand aufgehalten.



        Erst wenn man die Gelder kürzt oder einstellt bewegt sich in solchen Ländern etwas.



        Nur sind LGBTQ+ Rechte etwas, das ganz unten auf der Liste (wenn überhaupt) steht.

        Und SELBSTVERSTÄNDLICH machen wir diesen Ländern dann KEINE Vorschriften, wenn es um RELIGIÖSE Belange geht. Schwule umbringen weil es die Religion fordert? Kein Problem für unsere Bundesregierung. Gelder fließen ggf. weiter.

        Schön zu sehen, wo meine Steuergelder hingehen.....

        Und Heuchlerisches Fahnengewedel und Firmenlogo Bunt anpinseln im Juni ist keine Hilfe, wenn in den anderen 11 Monaten die Probleme ignoriert werden.

        • @Thorsten Kluge:

          Zitat Wikipedia:



          "Seit der Verabschiedung der heute gültigen Verfassung im Jahr 2004 ist Afghanistan eine Islamische Republik mit einem präsidialen Regierungssystem. Die Verfassung gilt als eine der demokratischsten der islamischen Welt und sieht die Gleichberechtigung der Angehörigen aller Religionen und ethnischen Gruppen sowie der Geschlechter vor.[94]"



          Es ist noch dazu eine sehr junge Demokratie. Bis wann war in der BRD Homosexualität nochmal strafbar?

  • Ungeheuerlich! Wie will diese autokratische Republik jemals in die EU finden? Und die Erdogan-hörige DITIB wird in Deutschland von Laschet hofiert.

  • Ist n wertvoller Verbündeter, also Augen zu, weitermachen. Ist schon alles OK so.