LA STRADA: Schon wieder dieser Zirkus
Mitte August wird zum 17. Mal in Bremen ein internationales Straßenfestival sein Unwesen treiben. Bremer Politik und Wirtschaft hängen nach wie vor mit drin
Es wird voll sein, laut, und es wird beim Shopping stören. Überall: auf den Domtreppen, in den Wallanlagen, sogar in Buchhandlungs-Ketten werden vom 18. bis 21. August 70 StraßenkünstlerInnen ihre Akrobatik-, Tanz- und Jonglage-Kunststückchen abhalten dürfen. Aus aller Welt kommen sie nach Bremen, zum Straßenzirkus "La Strada". Schon wieder - dabei gabs den doch schon 16 Mal.
Immer noch hat das vierköpfige Leitungsteam es nicht geschafft, dass genügend Sitzplätze mit guter Sicht bereitstehen. Eine der Attraktionen, der "Magic Van" hat lediglich sechs Plätze. Dabei werden über 100.000 BesucherInnen erwartet, die Vorbereitungen laufen seit Monaten. Festivalleiterin Gabriele Koch spielt das Problem herunter: "Wir wollen den öffentlichen Raum bespielen, das ist die große Herausforderung." Doch von solchen Werbeslogans sollte man sich nicht blenden lassen: Jeder, der will, kann sich die Vorführungen anschauen, es wurde wieder einmal versäumt, Eintritt zu verlangen. Lediglich für drei Veranstaltungen im Licht-Luft-Bad können für die Wochenend-Abende noch Karten erworben werden. Die beiden Gala-Veranstaltungen sind schon ausverkauft.
Für den ganzen Zirkus mitverantwortlich ist die Stadt. Zwar behauptet Festivalorganisatorin Julia Himmelreich, Genehmigungen zu bekommen, sei nicht einfach gewesen. Letztendlich wurden sie aber doch erteilt. Wen wunderts, denn mit 80.000 Euro an Zuschüssen stecken das Kulturressort und die Wirtschaftsförderung Bremen selbst mit drin. "Die städtischen Gelder werden in den nächsten Jahren nicht mehr", sagt Festivalleiterin Koch. Doch wird auch dieses Jahr ein Großteil des insgesamt 186.000 Euro teuren Festivals von Sponsoren übernommen. 150 freiwillige HelferInnen stehen für den Zirkus bereit. Ein Förderverein hat mittlerweile 140 Mitglieder, 600 waren einst das Ziel. Deren Jahresbeiträge über jeweils 20 Euro finanzieren nun zwei Zirkusgruppen.
Nach wie vor sind sich auch viele BürgerInnen nicht zu schade, das Engagement der Straßenzirkus-Gruppen mit einer heimlichen Spende in den Hut zu fördern. Europaweit sind die Bremer für diese Praxis bekannt, das jedoch macht die Stadt bei den KünstlerInnen beliebt. Zwölf Deutschlandpremieren gibt es dieses Jahr, sie lassen "La Strada" als innovatives Sichtungsfestival erscheinen. Erfolgsgeschichten, wie die der "Compania Balagans" tragen noch dazu bei. Die schwedischen Akrobaten traten das erste Mal 2008 in Bremen auf, beworben hatten sie sich damals mit einem schäbigen Turnhallen-Video. 2011 nun gewannen sie die Goldmedaille beim "Cirque de demain". Eine internationale Auszeichnung, die ihnen die Türen in die großen Zirkusse öffnet. Die Bremer sind sie damit los - doch andere kommen nach: Dieses Jahr 24 Künstlergruppen aus zehn Nationen mit 115 Vorführungen. Für noch weitergehende Zusammenarbeit soll auf einer Fachtagung ein internationales Netzwerk "open street" gegründet werden - von der EU gefördert.
Nur die BSAG versuchte, mit konsequent harten Auflagen die Eröffnungsparade am Donnerstag, den 18. August zu stören. Mit bizarren Vehikeln nämlich will die französische Gruppe "Pipototal" ab 21.30 Uhr von der Langenstraße aus auf den Domshof ziehen und mit ihrer Show "Déambuloscopie" in eine Traumwelt entführen. Die mechanischen Bewegungen der Instrumente bilden den Mittelpunkt, zu allem Überfluss gibts eine Feuer- und Pyroshow. Eins der Fahrzeuge hat einen fünf Meter hohen Mast, für Trapez-Akrobatik. Die Straßenbahn-Stromleitungen allerdings erlauben nur eine Durchfahrthöhe bis zu vier Metern. Kein Problem: Sehr spät erklärte die Künstlergruppe, dass der Mast gekippt werden könne.
Eine Woche später wird "La Strada" mit Highlights aus den Vorjahren in Rotenburg zu Gast sein. Erst danach ist wieder Ruhe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Wie er die US-Wahl gewann
Die Methode Trump