Kurznachrichtendienst Mastodon: Ist Mastodon das bessere Twitter?
Seit Musks Twitter-Kauf explodieren beim Konkurrenten Mastodon die Nutzerzahlen. Der Dienst wirbt für ein besseres digitales Miteinander.
In der Woche, in der bekannt wurde, dass der Superreiche Elon Musk vermutlich Twitter kaufen wird, schnellten die Account-Zahlen eines anderen Mikroblogging-Dienstes in die Höhe: Mastodon zählte in jener Woche laut eigenen Angaben 141.000 neue Accounts. Zum Vergleich: In den drei Wochen zuvor waren es insgesamt nur 35.000 Neuanmeldungen. Inzwischen finden sich bei Mastodon mehr als 5 Millionen Nutzer*innen – fast nichts im Vergleich zu den 217 Millionen Accounts, die im 4. Quartal 2021 täglich bei Twitter aktiv waren.
Der Grund für den Zuwachs dürfte vor allem Angst vor den Veränderungen sein, die Elon Musk unter Umständen bei Twitter vornehmen wird. Und ein genereller Unwille, die eigenen Daten und Zeit einem Dienst zu geben, der von einer einzigen Person bestimmt werden kann. Mastodon lässt die User*innen hoffen auf eine etwas bessere digitale Gesellschaft. Denn Mastodon ist nicht an eine einzige Person gebunden, ist kein Konzern, der Daten verkauft.
Stattdessen hat sich Eugen Rochko, der Jenaer, der Mastodon 2016 gründete, etwas anderes ausgedacht: ein dezentrales Netzwerk. Während Twitter, Facebook, Instagram zentralisierte Plattformen sind, die sich mit den Servern eines einzelnen Betreibers verbinden, nutzt Mastodon unterschiedliche Server, die zu großen Teilen von Privatpersonen und Vereinen angeboten werden. Diese Server werden auf Mastodon Instanzen genannt und folgen ihren eigenen Regeln.
Wer einen Account anlegen möchte, muss bei Mastodon erst entscheiden, welcher dieser Instanzen er beitreten möchte – und die sind oft mehr als reine Bedarfsgemeinschaften. Viele Instanzen bieten einen Raum für Communitys, manche für einzelne Regionen, andere für Programmierer*innen, Sportler*innen, Menschen aus der LGBT*IQA-Community.
So werden sie zu Räumen, in denen man sich über Lebenswege, Weltanschauungen oder Hobbys austauschen kann und in denen man, etwa als Teil marginalisierter Gruppen, Sicherheit vor digitaler Gewalt erfahren soll. Denn wer sich nicht an die Regeln der Instanz hält und zum Beispiel gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verbreitet, kann von der Instanz ausgeschlossen werden. Die Instanz mastodon.social, auf der beinahe 700.000 Accounts sind, verbietet etwa Rassismus, Sexismus, Homo- und Trans*feindlichkeit, Belästigung und das Teilen absichtlich falscher Informationen.
Differenzierung statt Polarisierung
Trotz des Instanzen-Systems: Der Weg in die größere Welt ist nicht versperrt. Auf Mastodon gibt es mehrere Möglichkeiten, sich die Timeline anzeigen zu lassen. Die persönliche Timeline zeigt nur Inhalte von Accounts, denen man selbst folgt. Auf der sogenannten lokalen oder föderalen Timeline kann man sich aber auch Beiträge von Accounts anschauen, die in derselben Instanz unterwegs sind oder in assoziierten Instanzen.
Ansonsten funktioniert vieles wie bei Twitter. Ein Tweet heißt hier Tröt (oder toot), man retweetet nicht, sondern man boostet. Und das Herzchen zum Liken ist ein Stern. Allerdings darf man im Tröt bei Weitem mehr schreiben. 500 Zeichen stehen den Accounts bereit, bei Twitter sind es nur 280, was teilweise zu stark vereinfachten, polarisierenden Beiträgen führt. Bei Mastodon gibt es Platz, seine Gedanken dann doch etwas weiter auszuführen – so man denn will und kann. Außerdem kann man mit einem einzigen Klick eine Content Warnung (CW) hinzufügen, um andere Nutzer*innen darauf aufmerksam zu machen, dass es im eigenen Beitrag um Themen geht, die sie eventuell negativ emotional betroffen machen, wie etwa psychische Erkrankungen oder Gewalterfahrungen. Was Mastodon nicht hat: Werbung. Denn das Projekt muss keinen Gewinn erwirtschaften. Stattdessen finanzieren Spenden über die Plattform Patreon die fortlaufende Entwicklung und Verbesserung der Open-Source-Software.
Auch wenn das Folgen von Accounts den eigenen Horizont und die Timeline weitet, haben die Interaktionen auf Mastodon weniger Wirkung auf das Nutzungserlebnis als bei Twitter, denn Mastodon wählt nicht algorithmisch auf Basis der User*innen-Präferenz aus, was sie*er zu sehen bekommt. Stattdessen ist der Feed tatsächlich eine Timeline, chronologisch sortiert. Und nicht nach den Prinzipien der Aufmerksamkeitsökonomie wie Likes.
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