■ Kurdistan-Solidarität: Friedenszug auf dem Abstellgleis: Kanther fördert PKK
Das deutsche Einreiseverbot für den „Friedenszug Musa Anter“, der gestern von Brüssel nach Istanbul und schließlich ins kurdische Diyarbakir hätte fahren sollen, verdeutlicht das Dilemma der Kurdistan-Solidarität. Jeglicher Versuch aus Europa, Druck auf die Türkei auszuüben, damit diese ihre Kurden-Politik ändert, ist bislang fehlgeschlagen. Und wer sich in der Türkei kritisch mit dem schmutzigen Krieg der Militärs in Kurdistan auseinandersetzt, wird wegen „separatistischer Propaganda“ belangt und meist auch verurteilt. Der Krieg dauert an, täglich sterben Menschen auf beiden Seiten, Hunderttausende sind vertrieben und ihre Dörfer zerstört worden.
Der „Appell von Hannover“ und die Initiative des Friedenszuges hätten daran nichts geändert – und doch offenbarte sich hier eine neue Qualität. Es war die bislang größte und politisch am breitesten gefächerte Kurdistan-Initiative europäischer Persönlichkeiten. Die Organisation Medico International und der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir etwa liegen in ihrer Einschätzung der PKK und der türkischen Politik Lichtjahre auseinander – und doch unterstützten beide den Friedenszug. Es ist gelungen, das Freund-Feind-Schema, das die Kriegslogik diktiert, aufzugeben. Wer diese Logik aufbrechen will, muß über seinen Schatten springen, und das haben viele Prominente getan, ohne Rücksicht auf politische Animositäten gegenüber anderen Unterstützern.
Klar, daß sich an einer solchen Initiative auch PKK-nahe Organisationen beteiligen. Damit muß sich ein Aktionsbündnis, dessen übergroße Mehrheit mit der PKK nichts am Hut hat, politisch auseinandersetzen. Mit dem Verbot, der Diskriminierung und Kriminalisierung der ganzen Initiative als „PKK- Werbeveranstaltung“ hat Bundesinnenminister Manfred Kanther genau diese politische Auseinandersetzung erneut unmöglich gemacht – eine Politikunfähigkeit, die zur Lähmung führt.
Daß der Zug nicht bis Diyarbakir kommen würde, war zu erwarten. Daß er gar nicht erst losfahren konnte, hat überrascht. Wenn aber die PKK an eine solche Initiative irgendeine Hoffnung knüpfen konnte, dann die, daß die türkische Regierung durch harsche Reaktionen die Situation verhärtet und damit die Richtigkeit der Kriegslogik unterstreicht. Ein Zug, der angekommen wäre, hätte auch der PKK Interpretationsprobleme beschert. Sie kann sich bei Kanther bedanken. Bernd Pickert
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