Kurdenstaat im Nordirak: Kurdenführer fordert Referendum
Bislang sind die irakischen Kurdengebiete autonom. Jetzt will ihr Präsident die Bevölkerung zur vollständigen Unabhängigkeit befragen.
Es gehe vielmehr darum, „den Willen und die Meinung der Menschen in Kurdistan bezüglich ihrer Zukunft in Erfahrung zu bringen“, hieß es in der Mitteilung. Barsani, der bereits in der Vergangenheit ein Referendum gefordert hatte, machte keine Angaben darüber, wann die Abstimmung stattfinden soll.
Barsani steht seit zehn Jahren an der Spitze der Region, die sich weitgehend unabhängig von der Zentralregierung in Bagdad selbst verwaltet und mit den Peschmerga eine eigene schlagkräftige Miliz hat. Im August lief das Mandat des 69-Jährigen ab, er will aber gegen Widerstände weiter im Amt bleiben und führt seine Rolle im Kampf gegen die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) als Argument für eine längere Amtszeit ins Feld.
Barsani gilt als einer der wichtigsten Verbündeten des Westens im Kampf gegen den IS. Deutschland unterstützt die Kurden im Nordirak mit Waffen, Material und Ausbildung im Kampf gegen die Dschihadisten. In dem Gebiet sind auch 95 deutsche Soldaten mit Ausbildungsauftrag im Einsatz. Italien kündigte am Mittwoch an, 130 Soldaten nach Erbil zu schicken, die vor allem für die Rettung von verletzten Soldaten der Anti-IS-Koalition eingesetzt werden sollen.
Streiks bei Regierungsbehörden
Die Hürden für eine Abspaltung der seit 1991 autonomen Kurdenregion sind hoch. Die Zentralregierung in Bagdad lehnt ein Referendum ab. Zudem sind die Gebietsansprüche der Kurden umstritten. Offiziell besteht ihre autonome Region aus drei Provinzen, aber die kurdischen Einheiten rückten während ihres Kampfs gegen den IS in vier weitere Provinzen vor, die sie nun teilweise kontrollieren – zum Ärger der irakischen Regierung, die vor allem die Hoheit über die ölreiche Provinz Kirkuk nicht aufgeben will.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht könnte eine Unabhängigkeit für die Kurden schwierig werden. Die niedrigen Ölpreise machen ihnen ebenso wie Bagdad zu schaffen, doch im Gegensatz zur Zentralregierung haben sie nur eingeschränkten Zugang zu den Kreditmärkten. In einigen kurdischen Regierungsbehörden wurde seit Monaten kein Gehalt ausgezahlt, was bereits zu Streiks führte.
Barsani unterhält enge Beziehungen zur türkischen Regierung, die ein wichtiger Handelspartner der kurdischen Führung in Erbil ist. Zum Ärger Bagdads exportiert die autonome Region eigenmächtig Öl in die Türkei. Ankara führt aber gleichzeitig eine Militäroffensive gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei wegen ihres langjährigen bewaffneten Kampfes gegen türkische Sicherheitskräfte für ein autonomes Kurdistan als „Terrororganisation“ eingestuft wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten