Kurden im Syrienkonflikt: Warum die Kurden zögern
Der türkische Umgang mit der Minderheit im eigenen Land lässt die syrischen Kurden davor zurückschrecken, sich hinter die Rebellen zu stellen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass im Zuge der Eskalation zwischen Syrien und der Türkei auch die Kurden in den Strudel der Gewalt gezogen werden. Schon in der Nacht auf Dienstag kam es zu einem Grenzvorfall, welcher aber von den internationalen Medien weitestgehend unbeobachtet blieb.
„Die haben einfach das Feuer eröffnet, ohne Vorwarnung, ohne Grund“, berichtet einer der verwundeten kurdischen Kämpfer der YPG („Volksverteidigungseinheiten“). Die YPG ist eine seit Juli bestehende kurdische Miliz, welche weite Teile des Nordostens von Syrien kontrolliert. „Wir waren auf Patrouille in Til Lelon, als türkische Soldaten auf uns das Feuer eröffneten. Mein Freund Hogir Besir Erebo wurde zum Märtyrer, zwei weitere von uns schwer verletzt. Ich habe zum Glück nur leichte Verletzungen davongetragen.“
Hintergrund sind die seit Juli in der Osttürkei eskalierenden Kämpfe zwischen der türkischen Armee und der kurdischen Guerilla PKK. Weite Teile des türkisch-irakischen Grenzgebietes sind mehr oder weniger unter PKK-Kontrolle. Auf beiden Seiten gehen die Todeszahlen in die Hunderte. Es sind die schwersten Kämpfe seit den 1990er Jahren.
Und genau zu diesem Zeitpunkt haben die Kurden in Syrien ihre Chance ergriffen und versuchen, eine „dritte Position“ zwischen der Free Syrian Army (FSA) und dem syrischen Regime einzunehmen. Die Kurden lehnen das syrische Regime ab, doch die FSA wird von der Türkei unterstützt, und auch die steigende Islamisierung der bewaffneten Opposition bereitet säkular orientierten syrischen Kurden Kopfzerbrechen. Würden sich Syriens Kurden hinter die Opposition stellen, wäre das Assad-Regime nicht mehr zu halten.
Trotz wiederholter Aufrufe der kurdisch-syrischen Opposition an Ankara, dass die türkische Regierung die Kurden nicht als Feinde, sondern so wie im Nordirak als verlässliche Handelspartner in der Region ansehen solle, verschärft die Türkei ihre Gangart. Zu groß scheint die Angst davor, dass in einem weiteren Grenzgebiet eine kurdische Autonomieregion entsteht und damit die Ambitionen der eigenen kurdischen Bevölkerung weiter anfacht.
So hat das türkische Parlament vor kurzem die Möglichkeit, grenzübergreifende Militärschläge gegen „Terroristen“ durchzuführen, verlängert. Auch hat Erdogan angekündigt, dass jeder Versuch der PKK, sich in Syrien festzusetzen, militärisch verhindert werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Krieg in Gaza
Kein einziger Tropfen sauberes Wasser
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren