Kunstskandal in Dresden: Auf und unter dem Teppich
Dresden ist weltoffen, aber auch Gründungsstadt der Pegida. Ekici sucht mit der Installation „PostIt“ den Dialog.
„Der Dialog ist in eine völlig falsche Richtung gelaufen“, sagt die deutsch-türkische Künstlerin Nezaket Ekici, nachdem ihre Installation „PostIt“ vor dem Landgericht in Dresden wieder hergestellt wurde. Sie ist überrascht und verletzt von dem islamophoben Schriftzug auf ihrer Arbeit, denn sie wollte einen Dialog zur Annäherung der Kulturen anstoßen. Stattdessen zeigt sich Dresden feindselig.
Die Stadt hat besonders seit den Pegida-Demos einen schweren Imageschaden erlitten und versucht unter anderem mit Projekten, wie „Dresden? – Arbeiten mit der Stadt“ Lösungen zu finden. Bei diesem Wettbewerb wurden Kuratoren eingeladen, Konzepte für Kunst im öffentlichen Raum vorzuschlagen, die sich mit den Kraftquellen der Stadt auseinandersetzen.
Für den Gewinner Thomas Eller sind diese Energien „die Geschichte Sachsens, die Wissenschaft der Stadt Dresden und der Umgang mit dem Anderen“. Besonders Letzteres kann eine Chance für Dresden sein, das Image aufzupolieren. „Dresden ist bei den Problemen mit ausländerfeindlichen Bewegungen hilflos“, sagt Eller im Interview „Es gibt zwar viele Initiativen, aber die Themen kommen bei den meisten Einwohnern nicht an.“
Ekicis Tor deutet auf die vorhandene orientalische Kultur im Okzident hin. Die Teppiche, die oft in bürgerlichen Wohnzimmern zu finden sind, stehen aber auch für ein gemeinsames Sitzen, Sprechen und Verhandeln. Es soll ein Dialog entstehen, der mit der Betrachtung des Werkes beginnt. Dieser soll zum Austausch unter den Rezipienten und schließlich zur Verhandlung über die Strömungen und Probleme in Dresden führen. „Es soll verhandelt werden, wie im klassizistischen Landesgericht hinter dem Portal“, sagt Ekici.
Kunst als Mahnmal
Aber es soll auch erinnert werden. Die Teppiche sehen aus wie Post-its und erinnern an eine besonders tragische Verhandlung im Landgericht am 1. Juli 2009. Die Ägypterin Marwa El-Sherbini klagte damals gegen den Russlanddeutschen Alex Wiens, der sie zuvor wegen ihres Kopftuches als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpfte. Während des Prozesses wurde El-Sherbini von dem Angeklagten mit 18 Messerstichen ermordet.
Das Tor vor dem Landgericht ist ein Mahnmal. Am 25. Mai 2015, nur fünf Tage nach dem Aufbau, wurden die Teppiche der Installation mit „Scheiß Islam“ besprüht. Nach Ekicis Aussage wurden bereits in den Tagen zuvor zwei Teppiche und danach vier weitere demontiert und gestohlen.
Das Werk trifft einen empfindlichen Nerv der Islamophoben in Dresden. Die Polizei fürchtete, den Schriftzug bestehen zu lassen und ließ von der Feuerwehr die betroffenen Teppiche entfernen. „Es ist respektlos, dass alles so schnell und ohne Rücksprache demontiert wurde“, sagt Ekici, „die Tat sollte unter den Teppich gekehrt werden, was dazu führte, dass die Installation ein zweites Mal zerstört wurde“. Die Intention des Angriffs wurde so durch die Behörden weiter verstärkt. Auch der Kurator Thomas Eller wurde nicht benachrichtigt. „Es hätte einen Dialog geben müssen, denn die Teilmontage verstößt gegen das Urheberrecht, das bei der Künstlerin liegt.“
Ende Mai wurden die beschmierten Teppiche von den Behörden herausgegeben und von der Künstlerin wieder an der Installation angebracht und bleiben bis zum Ende des Projekts am 5. Juli hängen. „Die beschmierten Teppiche weiter zu verwenden bedeutet daran zu erinnern. Dadurch findet ein künstlerischer Prozess in der Arbeit statt“, sagt Ekici. Die Teppiche wurden vertauscht, sodass der Schriftzug sichtbar, aber unlesbar ist.
Im Scheitern gelungen
Die Präsenz des Schriftzugs verdeutlicht, dass der Dialog „in eine völlig falsche Richtung gelaufen“ ist, aber macht auf das Thema aufmerksam. „Manchmal müssen die Dinge aufbrechen, bevor sie wieder zusammenwachsen können“, sagt Eller. Es sei gut, dass die Installation diese Aufmerksamkeit erregen kann und die Energie tatsächlich aufgegriffen hat. „Das Projekt ist in seiner gescheiterten Kommunikation gelungen.“
Die Angriffe wirken, als wäre der Dialog über die Islamophobie und die Arbeit am Dresdner Image gescheitert, doch in dieser Negativität liegt auch Potenzial zur Besserung. Stadtverwaltung, aber auch Bürger unterstützten die Künstlerin bei der Umarbeitung. Nezaket Ekici würde wieder in Dresden arbeiten, weil sie die Stadt und ihre Bewohner mag. „Sie sind nicht alle böse.“
Am Todestag El-Sherbinis, dem 1. Juli, wird es wieder Kundgebungen geben, auch Ekici und Eller werden dann in Dresden präsent sein.
Leser*innenkommentare
Gion
Dresdens Enge? Wenn sie es denn wirklich gibt, dann bleibt die Frage, ob es Nachwirkungen eines massiven Exodus von jungen, qualifizierten Studenten und Intellektuellen in den 50er/60ern gen Westen? Weil sie relativ ininformiert über die Schattenseiten des Westens waren, im "Tal der Ahnungslosen"?
In Leipzig soll es weniger "Intelligenzlerverluste" gegeben haben, weil sich die Menschen hier in der relativ weltoffenen Messestadt besser informieren konnten, weil sie an sich offener waren. Und, wie es mal hieß, weil sie in Leipzig nicht so eingesponnen waren in den Kokon aus Barock und Räuchermännl...