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Kunsthaus verliert GerichtsverfahrenTacheles muss ein bisschen weichen

Die verbliebenen Künstler scheitern vor dem Landgericht: Sie müssen die 5. Etage und mehrere weitere Flächen im Haus räumen.

Ein Hund mit Seltenheitswert: das Tacheles hat nicht mehr viel Unterstützer. Bild: dpa

Langsam wird’s düster in der Ruine: Der Verein des Kunsthaus Tacheles hat am Mittwoch einen entscheidenden Rechtsstreit verloren. Das Berliner Landgericht verurteilte die Künstler zur Räumung der fünften Etage und mehrerer Flächen im Haus, darunter den großen Theatersaal.

Ein Gerichtssprecher sagte, der Verein habe „keinen Besitz an den Räumen nachweisen können“. Gleichzeitig seien die Künstler verurteilt worden, genau Auskunft zu erteilen, welche Personen die verbliebenen Ateliers nutzen. Der Verein hatte wiederholt auf ein Dickicht von Untermietverträgen verwiesen.

Tacheles-Sprecher Martin Reiter sagte, es sei „zu früh, um das Tacheles zu begraben“. Man werde die Entscheidung juristisch prüfen, etliche Künstler hätten noch Mietverträge. „So einfach gehen wir nicht, die Kunst läuft hier weiter.“ Dennoch: Für das Tacheles wird’s einmal mehr existenziell.

Bereits seit Jahren laufen Räumungsklagen gegen die Künstler, vor einem Jahr zogen die ersten gegen Abfindungen aus dem Haus und vom Hinterhof. Der Zwangsverwalter nahm die Flächen mit Sicherheitsleuten in Beschlag. Die fünfte Etage, die bis dahin der weißrussische Künstler Alexander Rodin als Atelier nutzte, musste er im Mai wieder freigegeben.

Das Landgericht sah eine vorschnelle Besitznahme. Die Künstler beklagten darauf Vandalismus und zerstörte Kunstwerke in den vorübergehend verschlossenen Räumen. Nun dürfen die privaten Sicherheitskräfte wieder einrücken.

Das Kunsthaus samt umliegender Brache soll versteigert werden, eigentlich. Denn Ersatz für einen geplatzten Auktionstermin im April 2011 gibt es bis heute nicht. Offenbar hofft der Gläubiger, die HSH Nordbank, vorher mit Prozessen und Abfindungen das Haus leerzuräumen. Retten kann das Tacheles nur noch eine politische Lösung. Der Senat aber schweigt. Einzig die Piraten forderten zuletzt noch, die Räumung zu verhindern.

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9 Kommentare

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  • LK
    Ludo Kamberlein

    Anscheinend haben die Berliner ihr weltbekanntes Tacheles nicht verdient - oder wie sonst ist die öffentliche Lathargie zu erklären ? Vor 10 Jahren noch hätte auch die taz zur Unterstützung für die Künstler aufgerufen.

  • G
    GAO

    Kunsthaus Tacheles. Ein Abgesang.

     

    Es ist geschafft! Endlich verliert Berlin ein Wahrzeichen für Toleranz gegenüber Querdenkern und Kreative. Gut so! Immer wieder konnten die unbeugsamen Idealisten allen Widerständen zum Trotz den Kulturbetrieb stetig und mit wachsendem Erfolg fortsetzen. Das Kunsthaus Tacheles wurde zur weltbekannten Institution und einer der bestbesuchten Einrichtungen des Landes. Da konnte man schon den Glauben an dessen Untergang verlieren!

    Die finanzielle Austrocknung, weder das Ausbleiben der staatliche Förderung noch die Unterschlagung der Miet- und Betriebskostenzahlungen des Cafe Zapata konnten den Kulturbetrieb über 10 Jahre lang in die Knie zwingen. Die machten einfach munter weiter! Die unüberschaubare Anzahl von Rechtsprozessen gewann der Betreiberverein in fast immer. Zum Verzweifeln! Verleumdungen brachten auch nichts. Die Tachelesen machten sich allenfalls darüber lustig!

    Statt dessen vergaben sie ihre 30 Ateliers jährlich neu und mietfrei an Nachwuchskünstlerinnen.

    Ach, wie gemein! äh.. gemeinnützig.

    Die Heizung wurde abgeschafft und letztlich sogar das Wasser gesperrt. Da nahmen die dann einfach das Regenwasser, sammelten fast 200.000 Unterstützerschreiben und wollten diese dann noch dem Regierenden Bürgermeister öffentlich übergeben. Gott sei Dank, hat Wowereit dann doch dankend abgelehnt. Klasse! Nein, eine Plattform kann man diesem Protest nicht geben! Und was bildete sich dann eigentlich Herr Herbert Mondry ein, der Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender Künstler eine Stiftung für das Haus zu fordern? Spinnt der? Wenigstens konnte Frau Prof. Monika Grütters, die Vorsitzende des Kulturausschusses der Bundesrepublik Deutschland, nachdem sie zu einem runden Tisch in der Angelegenheit geladen hatte, nunmehr schriftlich erfahren, dass das Land Berlin keinerlei Interesse an einer Lösung zum Erhalt des Kunsthauses beizutragen hat.

    Indes hat auch die lokale Presse in den letzten Jahren schon immer den Tod des Kunsthauses verkündet. Denen glaubt nun auch keiner mehr!

     

    Nun stellen sich bitte in dieser Situation die schwierige Arbeit eines gerichtlich bestellten Hamburger Zwangsverwalters über die Hinterlassenschaften eines Pleite gegangenen Bau-Spekulanten vor, um für die notleidende Hamburger Gläubigerbank, die HSH-Nordbank, wenigsten ein paar Euro herauszuschlagen. Es wurden weder Mühen, erst recht außerhalb der Legalität, noch Kosten gescheut. Als die Anwaltskanzlei Schwemer, Titz und Tötter endlich den Tacheles-Verein mit hohen Mietforderungen in den Konkurs getrieben hatte, und einige Nutzer sich mit rund einer Mio Euro abfinden ließen ihre Räume herauszugeben, lief das Kulturprogramm des Kunsthauses nahezu störungsfrei weiter. Man kann sich jedenfalls nicht vorwerfen lassen, dass man es nicht im Guten versucht habe. Die Strategie ging nicht auf, die Künstler im Haus ließen sich einfach nicht bestechen! Ja, in welcher Welt leben wir denn?

     

    Da hilft doch nur nackte Gewalt. So musste der Zwangsverwalter eben einen skrupelosen Rechtsanwalt beauftragen, der mittels einer Horde von bezahlten Schlägern, die Ausstellung eines 65jährigen russischen Exilkünstlers stürmt, diesen mit körperlichen Nachdruck herausbittet, um anschliessend die Räume in Besitz nehmen. Das sich unter den Sicherheitsleuten auch politisch engagierte Personen befanden, die dabei etwas übermotiviert die Kunstwerke „umgestalteten“ bzw. mit dem Klo verwechselten, ist wirklich nicht schön. Richtig häßlich ist aber, dass das Landgericht diese Vorgehensweise als verbotene Eigenmacht verurteilte. Dennoch, da bekannt ist, dass die Staatsanwaltschaft völlig überarbeitet ist, dürfte es hierzu kein juristisches Nachspiel geben.

     

    Es stellt zwar einen gewissen Interessenkonflikt dar, wenn der vorgenannte Rechtsanwalt Schulz sowohl vom des künftigen Käufer des Hauses und zugleich vom Zwangsverwalter beauftragt wurde, zumal der Zwangsverwalter ja noch zum Schein eine öffentliche Versteigerung durchführen muss.

    Hauptsache ist doch, dass dieser unbequeme und kritische „Laden“ erst mal zu ist.

     

    Freuen wir uns also gemeinsam in Zukunft auf eine ruhige, glitzernde und nette Kulturmetropole. Berlin hat es sich verdient!

  • H
    Hundefreundin

    Der arme Hund, wie kann man den denn nur so zukleistern, dass ziept ganz schön!

    Blöde Künstler!

  • P
    P.U.Baer

    Erst wenn der letzte freie Künstler vertrieben, das letzte besetzte Haus geräumt, der letzte Club geschlossen, die letzte Wohnung zwecks Profitsteigerung leersteht und das letzte Haus luxussaniert ist, werdet Ihr feststellen, daß Ihr aus einer attraktiven, kreativen Berliner Mitte ein gähnend langweiliges, profitgeiles Stuttgart gemacht habt.

    Erst dann werdet Ihr Euch wundern, warum kein Tourist mehr in die vielen leerstehenden, neuen Hotels kommen will.

  • A
    anonymous

    bitte räumen sie diese tagediebe endlich raus aus berlins schöner mitte!

  • D
    Daniela

    Heute ist ein trauriger Tag. Ich hatte den Tacheles-Künstlern so sehr einen Erfolg gewünscht. Den hätten sie wirklich verdient gehabt.

  • TM
    this machine

    Schade, dass die Winkeladvokaten sich durchsetzen. Schade, dass das Faustrecht der schwarzen Security-Bande gilt. Schade, dass der Senat sich ausschweigt. Wann nimmt Wowereit endlich seinen Hut?

     

    Aber noch ist nicht alles verloren. Ich drücke dem Tacheles die Daumen!

  • Y
    yberg

    mit den 1500 millionen euro flughafenstümpereifolge,hätte der selbsternannte kultur- und kunstfreund

    die herrschaften entsprechend unterstützen können.

     

    abba nu sin se neese und einmal mehr verschenkt ne bank im mehrheitsbesitz der steuerzahler nen teil ihrer forderungen an den nächsten investor

     

    es is einfach erbärmlich ,welches bild akteure der öffentlichen hand abgeben kein wunder ,will niemand mehr das gemeinwohl fördern,wenn günstlinge an anderer stelle nur wegtragen.

  • JP
    John Pike Mander

    Schade, sehr schade.