Mit dem Namen Lee Tamahori verband man die letzten Jahre reichlich sonderbare Filmkost: Auf sein Konto gehen der bescheuertste James Bond (“Stirb an einem anderen Tag“, 2002), eine wahnwitzige Philip-K.-Dick-Verfilmung mit Nicolas Cage („Next“, 2007) und ein sensationell neben sich stehender, irrsinnig beknackter Film über den Doppelgänger eines Sohns von Saddam Hussein (“The Devil’s Double“, 2011).
Dass Letzterer über das Panorama, das ohnehin gerne auf seltsam ins Kraut schießende Filme setzt, zu Berlinale-Ehren gekommen war, hat vielleicht als Steigbügelhalter dafür gedient, dass Tamahoris neuer Film „Mahana“ nun in die Königsdisziplin Wettbewerb, wenn auch außer Konkurrenz, vorgerückt ist.
Andererseits handelt es sich aber auch um Kosslick-Weltkino-Stoff par excellence: Basierend auf einem Roman von Witi Ihimaera, der bereits die Vorlage zum Kitschreißer „Whale Rider“ geschrieben hat, erzählt „Mahan“ unter viel Geigen- und Ethnobombast die in den frühen 60er Jahren situierte Geschichte zweier zerstrittener Maori-Familien auf Neuseeland, die sich nur vordergründig deshalb in der Wolle liegen, weil sie beide für einen weißen Großbesitzer Schafe scheren wollen.
Wie sich nach vielen geschorenen Schafen und einigen Disputen herausstellt, sind beide Familien aufgrund einer bitteren Liebesgeschichte miteinander verstrickt, die ans Tageslicht zu bringen dem smarten Enkel des fiesen Patriarchen des Mahana-Clans vorbehalten ist.
Ob die über weite Strecken routiniert runtergewurschtelte Familiensaga sich in ihrer Rosamunde-Pilcher-haftigkeit mehr an „Romeo und Julia“ oder an den „Dornenvögeln“ orientiert, sollen Seifenoper-Philologen klären.
Mahana
21. 2., 12.15 Uhr,
Berlinale Palast
Was der Film an derart prominenter Stelle im Festival verloren hat, mag man sich denken und hofft zumindest, dass es keine exotistischen Begehrlichkeiten – „Irgendwas mit Ethnien“ – waren, die den Ausschlag gegeben haben.
Tamahori unterdessen macht weiter Dienst nach Vorschrift, auch wenn man nach dem Tamahori-Irrsinn unter dem Schein des Qualitätskinos etwas suchen muss: Schön schräg ist die Szene, in der die Oma den Bienen was vorsingt.
Berlinale 2016
Der „Goldene Bär für den besten Film“ ging an „Fuocoammare“. Der Preis ist ist die höchste Auszeichnung der Internationalen Filmfestspiele in Berlin. „Fuocoammare“ hält das Leben der Menschen auf Lampedusa fest. Er wurde erstmals am 13. Februar im Wettbewerb der Berlinale gezeigt.
Foto:
picture alliance/dpa
Blitzlichtgewitter, ein selbstfahrendes Auto und jede Menge Stars – das war die Berlinale 2016. Am Sonntag geht sie zu Ende.
Foto:
dpa
Silberne Bären bekamen Majd Mastoura als „Bester Darsteller“ in „Inhebbek Hedi“ und Trine Dyrholm als „Beste Darstellerin“ in „Kollektivet“ (v.l.). Außerdem erhielt Danis Tanovic den „Silbernen Bären Großer Preis der Jury“ für seinen Film „Smrt u Sarajevu“. Der „Silberne Bär Alfred-Bauer-Preis“ ging an den Film „Hele Sa Hiwagang Hapis“ von Lav Diaz.
Foto:
dpa
Preisträgerin Mia Hansen-Love ist glücklich über ihren Silbernen Bären für die beste Regie von „L'avenir“. Auch Tomasz Wasilewski erhielt einen für das Beste Drehbuch von „United States of Love“. Auch Mark Lee Ping-Bing konnte sich glücklich schätzen: Er erhielt einen „Silbernen Bären für eine Herausragende Künstlerische Leistung“ in „Crosscurrent“.
Foto:
dpa
Kameramann Michael Ballhaus hat den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk bekommen. Sein Markenzeichen: 360-Grad-Kamerafahrten. Bei der Preisverleihung wurde auch „Gangs of New York“ mit Leonardo DiCaprio und Cameron Diaz gezeigt.
Foto:
dpa
Meryl Streep erhielt 2012 auch einen Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Die dreifache Oscar-Gewinnerin war in diesem Jahr die Präsidentin der internationalen Jury. Diese verleiht den Goldenen und den Silbernen Bären der Berlinale. Die US-Schauspielerin ist derzeit im Film „Suffragette“ zu sehen.
Foto:
dpa
Nur durch seine bloße Anwesenheit stach George Clooney bei der Eröffnung der Berlinale am 11. Februar hervor. Selfies mit Fans zu machen gehört zur Berlinale einfach dazu. Clooney spielt die Hauptrolle im Film „Hail, Caesar!“ und zeigte sich mit seiner Frau Amal Alamuddin auf dem Roten Teppich. Am 12. Februar sprach er mit Kanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingskrise.
Foto:
dpa
In „Hail, Caesar!“ mimt George Clooney den Hollywoodstar Baird Whitlock. Der Film von den Coen-Brüdern entführt den Zuschauer in eines der großen Filmstudios im Hollywood der frühen Fünfzigerjahre. 2011 eröffneten die Coens bereits mit „True Grit“ die Berlinale. „Hail, Caesar!“ ist seit dem 18. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.
Foto:
dpa
Der deutsche Filmstar Daniel Brühl erregte ebenfalls Aufsehen, als er zur Eröffnungsgala der Berlinale in einem selbstfahrenden Auto erschien. Zudem spielt er im Berlinale-Film „Alone in Berlin“ einen Kommissar, der die Herkunft von Anti-Hitler Postkarten aufdecken soll. Mit Emma Watson ist Brühl abseits der Berlinale auch im Kinofilm „Colonia Dignidad“ zu sehen.
Foto:
dpa
Der Künstler Ai Weiwei hat am 13. Februar das Berliner Konzerthaus mit Rettungswesten von der griechischen Insel Lesbos einkleiden lassen. Damit will er auf die Flüchtlinge, die auf ihrer Flucht nach Europa ertrunken sind, aufmerksam machen. Ai Weiwei ist Ehrenpräsident des „Cinema for Peace“, das zeitgleich zur Berlinale stattfand.
Foto:
dpa
Der einzige deutsche Film im Wettbewerb heißt „24 Wochen“. Was macht ein Paar, bei dessen ungeborenem Kind Trisomie 21 diagnostiziert wird?
Foto:
dpa
Außerdem war im Wettbewerb: der Film „Chang Jiang Tu“. Kapitän Gao Chun fährt mit seinem Frachter auf dem chinesischen Jangtse flussaufwärts. Er soll die Seele seines verstorbenen Vaters befreien und ist gleichzeitig auf der Suche nach der großen Liebe. Der Film ist am 21. Februar im Haus der Berliner Festspiele zu sehen.
Foto:
dpa
Johnny Oritz ist erst 19 Jahre alt und hat bereits seine erste Hauptrolle im Film „Soy Nero“, der im Wettbewerb gezeigt wurde. Darin verkörpert er den mexikanischen Jungen Nero, der US-Bürger werden will. Oritz hat eine besondere Verbindung zum Thema: Seine Familie ist auch in die USA migriert.
Foto:
dpa
Der Schauspieler Gérard Depardieu bewarb am Freitag „Saint Amour“. Der Film gewann keinen Bären, er lief außer Konkurrenz.
Foto:
reuters
An anderer Stelle greift der Opa seinem Enkel buchstäblich an die Eier, um diesen wissen zu lassen, dass er solche zur Führung der Familie entbehre.
Völlig delirant ist schließlich eine Szene, die eine Vergewaltigung markieren soll und sich dabei zu abenteuerlichstem Manierismus hinreißen lässt. Auch im Kunstgewerbe bleibt sich Tamahori treu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Ich hab den Film auch gesehen und fand neben den von Ihnen angesprochenen Klischees, den Aspekt interessant, dass die "Einheimischen" sich mehr mit sich selbst beschäftigen als mit dem Fakt, dass die Weißen ihnen das Land weggenommen haben mit dem sie dann reich geworden sind.
Leider beschäftigen sich die Bestohlenen am Ende mehr mit sich selbst als mit einer der Ursachen ihres Daseins.
Wie auch immer, wer selbst ein Autoritäten Thema hat kommt schon auf sein Kosten nd die gelebte Solidartät in der abgespalteten FAmilie ist auch eine Erfahrung wert.
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett