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Kunst und Fehler

Beim 5:0 auf Schalke spielt Leipzig meisterhaft. In Gelsenkirchen haben sich dennoch alle ganz lieb – nur Keeper Nübel erntet Pfiffe

Unglückliche Figur: Schalkes Noch-Torhüter Alexander Nübel beim ersten Leipziger Tor Foto: ap

Aus GelsenkirchenDaniel Theweleit

Ein Hauch von Übermut ergriff Timo Werner, nachdem RB Leipzig ein denkwürdiges Kunststück vollbracht hatte. Das 5:0 beim FC Schalke war der höchste Auswärtssieg der Rasenballer in ihrer Bundesligageschichte, während die Gelsenkirchener seit 1981 kein Heimspiel mehr so deutlich verloren haben. RB präsentiert sich nach vier Partien ohne Gegentreffer als äußerst gefährlicher Rivale für die Titelkandidaten aus München und Dortmund. Timo Werner aber ließ sich bereitwillig von all diesen schönen Dingen ablenken.

Als der Stürmer zu Spekulationen über einen möglichen Wechsel zum FC Liverpool befragt wurde, schürte er entsprechende Gerüchte, statt im Hier und Jetzt der laufenden Erfolgssaison zu bleiben. „Es sprechen viele Sachen dafür, dass ich mit meiner Spielweise da vielleicht gut hinpassen würde“, sagte Werner. „Wir haben dort mit den besten Trainer der Welt mit Jürgen Klopp, der deutsch ist.“

Das klang, als wolle der Torjäger ziemlich dringend in die Premier League wechseln. Am besten natürlich nach dem Gewinn der Meisterschaft. „Wir sind Verfolger Nummer eins, so soll es auch bleiben und vielleicht können wir am Ende überholen“, erklärte der Nationalspieler, der nach vier Partien ohne eigenes Tor wieder getroffen hatte. An diesem Abend war er wieder einmal Teil eines perfekt funktionierenden Kollektivs, das praktisch keine Schalker Chance zugelassen hatte.

„Die defensive Stabilität ist der Schlüssel, erfolgreich zu sein, das haben wir in Bayern in London und heute gezeigt“, sagte Torhüter Peter Gulasci. Denn vorne ist die Qualität ohnehin enorm. Mit Marcel Sabitzer, der wieder mal ein Stück offensiver spielte, mit Christopher Nkuku, der vier Treffer vorbereitet hat, und den stürmischen Außenverteidigern Angeliño sowie Nordi Mukiele. Schalke 04 war hoffnungslos überfordert, wobei die Spieler am Ende trotz der krachenden Niederlage mit einer dicken Portion Liebe überschüttet wurden. „Unglaublich, ich habe so etwas noch nie gesehen“, staunte Jonjoe Kenny, nachdem die Menschen auf den Rängen ein erstaunliches Signal gesendet hatten.

Der FC Schalke ist ja bekannt für seine Neigung zur internen Kontroverse, am Samstag standen sie nun inmitten der bislang schwierigsten Wochen der Saison ganz eng beisammen. Sportvorstand Jochen Schneider berichtete von einer „Gänsehaut“, mit der sein Körper auf die Liebe aus der Kurve reagiert habe, und fand die Reaktion der Anhänger „phänomenal“.

In diesen schweren Wochen stehen sie bei Schalke ganz eng beisammen

Wobei auch destruktive Kräfte gewirkt hatten. Schon nach einer Minute lagen die Gäste in Führung, weil Alexander Nübel unter einem Fernschuss von Marcel Sabitzer hindurchgesegelt war. Nachdem der Torhüter noch zwei mal fehlerhaft agierte, wurde Nübel erstmals von einer große Gruppe Schalker ausgepfiffen. Bis zu diesem Moment hatten sie Nübel trotz seines für viele unverständlichen Wechsels nach München weitgehend in Ruhe gelassen, nun erhielten die Torwartdebatten neuen Treibstoff, Wagner reagierte schwer genervt, als ein TV-Reporter mit immer neuen Nübel-Fragen weiter bohrte.

Dass die Schalker mittlerweile ein Torhüterproblem haben, lässt sich aber kaum bestreiten. In die Saison sind sie mit zwei der besten jungen Keeper Deutschlands gestartet, nach den turbulenten Entwicklungen rund um seinen Wechsel nach München hat Nübel nun seine Form verloren. Und Ersatzmann Markus Schubert wirkte am Jahresbeginn ebenfalls unsicher, als er den damals gesperrten Nübel vertrat. Wobei die Torhüterkrisen wohl nicht nur mit den vielen Schlagzeilen und Diskussionen zu tun haben.

Der gesamte Kader leidet unter einer „Leistungsdelle“, wie Schneider konstatierte. Einen Grund zur Panik liefere dieser Befund aber nicht, beteuerten alle Schalker, schließlich gebe es Gründe. Aufgrund der vielen Verletzungen sei das „Trainingsniveau“ derzeit nicht so hoch, erklärte Wagner, ein weiteres Problem sei, dass „Spieler, die viel gespielt haben, die eine Pause gebrauchen könnten, keine Pause kriegen“. Zudem handele es sich um eine „sehr junge Mannschaft“, die so eine Misserfolgsserie weniger guter Resultate erst mal verkraften müsse. Na dann.

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