Kunst mit sozialer Funktion: Nützlich und schön

Der Hamburger Architekt Meinhard von Gerkan wird 80 Jahre alt – und bleibt umtriebig, aber auch erfrischend unprätentiös.

Durchs Abi gefallen: Meinhard von Gerkan, heute ein erfolgreicher Architekt. Bild: DPA

HAMBURG taz | Dass Meinhard von Gerkan, der am Samstag achtzig Jahre alt wird, zu einem der bekanntesten Architekten Deutschlands werden würde, war lange nicht absehbar: In Riga geboren, wurde er früh Vollwaise: Der Vater starb als Soldat im Zweiten Weltkrieg, die Mutter auf der Flucht. Meinhard von Gerkan wuchs in einer Pflegefamilie in Hamburg auf, fiel durchs Abitur an der Waldorfschule in Hamburg, brach erst ein Jura- und ein Physikstudium ab.

Schließlich studierte er Architektur an der TU Braunschweig, gründete mit Volkwin Marg das Büro GMP in Hamburg und gewann bald danach den Wettbewerb für den Flughafen Berlin-Tegel. Wenn Gerkan über seine Arbeit spricht, so klingt das erfrischend unprätentiös: Nein, der Gründung des Büros habe keine Vision zugrunde gelegen, sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandradio. Sie seien dem Prinzip „Try and Error“ gefolgt. Ähnlich schlicht klingt es, wenn Gerkan beschreibt, was seine Entwürfe leisten sollen: „Vom Einfachen das Beste.“ Welche Einfachheit er meint? „Eine Einfachheit und Sinnfälligkeit, die der sozialen Anbindung dient.“

Architektur, das ist für ihn nicht l’art pour l’art, sondern Kunst, die eine Funktion hat – aber dabei nicht auf ästhetischen Anspruch verzichtet. Eben darüber ist er mit dem einstigen Bahnchef Mehdorn aneinander geraten, als der ihm das gläserne Bahnhofsdach in Berlin um 110 Meter kürzte und unterirdisch eine Flach- statt eine Gewölbedecke einziehen ließ. „Wir haben einen Bahnhof, keine Kathedrale bestellt“, bellte Mehdorn damals. Das sei, als ob dem eigenen Kind die Arme abgeschnitten würden, beschreibt es Gerkan, der die Bahn verklagte – und die Hoffnung nicht aufgegeben hat, dass das Dach noch verlängert wird.

Deutschland ist längst nicht das wichtigste Standbein von Gerkans Arbeit. Der Architekt, der inzwischen fünf Flughäfen und 27 Stadien gebaut hat, errichtet in China gerade eine neue Stadt für 1,2 Millionen Einwohner. Das Land ist für die Hälfte seiner Aufträge verantwortlich – und indirekt für die Kritik, die an Gerkan laut wird.

Er baue kritiklos Prestigebauten wie das Nationalmuseum am Platz des Himmlischen Friedens. Gerkan nennt die Kritik „weltfremd“ und will keinesfalls wie Kollegen nur noch private Aufträge in China erfüllen. Schließlich hätten die ein viel geringeres Ausdruckspotenzial als die öffentlichen: Damit gestalte man „das Gesicht einer Nation“.

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