Kunst im Impfzentrum: Kein Warten ohne Werbung
Im ehemaligen Flughafen Tegel, jetzt ein Impfzentrum, hängen nun Poster berühmter Gemälde. Verziert sind sie etwas eigenwillig.
M an wartete viel in dieser Pandemie. Auf den Paketboten, die Essenslieferung, auf die erlösende Mitteilung des hoffentlich negativen PCR-Testergebnisses oder den Rücktritt von korrupten Unionsabgeordneten.
Selbst jetzt, am scheinbaren Abflauen der Krise, ist der Wartemodus allgegenwärtig. Wir warten auf den Impftermin. Und, wenn dann der große Tag gekommen ist, warten wir ebenfalls: auf den Shuttlebus, in der Schlange vorm Eingang, nach der Impfung im Beobachtungsraum.
Auch im ehemaligen Flughafen Tegel, jetzt ein Impfzentrum, wird wieder gewartet. Im Terminal sitzen wie damals auch heute Menschen auf Stühlen und lassen gedankenverlorene Blicke durch die Halle schweifen.
Früher, vor Ende des Flugbetriebs, wartete man auf den Flieger gen Süden, jetzt auf den langersehnten Piks in Richtung Normalität. Beides ein Freiheitsversprechen, beides die verdammte Warterei wert, würde man meinen. Braucht es da noch Ablenkung oder gar vorfreudige Hinweise auf die Möglichkeiten, die das Reiseziel, respektive das irgendwann postpandemische Berlin bietet?
Hashtags verdecken Kunst
Schaden kann es vermutlich nicht und darum hängen in Tegel und den anderen Berliner Impfzentren jetzt Poster von Kunstobjekten aus Berliner Museen. Schöne Sache eigentlich, wären da nur nicht diese riesigen pinken #Hashtags, die die Hälfte der Kunst überdecken und sie zur schnöden Werbung verkommen lassen.
Die Museen seien „endlich wieder offen für #travelgram“, steht da zum Beispiel. Was das bedeuten soll, bleibt unklar, aber irgendwo unter der Schrift vergraben können die Wartenden immerhin ein wunderschönes Gemälde ausmachen.
Nun ist die Idee wahrlich nicht neu: Überall dort, wo Menschen warten müssen und ihre reizarme Umgebung mustern, lässt sich prima Aufmerksamkeit für allerlei Dinge erzeugen. An den weißen Wartehallenwänden eines Flughafenterminals hängen zum Beispiel auch oft Werbeplakate. Für Autos vielleicht, oder Dubai-Reisen oder irgendeinen Herrenduft.
Erklärtes Ziel der Kampagne der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist es, die Menschen zurück in die Museen zu locken. Im Impfzentrum soll gezeigt werden, was da alles so in der Museumsinsel hängt.
Berlinale im Testzentrum
Doch warum hier schon aufhören? Dieser Tage werden auf jedem verfügbaren Quadratmeter Erdgeschoss Schnelltests durchgeführt, die Berlinale läuft auch gerade – wie wäre es also mit Kurzfilmvorführungen? 20 Minuten Wartezeit auf das Testergebnis, 20 Minuten Kurzfilm, passt zusammen!
Auch telefonische Lesungen für alle, die seit der Aufhebung der Impfpriorisierung in den endlosen Warteschlangen der Hausärzt*innen am Hörer hängen, könnten den Menschen Lust machen auf Bücher. Literatur in kleinen Dosen, frei Haus.
Wobei, vielleicht ist das gar nicht mal so eine gute Idee, den Alltag jenseits der Pandemie so weit in sein pandemisches Pendant hineinzulassen. Vielleicht wären sogar gerade die Impfzentren ein guter Ort, um in ihnen ein letztes steriles Stück Lebenszeit zu verbringen, so ganz ohne Kunst. Als Zeichen: Hier endet die monatelange Abstandhalterei, Desinfiziererei und Zimmerwände-Anstarrerei; hier kann man sie noch ein letztes Mal betrachten, die Coronarealität (jedenfalls in europäischen Gefilden).
Doch so weit ist es für viele ohnehin noch nicht: Wer jung, ohne Vorerkrankungen oder Hausärzt*innen im Freundeskreis ist, wartet noch auf seine*ihre Erstimpfung. Und muss sich vorerst weiter in einer anderen Kunstform üben – der Geduld.
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