Kunst am Kottbusser Tor: Öffentliche Haltung
Das Projekt „Gecekondu Plus“ erweitert das Mieter_innen-Protesthaus am Kottbusser Tor zu einem Ausstellungsort für Kunst im öffentlichen Raum.
Ganz bescheiden markiert das „plus“ im Projekt „Gecekondu Plus / Das Gecekondu als Medium“ die Erweiterung des Protesthauses gegenüber dem Südblock am Kottbusser Tor zu einem Ort der Kunst im öffentlichen Raum. Besser gesagt: die offizielle Erweiterung, denn als Aktionsort von unten, der so eingängige Symbole wie das Monster gegen Mietenwahnsinn hervorbrachte, ist das Gecekondu als Nachbarschaftstreffpunkt und Herzstück der Kreuzberger Bewegung für die Rechte der Mieter_innen mit Kunstaktionen, Plakatcollagen, Konzerten und Ausstellungsprojekten seit gut zehn Jahren ein visuell markanter Ort für Aktionen im Stadtraum.
Für Gecekondu Plus, einer Kooperation von Kotti & Co, Kotti-Coop e. V. und image-shift, wurden nun die Außenwände des 2012 über Nacht gebauten Holzhauses in seine Geschichte gekleidet: Auf bunten und schwarz-weißen Fotos der letzten Jahre sind die berüchtigten Topfdeckeldemos zu sehen, Treffen, Feiern und geteilter Alltag am Ort. Die Rückseite zeigt die Mietshäuser am Kotti aus der Vogelperspektive, das Rauszoomen zeigt noch einmal, wie die Arbeit vor Ort die Frage der Stadtentwicklung vom Kiez auf die Stadt und schließlich auf eine bundesweite Perspektive erweiterte.
Mit Förderung im Rahmen von Draußenstadt und dem Berliner Projektfonds Urbane Praxis wurden im September nun am Gecekondu mobile Ausstellungsflächen hinzugefügt, tagsüber sind Plakataufsteller und große Banner zu sehen, die sozialpolitische Fragen aufwerfen, zu Wahlrecht und Staatsbürgerschaft oder zu Ungleichheit im Bildungssystem. Noch bis Ende des Jahres werden die Flächen mit wechselnden Positionen bespielt. Danach sind weitere politisch-soziale Initiativen und Künstler_innen eingeladen, sie zu füllen.
Gecekondu Plus, bis Ende Dezember wechselnde Positionen, Fotos 24/7, Banner tagsüber, Admiralstr. 1
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2019 hatten Sandy Kaltenborn (für Image-shift, Kotti & Co und Kotti-coop) and Stefan Endewardt & Julia Brunner (für Kotti-Shop und Superfuture) beim „Berlin bleibt!“-Festival im HAU in der ehemaligen Postfiliale am Halleschen Ufer die Wallpaper-Ausstellung „der kotti ist kein ponyhof“ gestaltet. Die Strategie, im Stadtraum visuelle Narrative einzusetzen, wurde durch eine Publikation ergänzt, die das physische Erleben von Wohngegenden und ihrer Architektur thematisiert und das Konflikthafte in gemeinsamen Aktionen nicht ausblendet. „Der Begriff der Haltung hat viele Facetten. Er verwebt das Körperliche mit dem Mentalen,“ heißt es dort. Und genau das ist die Grundlage für kollektives urbanes Handeln.
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