Kundus-Affäre: Das Versäumnis des Generals
Der veröffentlichte Wortlaut aus dem Rücktrittsgesuch von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan entlastet Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
BERLIN taz | Die Opposition im Bundestag legt sich auf eine Strategie fest, wie sie im Untersuchungsausschuss zu den Luftangriffen im afghanischen Kundus vorgehen will. Knackpunkt wird die Frage sein, ob Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Öffentlichkeit belog, als er den Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, entlassen hat.
Der Stern veröffentlichte am Donnerstag das Rücktrittsgesuch Schneiderhans, das Guttenberg entlasten könnte. Darin schreibt der Generalinspekteur, Guttenberg habe seine Einschätzung des Luftangriffes nur aufgrund eines Berichts der Isaf - also der internationalen Schutztruppe - vorgenommen. "Andere Zwischenberichte, Berichte und Meldungen wurden Ihnen nicht vorgelegt. Dafür übernehme ich die Verantwortung", schreibt Schneiderhan weiter.
Schneiderhan hatte am Mittwoch in der Zeit gesagt, Guttenberg verbreite die Unwahrheit, wenn er behaupte, der Generalinspekteur habe ihm Informationen vorenthalten oder unterschlagen.
Durch die Veröffentlichung im Stern ist bewiesen, dass Schneiderhan nicht umfassend informierte. Bei dem Bombardement auf zwei von den Taliban entführte Tanklaster auf deutschen Befehl hin kamen bis zu 140 Menschen ums Leben, darunter auch viele Zivilisten.
"Es ist ein politischer Skandal, dass Guttenberg in Kenntnis des Isaf-Berichts sagt, der Angriff sei angemessen gewesen. Das führt zumindest dazu, dem Minister einen Rücktritt nahe zu legen", sagte Paul Schäfer, Obmann der Linkspartei, im Verteidigungsausschuss der taz. Wichtiger sei aber derzeit die Frage nach den Umständen der Entlassung Schneiderhans.
Sein Kollege von den Grünen, Omid Nouripour, deutete an, dass er Guttenberg in der Frage für unglaubwürdig hält: "Ich kenne Herrn Schneiderhan und habe ihn als sehr integere Persönlichkeit kennengelernt", sagte Nouripour und schränkte ein: "In den letzten Tagen habe ich aber gelernt, nichts mehr zu glauben."
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel wirft Guttenberg vor, die Verantwortung für die Fehleinschätzung des Angriffs auf Schneiderhan abzuwälzen. Im "ZDF-Morgenmagazin" sagte er, Guttenberg habe einen "hochverdienten General" einfach rausgeschmissen und die Unwahrheit gesagt, "nur weil er in der Öffentlichkeit gut dastehen will".
Guttenberg selbst hatte im Bundestag am 26. November allerdings nur behauptet, dass ihm Informationen fehlten. Deshalb dürfte der Vorwurf der Opposition, der Minister habe den Bundestag belogen, kaum aufrecht zu erhalten sein.
Die Oppositionsparteien von SPD, Grünen und Linke fordern, Guttenberg noch im Januar vor den Untersuchungsausschuss zu zitieren. Sollte sich die Opposition nicht mit der Regierung einigen, wer wann geladen wird, dürfen die beiden Lager abwechselnd Zeugen hören. Die Aussagen politisch Verantwortlicher sollen öffentlich sein. Werden Einsatzberichte etwa der Spezialeinheit KSK besprochen, soll dies hinter verschlossenen Türen geschehen.
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