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KI-Hotlines im KundenserviceDer Trick mit der gefühlten Wartezeit

Endlosdudel-Warteschleifen und Sinnlos-Dialoge? Das kennen viele aus Firmen-Hotlines und -Chats. Doch es gibt erste Ansätze, sich zu wehren.

Warteschleifen waren schon immer sehr enervierend Foto: imago

W arten auf den Bus, im Stau, im Wartezimmer der Arztpraxis. Warten, bis bei der Telefonhotline jemand abnimmt, bis beim Bürgeramt die eigene Wartenummer erscheint, bis die meterlange Schlange an der Supermarktkasse abgearbeitet ist.

Es gibt diverse Untersuchungen darüber, wie lange wir in unserem Leben in diesen Situationen warten und die Ergebnisse gehen auseinander. Das könnte daran liegen, dass die gefühlte Wartezeit in einem werbebedudelten Supermarkt oder mit Magen-Darm-Virus im Wartezimmer länger ist, als die mit einer Stoppuhr gemessene.

Aber: Auch, wenn das Leben durch die Digitalisierung eigentlich effizienter werden soll, schafft sie immer neue Wartegelegenheiten: Warten, bis am Bahn-Serviceschalter der Computer wieder läuft. Bis der Router neu gestartet hat. Bis sich am anderen Ende des Video-Ident-Services fürs Konto jemand meldet. Verantwortlich für die nächste Runde an Wartezeitverlängerungsmaßnahmen könnte nun folgende Kandidatin sein: künstliche Intelligenz.

Denn aus Unternehmenssicht ist die Sache klar: KI – müssen wir unbedingt einsetzen! Machen jetzt schließlich alle, ist die Zukunftstechnologie, und wie stehen wir denn da vor Geldgebern, Ak­tio­nä­r:in­nen oder wenn die Wirtschaftsministerin mal auf ihrer Sommerreise vorbeischaut und wir sagen: KI? Nö, können wir bisher nicht sinnvoll nutzen. Machen wir dann, wenn wir wirklich etwas verbessern können damit. Also, wo kann KI hin, so, dass sie am wenigsten Schaden anrichtet? Vielleicht ein Bereich, der nicht ganz so wichtig ist wie Controlling oder IT-Abteilung? Ah, na klar: Kundenbetreuung. Einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom zufolge setzen 88 Prozent der Firmen in Deutschland KI im Kundenkontakt ein.

Endlosdudel-Warteschleifen und Sinnlos-Dialoge

Und so kommt, was kommen muss: Kun­d:in­nen hängen nicht nur in Endlosdudel-Warteschleifen. Sondern auch in Sinnlos-Dialogen mit der KI. Kein Wunder, dass sich Gegenwehr formiert: Kun­d:in­nen suchen Wege, wie möglichst schnell an der KI vorbeizukommen ist. Aktuell kursiert folgender Trick: möglichst sinnlose Eingaben tätigen. Warum bei der Bestellung am Fast-Food-Drive-in nicht mal 4.000 gebratene Kokosnüsse bestellen? Im Dialog mit dem Support eines Online-Händlers fragen, ob die Kaffeemaschine über Flügel verfügt? Und beim KI-Bot der Bank nach einem Einhorn-Konto verlangen?

Psy­cho­lo­g:in­nen wissen längst: Beschäftigung verkürzt die gefühlte Wartezeit. Deswegen legen Flughäfen schon mal bewusst die Gepäckbänder weit weg vom Ankunftsbereich. Besser laufen als warten. Wahrscheinlich sind die KI-Bots genau so ein Trick. Damit am Ende die Erlösung durch den menschlichen Kommunikationspartner um so größer erscheint.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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