Kulturpreis nach NSDAP-Mitglied benannt: Umbenennung nicht nötig?
„Eduard-von-der-Heydt“-Kulturpreis: Im Umgang mit der NS-Geschichte beweist die Stadt Wuppertal Opportunismus und Amnesie.
Lokale Politik spielt sich oft zwischen Farce und Trauerspiel ab. Im Falle Wuppertals hat das Tradition. 1975 beschloss die Stadt, im Engelsgarten eine Skulptur aufstellen zu lassen, die sich auf den in der Nähe geborenen Friedrich Engels (1820–1895) beziehen sollte. Ausgewählt wurde der Entwurf des phänomenalen Plastikers Alfred Hrdlicka (1928–2009). Der programmatische Titel seines Werks: „Die starke Linke“, im Volksmund: „Friedrich-Engels-Denkmal“.
Die ursprünglich vorgesehene Summe für die Finanzierung (130.000 DM) erwies sich bald als unrealistisch, da Hrdlicka mit dem ersten Carrara-Marmorblock nicht zufrieden war und einen zweiten bestellte, womit sich eine Verzögerung ergab. Die Stadtverwaltung beharrte auf dem Lieferungstermin wie ein Tante-Emma-Laden auf Barzahlung.
Hrdlicka, erfahren im Umgang mit Wiener Spießern, erhöhte daraufhin seine Honorarforderung, was den Konflikt nicht beruhigte. Der Spiegel heizte die Kontroverse um das „kommunistische“ und „überteuerte“ Denkmal demagogisch an, konnte aber nicht verhindern, dass es am 2. 7. 1981 eingeweiht wurde. Die konservativen Lokalgrößen boykottierten das Ereignis.
Mit der jüngsten Geschichte in Wuppertal mischt sich allerdings auch Tragisches in die lokale Posse. Es geht um die Dynastie von der Heydt, die seit 1754 in Wuppertal im Privatbankgewerbe tätig ist. Wie sein Vater August Karl wandte sich auch sein Sohn Eduard von der Heydt (1882–1964) nach dem Studium und einer Banklehre dem Bankwesen zu. 1909 gründete er in London das Bankhaus „E. von der Heydt & Co.“ und 1920 in Amsterdam die „Von der Heydt-Kersten’s Bank“.
1927 übernahm die Familie Thyssen Eduard von der Heydts Banken und benannte sie 1930 in „August-Thyssen-Bank“ um. Von der Heydt blieb bis 1943 für diese Bank tätig. Über die August-Thyssen-Bank wickelte die deutsche Abwehr ihren gesamten Zahlungsverkehr ab, von der Heydt war in Finanzflüsse an deutsche Nazi-Agenten im Ausland unmittelbar involviert.
Sammlerleidenschaft mit Steuerersparnis
In der Schweiz hatte Eduard von der Heydt 1926 den Monte Verità bei Ascona erworben, ein Hotel errichtet und den Ort zu einem kulturellen Treffpunkt von europäischer Ausstrahlung gemacht. Bereits Vater August von der Heydt hatte eine bedeutende private Kunstsammlung aufgebaut. Neben seiner Tätigkeit als Bankier begann nun Sohn Eduard von der Heydt, außereuropäische, aber auch europäische Kunstwerke zu sammeln.
Innerhalb kurzer Zeit baute er eine Privatsammlung mit über 3.000 Werken auf. Seinem Verständnis nach war Kunst ein universelles Gesamtkunstwerk, in dem regionale und nationale Grenzen keine Rolle spielten. Seine hochwertige Gemäldesammlung übereignete er 1952 dem Städtischen Museum Wuppertal, das in den Folgejahren in Von der Heydt-Museum umbenannt wurde.
Eduard von der Heydt betrieb zuvor das Sammeln von Kunstwerken genau so professionell und nach den gleichen Grundsätzen wie sein Bankengewerbe – mit wachem Geschäftssinn auf Marktwertsteigerung und Risikostreuung bedacht. Mit Leihgaben an nicht weniger als 70 Institutionen in zahlreichen Ländern minimierte er sein Risiko und steigerte den Wert der Kunstwerke. Da er seine Sammlerleidenschaft mit Krediten der eigenen Bank finanzierte, sparte er obendrein Steuern.
Mitglied in der NSDAP
Die Stadt Wuppertal ehrte den Mäzen 1957 auch mit der Benennung ihres Kulturpreises nach seinem Namen sowie mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft. Während Jahrzehnten wollte man die Schattenseiten der widersprüchlichen Person von der Heydts und deren Geschichte nicht wahrnehmen und verniedlichte diese bestenfalls zu „persönlichen Verstrickungen“. Seine NSDAP-Mitgliedschaft (Nummer 1561948 vom 1. 4. 1933) war zwar nicht zu bestreiten, wurde aber hemdsärmelig relativiert mit dem Hinweis, von der Heydt sei 1939 wieder aus der Partei ausgetreten.
Das beruht auf einer Verdrehung der Tatsachen. Die Partei warf ihn statutengemäß aus der Partei, weil er am 28. 4. 1937 die schweizerische Staatsbürgerschaft erworben hatte. Gegen seinen Parteiausschluss hat sich von der Heydt sogar mit juristischen Mitteln gewehrt – allerdings vergeblich, wie Francesco Welti in seinem Buch „Der Baron, die Kunst und das Nazigold“ (2008) nachgewiesen hat.
Von der Heydt wurde 1941 von der Polizeiabteilung des Berner Innenministeriums vorgeladen, weil er seine Briefe mit „Heil Hitler!“ und „Evviva il Duce“ unterschrieben hat, mit Göring von Sammler zu Sammler korrespondierte und einem Museumsdirektor gegenüber „die wunderbaren Erfolge der deutschen Waffen“ (Juli 1940) lobte. Kaum Schweizer Bürger geworden, engagierte er sich im „Bund treuer Eidgenossen nationalsozialistischer Weltanschauung“, der verboten wurde, weil er den Anschluss der Schweiz an das „Dritte Reich“ betrieb.
Seit 2002 gab es in Wuppertal Kritik an der opulenten Würdigung von der Heydts. Die WASG bzw. die Linkspartei verlangten schon vor zwölf Jahren die Umbenennung des „Eduard von der Heydt-Kulturpreises“. Besonders aktiv waren dabei die „Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft“ und ihr Vorsitzender Hajo Jahn sowie der „Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal“ und ihr Vorsitzender Dieter Nelles.
Der Beschluss ist eine Farce
2008 erreichten die Aktivisten, dass die Stadt den Namen des „Eduard von der Heydt-Kulturpreises“ zu „von der Heydt-Kulturpreis“ verkürzte. Wenigstens am Nachnamen wollte man festhalten, weil ein Teil der Kunstwerke im Museum aus der Sammlung seines Vaters, August Karl, stammen, dem der kinderlose Sohn Eduard die Sammlung schon 1922 für einen inflationsbedingt niedrigen Preis abgekauft und später dem Museum geschenkt hatte. Für den Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) ist die Zeit für den großkoalitionären Umbenennungs-Kompromiss jedoch abgelaufen.
In der Sitzung vom 4. Mai 2016 fasste die Kommission „Kultur des Erinnerns“ mit einer einzigen Gegenstimme den Beschluss: „Die Umbenennung des ‚Eduard von der Heydt-Preises‘ ist im Jahre 2008 aufgrund eines ungesicherten Vorwurfs einer angeblichen (! RW) NS-Verstrickung in den Jahren 1933–1945 zunächst unter Vorbehalt erfolgt. (…) Zwischenzeitlich (konnten) diese Vorwürfe nach einhelligem Expertenurteil als unzutreffend ausgeräumt werden. Die Begründung für den Beschluss aus dem Jahr 2008 ist damit entfallen.“
Der Beschluss ist eine Farce, denn mit dem „einhelligen Expertenurteil“ ist vor allem das Urteil des städtischen Angestellten des Historischen Zentrums der Stadt Wuppertal, Eberhard Illner, gemeint. An einem Symposion, das 2015 im Rahmen der Ausstellung „Weltkunst. Von Buddha bis Picasso. Die Sammlung Eduard von der Heydt“ veranstaltet wurde, nahm genau eine Expertin teil, der man 1998 noch den Zutritt zum Heydt-Nachlass verwehrt hatte.
Sie beurteilt von der Heydt, im Gegensatz zur Lokalprominenz, sehr kritisch: „Eduard von der Heydt war von 1933 bis 1939 NSDAP-Mitglied, dies sicherlich aus opportunistischen Gründen. Er hatte Verpflichtungen damals durch seine Leihgaben in deutschen Museen, durch seine Familie im nationalsozialistischen Deutschland, und er war im Aufsichtsrat der August-Thyssen-Bank. Insofern ist der Name natürlich durchaus belastet, Eduard von der Heydt hatte keine weiße Weste.“ (Esther Tisa Francini, NZZ 27. 7. 2013).
Eingehegter Sachverstand
Die Lokalpresse jedoch begrüßte den Beschluss der Kommission „Kultur des Erinnerns“ mit der Schlagzeile, „Umbenennung war unnötig“. Stadt und Kommission schweigen dazu, was aus dem Beschluss zur Revision der Umbenennung folgen soll.
Bizarr ist der Kommentar von Lothar Leuschen (Westdeutsche Zeitung v. 13. 5. 2016): „Vor dem Hintergrund dessen, was sich derzeit in Europa abspielt, nach dem Besorgnis erregenden Rechtsruck in Ungarn, Polen, Österreich – und auch Deutschland – wäre es vielleicht sogar ein richtiges Signal, den Preis wieder nach Eduard von der Heydt zu benennen.“
Der lokal eingehegte Experten- und Sachverstand nennt Eduard von der Heydt auch schon mal einen „Humanisten im übergreifenden Sinne“ (Eberhard Illner), und für ein Mitglied der Kommission „Kultur des Erinnerns“, das zugleich ein Jubelbuch für von der Heydt sponserte, war „die Umbenennung des Kulturpreises ein großes Unrecht“ (Jörg Mittelsten Scheid, CDU-Dissident und Urenkel der Wuppertaler „Vorwerk & Co. KG“).
Der Kulturdezernent Matthias Nocke übersetzte den Slogan „Schwamm drüber!“ ins gerade geltende CDU-Deutsch: „Menschliche Würde und persönliche Integrität sind auch nach dem Tod geschützt.“ Aus historischer Sicht erscheint von der Heydt als das, was er vor allem und zuerst war – Sammler und „Finanzdienstleister für Hitler“ (Jürgen Kahl NZZ v. 19. 1. 2016).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen