Kulturpolitischer Eklat mit Belarus: Unterwegs Richtung Nordkorea
Belarus isoliert sich immer mehr. Nun wirft Lukaschenko sogar das Goethe-Institut aus dem Land. Das ist ein weltweit einmaliger Vorgang.
„Fack ju Göthe!“ Die Folgen der jüngsten EU-Sanktionen gegen Belarus bekommt jetzt auch Deutschland direkt zu spüren – genauer gesagt das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). In dieser Woche forderte das belarussische Außenministerium die Deutsche Botschaft in Minsk dazu auf, die Tätigkeit der beiden Organisationen einzustellen. Als Frist werden vier Wochen gesetzt, um die Zelte abzubrechen.
Offensichtlich geht der Verfolgungswahn von Staatspräsident Alexander Lukaschenko mittlerweile so weit, dass jetzt auch noch die deutsche Sprache und Kultur extremistischer Umtriebe bezichtigt werden und unter dem Verdacht stehen, die belarussische Staatsordnung unterminieren zu wollen.
Das Goethe-Institut ist seit 27 Jahren in der belarussischen Hauptstadt tätig und beschäftigt 60 Mitarbeiter*innen – darunter drei Entsandte aus Deutschland. Neben Sprachkursen und Diskussionsrunden ist auch die enge Zusammenarbeit mit belarussischen Künstler*innen ein Schwerpunkt der Arbeit. Vor allem in letzterem Bereich wird die Luft seit dem Beginn der Massenproteste rund die gefälschte Präsidentenwahl am 9. August 2020 immer dünner.
Denn die brutalen Repressionen machen auch längst nicht mehr vor Kunstschaffenden halt. Mitglieder der Minsker Philharmonie fanden sich genauso im Gefängnis wieder wie Sänger*innen des Volny-Chors, der ausschließlich Lieder auf Belarussisch singt. Um von der Miliz gestoppt zu werden, reiche es oft schon, die Straße entlangzugehen und die falschen Noten unter dem Arm zu haben, so eine Sängerin, die anonym bleiben möchte.
So eine Form des Rausschmisses aus einem Land hat es für das Goethe-Institut weltweit bislang noch nicht gegeben; nur in den 80ern ging der Iran einmal ähnlich weit. In einer Stellungsnahme brachte der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, Bedauern über den jüngsten „Wunsch der belarussischen Regierung“ zum Ausdruck – verbunden mit der Hoffnung, die Arbeit in Belarus bald fortsetzen zu können.
Was kommt als Nächstes?
Das dürfte Lukaschenko, der am 23. Mai 2021 ein Flugzeug vom Himmel holen ließ, um einen Blogger festnehmen zu lassen, kaum beeindrucken. Stattdessen könnte es noch schlimmer kommen – sprich: als Nächstes könnten die Botschaften dran glauben müssen. Es wäre nicht das erste Mal. Bereits 1997 versuchte Lukaschenko, EU-Botschafter aus ihren Minsker Residenzen zu vertreiben, 2012 wurde der schwedische Botschafter des Landes verwiesen.
Volker Weichsel, Redakteur der Fachzeitschrift Osteuropa, sieht Belarus auf dem Weg in die 70er Jahre, wobei das Land die Richtung Nordkoreas eingeschlagen habe. Sein Kollege Manfred Sapper ist Mitunterzeichner eines offenen Briefes vom vergangenen Juni.
Darin fordern internationale Wissenschaftler*innen die EU zur Schaffung einer Osteuropäischen Universität auf, die sich vor allem repressierter belarussischer Student*innen annehmen könnte. Das wäre, angesichts vollmundiger Absichtserklärungen, eine echte Alternative.
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