: Kulturkampf
■ Die ungarische Botschaft paßt nicht ins neue Bild der Stadt
Der Unterschied am Pariser Platz könnte deutlicher nicht sein. Auf der einen Seite das Hotel Adlon mit seiner scheinbar klassischen Fassade und schräg gegenüber, Ecke Wilhelmstraße, die unscheinbare, fast schon häßliche ungarische Botschaft. Hier allenthalben Staunen und Bewunderung, dort unverhohlene Ablehnung. Und über allem steht die Frage: Paßt diese Stahlskelettbanalität aus DDR-Zeiten in die „gute Stube“ des neuen Berlin?
Mit der Architektur ist es so eine Sache. Als wirkungsmächtigste aller Kunstdisziplinen ist sie dem ständigen Urteil des Publikums ausgesetzt. Oder besser – dessen Geschmack. Denn auch für die Baukunst gilt: Man sieht nur, was man weiß. Und wer weiß schon, daß es sich beim Neubau des Adlon um eine klassische Fälschung handelt, bei der ungarischen Botschaft dagegen um ein Original, dessen Entwurfsgedanke sogar Aldo Rossi zu seiner Theorie über den Städtebau animierte?
Gerade im Widerstreit von Adlon und ungarischer Botschaft zeigt sich deshalb, daß Denkmalschutz keine Frage des guten oder schlechten Geschmacks ist. Oder würde heute einer auf die Idee kommen, Frank Beyers „Spur der Steine“ aus dem Verkehr zu ziehen, nur weil der DEFA-Film nicht mehr ins Bild zeitgenössischer Ästhetik paßt. Natürlich hinkt der Vergleich. Im Gegensatz zu einem Film, der sich, wie man weiß, nicht auf Dauer unterdrücken ließ, ist ein abgerissenes Gebäude freilich für immer verloren.
Aber genau darum scheint es den Kulturkämpfern Klemann und Strieder zu gehen: nicht mehr wissen und nicht mehr sehen sollen, was es in Berlin einmal gab, außer den mit historisierenden und pseudomodernen Tapeten verkleideten Plattenbauten der Neuzeit. Fast schon haben sie es geschaft. Wer weiß heute schon noch, was das Rosmarin-Karree war, das alte wohlgemerkt, nicht das hugengedubelte? Und wer mag angesichts der Monotonie des neuen Lindenkorsos glauben, daß das alte ein beliebter Treffpunkt auch der Opposition war?
Natürlich darf Denkmalschutz nicht zum Hobby weltfremder Bauhistoriker verkommen. Aber eben auch nicht zum Feigenblatt investorenhöriger Politiker. Nichts ist schließlich unästhetischer als eine Stadt aus dem einen Guß des „guten“ Geschmacks und, was dasselbe ist, der Rendite. Gerade Berlin als eine Stadt der Brüche darf ihre verschiedenen kulturellen und sozialen Schichten nicht der Ästhetik eins Eintopfs opfern.
Uwe Rada Bericht Seite 26
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