: Für wahre Fans ist jedes „Aber …“ am Ende Nebensache
Es gibt genug Gründe, „Friends“ als „schlecht gealtert“ zu bezeichnen. So ziemlich sämtliche Kritik, die das Netz seit Jahren über die Millennial-Sitcom anhäuft, ist berechtigt. Ist die Serie trotzdem ein Wohlfühlort im Fernsehen? Unbedingt!
Von Malaika Rivuzumwami
Nach 17 Jahren passiert es also wirklich: Die US-amerikanische Comedyserie „Friends“ kehrt zurück. Allerdings nicht für eine neue Staffel. Der Sender NBC zeichnet bloß eine Sondersendung zu Ehren eines der Regisseure der Serie auf, James Burrows. Man wird nur einmal mit allen ehemaligen Hauptdarsteller:innen am alten Set über vergangene Zeiten plaudern. Ohne Drehbuch. Trotzdem könnte die Vorfreude nicht größer sein.
Denn „Friends“ ist und bleibt ein Wohlfühlort – bei aller Kritik am überholten Gesellschaftsbild. „Friends“ spielt im New Yorker Bezirk Manhattan, wo alle sechs Hauptfiguren leben. Hauptschauplatz sind die beiden gegenüberliegenden WGs sowie das Stammcafé der Freunde, „Central Perk“. Die Serie startete im Jahr 1994 in den USA. Dort verfolgten schon nach kurzer Zeit jede Woche gut 30 Millionen US-Fans die erfolgreichste Sitcom der neunziger Jahre, zahlreiche Hollywoodstars hatten Gastauftritte. Zwei Jahre nach dem US-Start kam die Serie nach Deutschland.
Neben den Geschwistern Ross (David Schwimmer), einem Paläontologen, und Monica (Courteney Cox), die ihr Glück als Köchin versucht, gehörten zur Clique noch Chandler (Matthew Perry), ein Freund aus Ross’College-Tagen, mit einem so langweiligen Job in einem New Yorker Wolkenkratzer, dass selbst seine Freunde nicht wissen, was er den ganzen Tag macht, Joey (Matt LeBlanc), ein arbeitsloser Schauspieler, sowie die ausgeflippte Phoebe (Lisa Kudrow) und Ross’Jugendliebe Rachel (Jennifer Aniston).
Die Serie lebt vom Hin und Her der Beziehungen und von den überzeichneten Charakterzügen der Figuren. So ist der pedantische Ross als Besserwisser verschrien mit Neigung zu öden Dauermonologen, Monica hingegen ist ein Putzfreak mit Kontrollwahn. Phoebe ist die Gute-Laune-Frau der Gruppe, die Hippie-Musikerin mit schrägen Katzensongs. Die tollpatschige Rachel gilt als verwöhntes Lästermaul, die in einem Akt von Emanzipation Daddys Kreditkarten zerstört. Joey ist der Schönling und ein aufstrebender Seifenopernstar. Witzbold Chandler hat stets eine sarkastische Bemerkung parat und nimmt sich und seine schwierige Kindheit gern selbst aufs Korn. Die Serie lebt von den Missgeschicken und peinlichen Momenten der Gruppe. Mal verkleidete sich Ross zu Weihnachten als Gürteltier, mal blieb Joeys Kopf in einem Truthahn stecken – oder die Chaostruppe verlor ein Baby im Bus.
Wahre Fans haben in den vergangen Jahren fleißig aus der Serie zitiert, GIFs verschickt und immer wieder bei Staffel 1 angefangen zu gucken. Doch müssen sie sich auch Kritik an „Friends“ gefallen lassen: Nicht divers sei sie, dafür sexistisch und homophob. Ständig gibt es Witze darüber, dass Monica früher einmal zu dick war und Chandler öfter für homosexuell gehalten wird. Alle „Friends“-Hauptdarsteller:innen sind weiß, die meisten Figuren mehr oder weniger privilegiert. Lediglich die Familie von Joey Tribbiani sind italienische Einwander:innen. Gleiches gilt für die Nebenrollen. Abgesehen von Julie und Charlie Wheeler, beides Beziehungen von Ross, sind alle Darsteller:innen mit einer wiederkehrenden Rolle weiß.
Hinzukommen befremdliche Aussagen über Chandlers Dragqueen- und später transgender Vater oder die Tatsache, dass Ross nicht will, dass sein Sohn mit Barbie-Puppen spielt. Vor allem in den sozialen Netzwerken mehrfach kritisiert wird auch die Folge, in der Ross nicht damit zurechtkommt, dass eine männliche Nanny seine Tochter betreut.
Und es gibt rein gar nichts, was man diesen Vorwürfen entgegenstellen könnte. Zweifellos gab es zu dieser Zeit Serien und Sitcoms, bei denen Sexismus noch sehr viel präsenter gewesen ist, doch richtig entschuldigend ist das ja auch nicht. Damals fortschrittlicher als ihre Konkurrenz war immerhin der Plot um Ross’Exfrau, die in einer homosexuellen Beziehung lebt. Auch die Frauenrollen waren für die 90er-Jahre-Serien modern, denn die weiblichen Figuren wurden keineswegs als Frauen dargestellt, die ausschließlich nach Liebe und Ehe Ausschau haltenden. Monica hat ihr eigenes Catering-Business, Phoebe ist sowieso wahnsinnig unabhängig.
Überhaupt: Wohnungen in Manhattan bezahlen, während man noch in der Selbstfindungsphase ist, meist auf Dates oder mit Freunden im Coffeeshop rumhängt – unmöglich im New York von heute, unrealistisch wahrscheinlich schon damals.
Bei aller berechtigten Kritik: Die Serie macht auch heute noch Spaß. Vielleicht als guilty pleasure, vielleicht aber auch einfach um der Nostalgie wegen: mit Kaffee auf dem – leider nicht orangefarbenen – Sofa sitzen.
In Teilen war die Serie ihrer Zeit immer auch ein bisschen voraus. Und letztlich zeigt sie uns im Vergleich, wo wir heute schon weiter sind. Bei aller ernsthaften und wichtigen Diskussionen darum, wie gut eine Serie „gealtert“ ist, muss es auch mal in Ordnung sein, sich beim Titelsong („Da-dada-da-da-daaa – I’ll be there for you“) einfach nur zurückzulehnen. Und sich in einen Coffeeshop mit all seinen Freunden zu wünschen.
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