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Kuhhandel mit GrundstückenBürger fühlen sich verschaukelt

Berlin will den Mauerpark-Deal hinter verschlossenen Türen besiegeln. Die taz veröffentlicht den Vertrag – der pikante Details enthält

Der Mauerpark ist für seinen Flohmarkt bekannt - aber es gibt auch Schaukeln Bild: Maja Hitij/dapd

Bevor der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses heute über die Zukunft des Mauerparks berät, müssen alle Gäste den Raum verlassen. Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen – über die Details des Vertrags, den das Land Berlin mit dem Grundstückseigentümer schließen will, soll nur hinter verschlossener Tür gesprochen werden. So war es gedacht – doch die taz veröffentlicht jetzt das komplette Papier zum Download (PDF) zusammen mit einer Darstellung des Geschäfts (PDF) durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Es geht um den Streifen westlich des bisherigen Mauerparks an der Grenze zwischen Wedding und Prenzlauer Berg. Der Vertragsentwurf offenbart jede einzelne Regelung des Grundstücksgeschäfts. Die Grundzüge: Der Grundstückseigentümer – eine Tochter der österreichischen Aktiengesellschaft CA Immo – verkauft für 3,8 Millionen Euro den Teil südlich des Gleimtunnels an das Land Berlin. Der Mauerpark wird um diese Fläche erweitert, der Flohmarkt und die Bars an der Bernauer Straße bleiben erhalten. Im Gegenzug wird dem Eigentümer in Aussicht gestellt, dass im Norden des Grundstücks zwischen Gleimstraße und Ringbahn Wohnungen gebaut werden dürfen.

Heiner Funken ist Vorstandssprecher der Bürgerinitiative Welt-Bürger-Park. Er sagt, dieser Vertrag sei „die Krönung der Unfähigkeit“. Die Bebauung im Norden mit 600 Wohnungen findet er „zu massiv“. Und vor allem die Kosten zu hoch: Das Land habe sich „über den Tisch ziehen lassen“. Berlin verpflichtet sich in dem Vertrag zum Beispiel auch, der Deutschen Bahn 1,5 Millionen Euro für die Sanierung des Gleimtunnels zu bezahlen. Funken kann das nicht nachvollziehen, hält das für Steuergeldverschwendung und zieht einen Vergleich: „Bei Häusern muss der Eigentümer die Sanierung selbst zahlen. Da zahlt das auch nicht das Land.“

Pikant ist auch Paragraf 7. Der legt fest: Wenn innerhalb der nächsten 15 Jahre auf der erweiterten Parkfläche im Süden „eine höherwertige Nutzung“ erlaubt wird – also etwa der Bau von Hotels oder Supermärkten –, dann erhält die CA Immobilien AG 75 Prozent der Wertsteigerung des Grundstücks. Die Vereinbarung gilt aber nur in eine Richtung. Wenn das Unternehmen auf seinem Teil der Fläche im Norden tatsächlich Wohnungen baut und dadurch der Wert seines Grundstücks steigt, erhält das Land Berlin nichts. Sprich: Gewinnen kann nur der Investor.

In der Summe kostet der Deal für das Land 6,1 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Grundstückswert der gesamten Fläche lag im Jahr 2007 nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bei rund 9 Millionen Euro. Heiner Funken fordert, das Land solle die ganze Fläche kaufen und den Park so groß wie möglich machen.

Kritik an dem Deal hat auch der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto: „Berlin hat kein gutes Geschäft gemacht.“ Geordnete Stadtplanung sehe anders aus: „Erst müsste das Land beraten und beschließen, welche Nutzung es will. Dann müsste man im zweiten Schritt schauen, ob der Grundstückseigentümer mitzieht“, oder ob man ihm das Grundstück abkauft. Bisher sei es zu oft noch umgekehrt – die Stadtplanung richte sich an den Wünschen der Grundstückseigentümer aus. Otto: „Wir müssen nicht mehr jedem Investor hinterherrennen.“ Auch der Linkspartei-Landesvorsitzende Klaus Lederer kritisiert, das Land ermögliche dem Eigentümer, „durch baurechtliche Aufwertung Grund und Boden in Rendite zu verwandeln“.

Wenn das Abgeordnetenhaus sein Okay für den Deal gibt, greift für Heiner Funken Plan B. „Dann kriegen die eine Klagewelle“, sagt er, „dass ihnen der Atem wegbleibt.“

Update 1, 7. November, 11.30 Uhr: In einer früheren Version dieses Artikels fehlten bei dem Download des Vertragsentwurfs die letzten drei Seiten. Inzwischen ist das Dokument vollständig.

Update 2, 7. November, 12.30 Uhr: Jetzt liegt auch eine Stellungnahme der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vor. Behördensprecherin Daniela Augenstein schreibt: "Es hat eine intensive Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile für das Land Berlin gegeben, im Ergebnis mit einer positiven Bilanz für das Land Berlin. Eine isolierte Einzelbetrachtung von Vertragsbestandteilen ist aus diesem Grund nicht sachgerecht. Wir bitten auch um Verständnis, dass wir mit Rücksicht auf die nach wie vor bestehende Vertraulichkeit nicht auf Details im Vertrag eingehen können. Er wird zeitnah den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses vorgelegt. Im Rahmen des Städtebaulichen Vertrags schließen Berlin und die CA Immo eine Abwendungsvereinbarung, um langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen über den betriebswirtschaftlichen Schaden, der der CA Immo entstanden ist zu vermeiden. Dies ergibt sich aus der Notwendigkeit der vorzeitigen Grundstücksverfügbarkeit vor 2013 im Hinblick auf die vertraglichen Vereinbarungen mit der Allianzstiftung. Mit der Abwendungsvereinbarung wird einerseits die kostenlose Übertragung der für die Erweiterung des Mauerparks benötigten Grundstücke an Berlin und andererseits die Erstattung der Aufwendungen der CA Immo vereinbart. Der von CA Immo geltend gemachte Planungsaufwand ist insgesamt plausibel."

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • M
    Mathew

    Erst blockiert die VIVICO jahrelang die Entwicklung, dann lässt sie sich das auch noch bezahlen.

     

    Für die Planungskosten der VIVICO will Berlin 3,82 Mio. € bezahlen, siehe im Vertrag Teil C, §1 und §2. Für die Berechnung der dort genannten Kosten "Wettbewerbe, Moderation, Eigenkosten für die Betreuung des Entwicklungsprozesses usw ... " gibt es keine nachvollziehbare Grundlage.

     

    Die VIVICO hat in den 90er Jahren die von der Deutschen Bahn nicht mehr für den Bahnbetrieb benötigten Grundstücke übertragen bekommen. 2007 wurde die VIVICO mit allen Grundstücken, allein ca. 600 ha in Berlin, von der Bundesrepublik Deutschland an die CA Immo aus Österreich verkauft für 1 Milliarde €. So wurde nach der gescheiterten Privatisierung der Bahn als Ganzes - von der Öffentlichkeit kaum beachtet - dieser Teil der Bahn privatisiert.

     

    Nun muss das Land Berlin, Grundstücke, die sich im öffentlichem Eigentum befanden, teuer zurückkaufen. Parlamentarier im Abgeordnetenhaus, lasst euch die 3,8 Mio. € und die anderen Kosten im Detail vorrechnen!

  • JJ
    Jutta J.

    Offenbar ruiniert der SPD-CDU-Senat ständig willentlich die Berliner SteuerzahlerInnen.

     

    Ob bei der chaotischen Flughafen BER-Planung, bei der die Bauherren (darunter SPD-Wowereit und SPD -Platzeck für das land Berlin bzw. Brandenburg).

     

    Unter der Senats- Unfähigkeit oder der Sentas-Kungelei mit Investoren leiden die Interessen der BürgerInnen.

     

    Ob die gemeinschaftsschädigenden Deals mit den privaten Teil - Eignern der Berliner Wasserbetriebe für die die BerlinerInnen regelmäßig draufzahlen müssen oder jetzt diese seltsame Mauerpark-Bebauung.

     

    Dieser Senat dient nicht den Interessen der BürgerInnen.

  • MR
    matthias roeingh

    man könnte meinen, wir leben im 4. reich.

    der verkauf von grundstücken aus dem eigentum der öffentlichen hand an private unternehmen ist ein verkauf des gemeingutes aller bürger berlins. das schafft langfristig und nachhaltig haushaltsprobleme in berlin. warum wurde das bürgerinteresse nicht abgefragt? warum wird der berliner bürger als souverän so misachtet? liegt es an der totalen korruption aller politiker in deutschland? es wird zeit sich für die ratifizierung des anti-korruptions-abkommens in deutschland einzustezen! so kann es in der bananenrepublik deutschland nicht weitergehen! das ist die totale dekadenz aller politiker in berlin und deutschland! leider kann ich nicht bestimmen, was mit meinen steuergeldern passiert. denn für seinen kuhhandel zahle ich keine steuern.

    leider wird man immer und immer wieder von den handlungen der gewählten "politiker" und behörden verarscht!

    wann wird in berlin wieder politik gemacht? denn alles das hat etwas mit verkaufen und marketing von geschäften zu tun und nichts aber auch gar nichts mit politik!

    mit schwer enttäuschten grüßen,

    dr. motte

  • S
    stratege

    Eigentlich sieht es doch so aus:

     

    Mauerpark-Benauung in der §§-Falle

     

    www.pankower-allgemeine-zeitung.de

  • HD
    herzlichen Dank ...

    ... für die Veröff. des Musche-Pupu-Geschachers von Senat mit Privat.

     

    Die SPD ist einfach nur noch peinlich; siehe auch der für Spandau im Bundestag dahin sitzende Abg. und Behindertenverräter SWEN SCHULZ;

    http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/kobinet/custom/pub/content,lang,1/oid,26660/ticket,g_a_s_t/print,1

    und weitere Einträge hierzu im Internet.

     

    Swen Schulz - ein klassischer Verräter der Interessen der sozial Engagierten, wie Frau Ursula Lehmann und der ArbeiterInnen und ins Prekariat Gezwungenen.

    Neu-Einzug in den Bundestag verhindern - Swen Schulz muss ab der kommenden BT-Legislaturperiode aus dem Parlament draußen sein; auch aus dem Abg.-Haus von Berlin.

  • C
    Cherves

    @Matthias:

    Hier soll doch kein preiswerter Wohnraum für die "sozial Schwächeren" entstehen.

     

    Ansonsten muss definitiv auch innerhalb des S-Bahnrings bezahlbarer Wohnraum entstehen, aber das ist liegt im Aufgabenbereich der CDU/SPD Regierung.

  • N
    Neuköllner

    Wohnungsbau ist gut, innerstädtische Verdichtung ist gut. Der Mauerpark bleibt zum allergrößten Teil erhalten. Wo ist das Problem?

  • W
    Weinberg

    Liebe TAZ, herzlichen Dank!

     

    SPD, CDU und Immobilienspekulant Hand in Hand -

    leben wir nicht in einem wunderbar korrupten Land?

  • M
    Matthias

    Die Bürgerinitiative ist ein Skandal. Hier inszenieren ein paar Wenige Ihre Platzansprüche auf Kosten von sozial Schwächeren. In Berlin werden zu wenige Wohnungen gebaut - nur ca 1/3 bis 1/4 des Bedarfs. Die Leute plärren, wenn Wohnraum knapp und teuer wird - plärren aber auch, wenn Flächen als Wohnraum ausgewiesen werden soll. Knapper Bauplatz heisst nur mal weniger und teurere Wohnungen. So ist halt die Prenzlauer Berg Mischpoke. Selber zugezogen, selber verdrängt - und jetzt wo man sich günstig eingenistet hat, sollen die anderen draussen bleiben. Wenn in den kommenden Jahren weiter jährlich netto 50.000 nach Berlin ziehen, darf man gespannt sein, was passiert. Berlin braucht viel günstige Bauplätze - innerhalb des Innenstadtrings mit entsprechend guter Anbindung an der öffentlichen Verkehr. Mit der Sorte Borniertheit und Egoismus, den diese Sorte Initiative zeigt, wird das schwer. Alles NIMBYS, wie die Amis sagen würden: Not in my backyard.

  • IF
    Iheiner funken

    liebe freunde,

     

    coup gelungen!!!

    die taz hat heute den gesamten mauerparkvertrag veröffentlicht.

    siehe- www.taz.de/Berlin.

    odk - www.prenzlberger-stimme.de zieht gleich nach.

    wenn heute früh der vermögensausschuss und abends der hauptausschuss und nächstens der stadtentwicklungsausschuss des agh berlin in geheimer beratung über den nicht öffentlichen vertrag berät, ist daran nichts mehr geheim. wer es wissen will, der kann es wissen, dieser LAUSIGE vertrag wurde geleakt und vorab ebenso die beiden vertragsentwicklungsstufen. die veröffentlichung der beiden vorherigen vertragsentwürfe hat zu einer sehr heftigen debatte geführt, die niederschlag in der vertragsentwicklung gefunden hat. nach derzeitigem stand der dinge ist eine zuwegung und/ oder bauerschließung über die pankower seite oder den gleimtunnel erst einmal vom tisch. auch der privatisierungsverkauf der flächen im süden ging nicht durch. die jetzt geplanten 33 jahre erbpachtrecht für die ganzwöchige veranstaltungsmeile an der bernauer str. sind schlimm genung - hier wird historisch wichtiges gelände für klingelbeutelbeträge verschleudert.

     

    wir stehen dazu, wenn die öffentliche hand verträge schließt, ist es ein demokratisches grundrecht, dass die bürger kenntnis davon bekommen, was sie am ende zu zahlen haben.

    wenn private im focus der öffentlichkeit keine verträge mit der öffenlichen hand machen wollen, dann sollen sie es sein lassen. der nächste wird das geschäft auch im licht der öffentlichkeit nicht scheuen.

     

    die vertragsqualität dieses und andere verträge zeigt sehr wohl, dass die halbgaren fähigkeiten unserer mandatsträger und die lauwarme motiviertheit unserer beamten und öffentlichen angestellten durchaus den sachverstand einer interessierten bürgerschaft und die inspiration der öffentlichen debatte zur qualitätsverbesserung- und kontrolle braucht.

     

    vermutlich hat sich berlin, gegenüber der börsennotierten firma ca immo wien, soweit nackt gemacht, dass es sich jetzt nicht mehr in der lage sieht, ohne unterschrift unter diesem dusselvertrag nach hause zu kommen.

    lieber bockbeinig dumm, als im letzten moment die notbremse ziehn.

    augen zu und durch. der steuerzahler zahlt.

     

    also werden wir und andere mit hilfe der gerichte dem senat von berlin, in sachen mauerpark, auf den richtigen weg heim leuchten,denn einen vorteil hat so ein dusseliger vertrag - er ist juristisch vielseitig angreifbar. nachteil eines juristischen sieges ist, berlin - also wir - werden mehr geld an die ca immo wien an entschädigung zahlen müssen, als wir an kaufpreis für die flächen hätten aufbringen müssen.

     

    wir erinnern uns: 2007 stellt der senat fest, der wert der fläche beträgt 9,00 millionen euro für 10 hektar. heute zahlen wir für nur die hälfte der fläche(5 hektar)6 millionen euro zuzüglich der baugenehmigung für 600 wohnungen und wenn es daneben geht, ein vielfaches an entschädigung oben drauf.

     

    man muss kein finanzgenie sein, um in sekundenschneller überschlagsrechung zu erkennen, dass das für berlin ein scheiß geschäft ist.

     

    dieser vertragsverstand bringt selbst atheisten zum beten: "herr, schmeiß hirn, aber bitte ziel genau!"

     

    freundlichst - heiner funken