Künstliche Intelligenz in der Medizin: Hatschi? KI!
Künstliche Intelligenz hält zunehmend Einzug in die Medizin. Das ist kein Problem. Richtig eingesetzt kann sie Patient:innen wie Ärzt:innen helfen.
Jetzt also auch hier: Eine Anwendung mit künstlicher Intelligenz (KI) schneidet bei der Überprüfung der Herzfunktion besser ab als der Mensch. Konkret geht es bei der in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie um die Bestimmung der linksventrikulären Ejektionsfraktion.
Die ist ein Indikator dafür, wie gut das Herz Blut in den Körper pumpt. Für die Studie bekamen KI und menschliche Fachkräfte die Bilder einer Ultraschalluntersuchung vorgelegt und sollten auf der Basis den entsprechenden Wert bestimmen. Die Kardiolog:innen, die die Ergebnisse von Mensch und Maschine überprüften, mussten bei Ersteren deutlich öfter korrigieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine KI bei der Analyse eines bildgebenden Verfahrens besser abschneidet als der Mensch. Und auch sonst hält KI langsam Einzug in medizinische Fragen. Bei Ärzt:innen sorgt das nicht nur für Begeisterung. Schon jetzt ist in der Branche Dr. Google eher unbeliebt – dass also Menschen im Kontext eines Leidens gerne mal eine Suchmaschine befragen in der Hoffnung auf eine schnelle Diagnose.
Auf der Suche nach der Mitte
Dr. KI wird das Ärzt:innen-Patient:innen-Verhältnis nicht einfacher machen. Wenn also der Patient in der HNO-Praxis sitzt und erklärt, dass seine starken Ohrenschmerzen ganz sicher auf eine Mittelohrentzündung zurückgehen, weil ChatGPT das als erste Option genannt hat. Oder wenn die Hausärztin erklärt bekommt, dass die Smartwatch ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen ermittelt hat und sie dem bitte nachgehen möge.
Die Medizin steht daher der gleichen Herausforderung gegenüber wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft: Wie umgehen mit den immer vielfältiger und besser werdenden Anwendungen mit künstlicher Intelligenz? Blockieren, akzeptieren oder umarmen? Und wenn es, wie absehbar, die Mitte wird, dann bleibt die Frage: Wie sieht diese Mitte aus?
Es ist dafür wichtig zu akzeptieren, dass Computer im Allgemeinen und KI im Speziellen manches besser können als der Mensch. Das Rechnen gehört beispielsweise dazu, die Auswertung großer Datenmengen, das Erkennen von Mustern. Kein Wunder, dass KI gerade bei der Analyse von bildgebenden Verfahren wie MRT- und Röntgenbildern punkten kann. Zum Beispiel bei der Erkennung von minimalen Hirnveränderungen, die auf Multiple Sklerose schließen lassen, von Knochenbrüchen, Lungenmetastasen und Meniskusrissen.
Menschen lassen bei der Weitersuche nach
Den Stärken der KI stehen dabei ganz menschliche Schwächen gegenüber: zum Beispiel, dass Menschen dazu tendieren, wenn sie bei einer Suche erfolgreich waren – sei es nach einem Rechtschreibfehler oder einem auffälligen Muster im MRT –, beim Weitersuchen nachzulassen in ihrer Aufmerksamkeit. Oder dass es für einen Menschen unverhältnismäßig lange dauern würde, die mehreren hundert Bilder eines Lungenscreenings auszuwerten.
Aber KI kann im medizinischen Bereich noch etwas anderes und damit werden sich vor allem die niedergelassenen Ärzt:innen auseinandersetzen müssen: Sie wird im Alltag von Patient:innen zunehmend eine Rolle spielen. Etwa bei der KI-basierten App, die Menschen mit Diabetes dabei helfen soll, ihren Blutzuckerspiegel im Griff zu behalten.
Oder bei der Auswertung von EKG-Daten aus der Smartwatch. Diese Anwendungen wirken einerseits selbstermächtigend für die Menschen, weil sie es ermöglichen, ein größeres Bewusstsein für und einen aktiveren Umgang mit der eigenen Krankheit – oder Gesundheit – zu entwickeln. Andererseits sind die Entscheidungen der KI für die Nutzer:innen eben nicht nachzuvollziehen – in der Arztpraxis lässt sich zumindest noch mal nachfragen.
Technologie als Werkzeug betrachten
Ein sinnvoller Ansatz wäre es daher, die Technologie als Werkzeug zu betrachten. Genau wie kaum jemand einen Nagel mit der Hand in die Wand schlagen will, einen digitalen Brief wegschickt, ohne ein Rechtschreibprogramm drüberlaufen zu lassen, ein Foto für einen Kalender auswählt, ohne die roten Blitzaugen mal schnell per Bildbearbeitungsprogramm zu entfernen.
Die Voraussetzung: KI ernst nehmen und sich ihrer Stärken bewusst sein – und ihrer Schwächen. Das gilt nicht nur für Patient:innen, sondern auch für die Mediziner:innen.
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